Blick: Mario Gavranovic, sind Sie schon in den Ferien?
Mario Gavranovic: Nein, noch bin ich im Tessin bei meinem Bruder. Am Montag gehen wir dann aber nach Kroatien ans Meer. Ferien würde ich das aber nicht nennen, ich bekomme ein paar freie Tage, mehr nicht. Am Samstag muss ich schon wieder bei Dinamo Zagreb sein, wir spielen ja schon wieder die Champions-League-Qualifikation.
Was hätten Sie gemacht, hätte die Nati die Halbfinal-Qualifikation geschafft?
Keine Ahnung, das müssen Sie Dinamo fragen.
Ihre Frau Anita und Ihre Tochter Leonie haben sich im Gegensatz zu allen Schweizern sicher über Ihre Rückkehr gefreut?
Ja. Aber sagen wir es mal so: Sie hätten es sicher auch noch eine Woche mehr ohne mich ausgehalten.
Beim grossen Empfang am Flughafen Kloten waren Sie happy. Sie meinten, dass es Sie stolz mache, wenn Sie sehen, wie stolz die Schweizer auf ihre Nati seien. Ganz ehrlich jetzt: Wieviel Frust ist noch da nach dem bitteren Ausscheiden gegen Spanien?
Okay. Da ist schon auch noch ein bisschen Frust. Wir haben uns nach einer tollen Leistung zu Zehnt ins Penaltyschiessen gekämpft – und da sind wir ja gleich zweimal vorne gelegen. Wir hätten weiterkommen können, alles hat für uns gesprochen. Aber leider haben wir nicht mehr so gut getroffen wie gegen die Franzosen. Innert zwei Minuten kann alles drehen, so ist Penaltyschiessen. Mal ist man happy, mal traurig. Und am Ende kann man auch objektiv sagen, dass der Sieg der Spanier nicht unverdient war.
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Sie haben Ihren Penalty gegen Spanien souverän verwandelt, wie schon gegen Frankreich. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie zum Penalty anliefen?
Ich war ruhig und konzentriert. Ich habe mir wieder vorgenommen, platziert und scharf zu schiessen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich treffen werde.
Man sagt ja, dass bei einem solchen Grossereignis der Weg für den Schützen zum Penaltypunkt ewig lang und das Tor immer kleiner werde. Wie war das bei Ihnen?
Ich habe mir gesagt: Es ist zwar sehr wichtig, es geht um viel. Aber es ist nur ein Penalty. Bei mir ist das Tor nicht kleiner geworden, ich habe den Weg sogar noch genossen.
Emotionaler dürfte Ihr Tor zum 3:3 kurz vor Schlusspfiff gegen die Franzosen gewesen sein, welches die Schweiz in die Verlängerung rettete. Was ging da bei Ihnen ab?
Unbeschreiblich. Da sind alle Emotionen rausgekommen. Bei mir, meinen Teamkollegen, im Stadion und wahrscheinlich bei allen Schweizern. Das war der schönste Moment in meinem Fussballerleben.
Davor wurde ein Tor von Ihnen wie schon gegen Wales vom VAR wegen Abseits aberkannt. Was haben Sie da gedacht?
Gegen Frankreich war es anders. Da wusste ich, dass ich im Abseits gestanden bin, deshalb wollte ich den Ball auch nicht. Ich habe mich abgedreht und wollte auf den Abpraller gehen. Gegen Wales war es sehr frustrierend. Das waren zwei Zentimeter, das sind Hundertstelsekunden. Aber am Ende sind wir wegen dieses 1:1 auch nur dritte geworden und auf Frankreich getroffen.
Dabei hat das Turnier mit den Tattoo-Geschichten, dem Friseur-Gate und den zwei Partien gegen Wales und Italien nicht gut begonnen.
Die beiden Spiele waren nicht gut. Die Kritik danach total angebracht. Aber wir haben danach eine Antwort gezeigt. Gegen die Türkei, Frankreich und Spanien. All die Dinge, die nichts mit Fussball zu tun hatten, haben mich nicht so beschäftigt. Wir haben ein paar Fehler gemacht. Aber alles wurde viel grösser gemacht, als es war.
Sie haben beste Werbung in eigener Sache gemacht. Sie sind jetzt 31. Kommt nun die Zeit für den letzten grossen Vertrag?
Was in den nächsten Wochen passieren wird, weiss ich nicht. Ich habe immer gesagt, dass ich mich in Zagreb sehr wohl fühle. Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf die paar freien Tage mit meiner Familie. Ich weiss einfach, dass ich gerne weiter Teil dieser Nati sein will. Wir haben es super, diese Zeit war grossartig.