So sehen internationale Experten unsere Nati
«Ich habe mehr von der Schweiz erwartet – viel mehr»

Mit vier Punkten ist die Schweiz in die EM gestartet. Dem starken Auftritt gegen Ungarn folgte ein durchschnittlicher gegen Schottland. Wie stark ist die Nati wirklich? Blick hat sich bei europäischen Fussball-Experten umgehört.
Publiziert: 22.06.2024 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2024 um 11:20 Uhr
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Wie stark ist die Nati? Die Experten sind sich nicht alle einig.
Foto: TOTO MARTI

Yvonne Gabriel (Deutschland) – Bild

«Die Deutschen wissen, dass der schwierigste Gruppengegner auf sie zukommt. Eine erfahrene Mannschaft mit Spielern aus Top-Ligen und einer guten Achse, die auch unserem Team Probleme bereiten kann. Doch die Mannschaft wird so motiviert sein, dass sie unbedingt Gruppensieger werden will. Nagelsmann sagt, das sei ein ganz wichtiges Zeichen nach innen und aussen, denn man wolle mit Schwung in die K.-o.-Runde. Dazu ist die Schweiz ein guter Prüfstein. Der Trainer wird deshalb auch nichts ändern. Auch mit Gelb vorbelastete Spieler wird er nicht schonen. Da ist er konsequent.»

Matthias Dersch (Deutschland) – Kicker

«Die Konstellation mit den beiden Siegen ist für Deutschland sehr gut, denn die Mannschaft hätte durchaus Probleme bekommen können gegen die Schweiz, wenn da noch eine Drucksituation gewesen wäre. Die Schweiz wird in Deutschland immer noch ein bisschen unterschätzt, obwohl man viele Spieler aus der Bundesliga kennt. Das hat man auch an der Pressekonferenz gemerkt, dass die Schweiz zwei Tage vor dem Spiel noch kein grosses Thema war. Mich hat die Schweiz positiv überrascht. Ich hatte die Ungarn doch eher vorne gesehen. Da hat sie gezeigt, was sie kann. Sie hat aber auch Schwächen, so in der Defensive. Da bietet sie Angriffsfläche an. Im Umkehrschluss muss Deutschland aufpassen, dass die Umschaltmomente gut verteidigt werden. Auch ein Embolo kann uns wehtun, falls er spielt.»

Scott McDermott (Schottland) – Sunday Mail

«Ich habe mehr von der Schweiz erwartet. Viel mehr. Nach der ersten Halbzeit gegen Ungarn war ich beeindruckt. Vor allem von Xhaka. Das hat wohl auch Schottlands Trainer so gesehen und mit McTominay einen Bewacher auf Xhaka angesetzt. Das hat ganz gut geklappt, auch Gilmour und McGregor haben mitgeholfen, ihn abzumelden. Was die Schweiz sicherlich hat, ist eine gute Bank. Das könnte am Ende den Unterschied ausmachen. In einem möglichen Achtelfinal gegen Kroatien ist die Schweiz Favorit. Gegen Italien nicht.»

Lukas Vrablik (Slowakei) – Freelancer für BBC, ESPN und The Guardian

«Die Stärke der Schweiz ist zum einen die individuelle Qualität im Mittelfeld. Xhaka ist einfach ein grossartiger Spieler, der alles zusammenhält. Und er versteht sich sehr gut mit Freuler. Dazu kommt Shaqiri, der sehr kreativ ist und ein Spiel allein verändern kann. Auch in der Abwehr sehe ich kaum Schwächen. Zum anderen funktioniert das System, obwohl die Schweiz bei den Aussenverteidigern und den Flügeln nicht über die gleiche individuelle Qualität verfügt. Weniger gefällt mir, dass die Offensivspieler wie Shaqiri oder Ndoye ständig ihre Position wechseln. Ich würde eher auf einen richtigen Mittelstürmer wie Embolo setzen. Die Schweiz hat bei den letzten Turnieren bewiesen, dass sie zur erweiterten europäischen Elite gehört.»

Sébastien Buron (Frankreich) – L'Equipe

«Die Schweiz hat Qualität und Potenzial, wird aber nicht gerne unter Druck gesetzt. Um die Achse mit Sommer, Akanji und Xhaka können sie viele Mannschaften beneiden. Aber wenn der Gegner die Intensität erhöht, wie Ungarn in der zweiten Halbzeit und Schottland in der ersten, gerät die Nati schnell in Schwierigkeiten. Xhaka war gegen Schottland Durchschnitt, das hat sich bemerkbar gemacht. Von den Aussenverteidigern bin ich weniger überzeugt. Aebischer war die Überraschung im ersten Spiel, der Plan hat funktioniert. Gegen Schottland war der Überraschungseffekt aber bereits verpufft. Auf der anderen Seite hat Widmer nicht überzeugt. Auch in der Offensive sehe ich Probleme. Vargas und Ndoye verfügen über Aktivität, Frische und Durchschlagskraft, aber die mangelnde Effizienz könnte sich als Bremsklotz erweisen. Solange Embolo nicht 100 Prozent fit ist, fehlt es der Schweiz an Durchschlagskraft.»

Paolo Tomaselli (Italien) – Corriere della Sera

«Die Schweiz kennt man in Italien gut. Niemand hier kann vergessen, dass sie uns daran gehindert hat, an die WM nach Katar zu fahren. Die Schweiz kommt immer in den Achtelfinal, eine Bilanz, von der Italien im Moment nur träumen kann. Die Schweiz hat einen Goalie, den wir in diesem Jahr noch besser kennengelernt haben, obwohl wir schon vorher wussten, dass er zuverlässig ist. Und dann ist da noch Ndoye, der bei Bologna sehr überzeugend gespielt hat. Die Schweiz hat neue Spieler, ein Generationswechsel ist nicht einfach, aber diese Schwierigkeit haben alle Nationen, auch Italien. Wenn es im Achtelfinal zum Duell Italien – Schweiz kommen sollte, bin ich nicht davon überzeugt, dass Italien der Favorit wäre.»

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