So erinnern sich die Ex-Nati-Stars an ihre Tore
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Treffer gegen Italien:So erinnern sich die Ex-Nati-Stars an ihre Tore

Nati-Legenden erinnern sich
Tore gegen Italien sind das Schönste

Vor dem EM-Kracher gegen Italien am Mittwoch erinnern sich vier ehemalige Schweizer Nati-Spieler an ihr Tor für die Ewigkeit. An ihr Tor gegen die Fussballgötter, an ihr Tor gegen die Azzurri.
Publiziert: 16.06.2021 um 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2021 um 13:31 Uhr
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Gygax, Elsener, Bregy und Brigger in der «Trattoria Sempre» im Niederdorf schwelgen in schönen Nati-Erinnerungen.
Foto: TOTO MARTI
Michael Wegmann (Text) und Toto Marti (Fotos)

Der ehemalige Natistürmer Ruedi Elsener macht auch mit 68 seinem Spitznamen aus Aktivzeiten alle Ehren – «Turbo-Ruedi» trifft gut eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit ein. Er müsse aber auch früher wieder los, sagt Elsener, weil er noch familiäre Verpflichtungen habe. Das gelingt ihm dann nur halbwegs, weil Dani Gygax zu spät kommt. «Gäll Georges, immer diejenigen, die am nächsten wohnen, kommen zu spät», sagt Jean-Paul Brigger (63), der aus dem Wallis mit dem Zug angereist ist. Freistoss-Gott Georges Bregy (63) lacht. Gygax (39) macht seine knapp 20-minütige Verspätung schnell vergessen. «Es ist mir eine Ehre, in diesem erlesenen Kreis dabei zu sein …», sagt der Youngster zur Begrüssung in die Runde. Taktisch clever.

Nun ja. Recht hat er ja auch. Da ist wirklich ein exklusives Grüppchen von ehemaligen Nationalspielern an diesem Donnerstagnachmittag in der «Trattoria Sempre» im Zürcher Niederdorf zusammengekommen. Sie alle haben im Dress der Schweizer Nationalmannschaft gegen den vierfachen Weltmeister Italien ein Tor erzielt. Gegen das ABC der Fussballgötter in Azurblau wie Altobelli, Ancelotti, Baggio, Buffon, Conti, Donadoni, Del Piero, Rossi, Vialli, Pirlo, Totti, bis Z wie Zenga.

Elsener fragt Brigger: «Wann hast du denn gegen Italien getroffen?» Der schlagfertige Walliser meint lässig: «Achtzehnhundert und irgendwas … So genau weiss ich das nicht mehr.» Gelächter.

Zwei grosse Sensationen

Brigger trifft 1986 bei der knappen 2:3-Niederlage in Mailand mit einem herrlichen Weitschuss in den rechten Winkel. Bregy macht 1984 in Lausanne das 1:1 – per Freistoss natürlich. Gygax haut den Ball 2006 in Genf sensationell aus dem Lauf ins linke obere Eck. Und Elsener trifft 1982 im Stadio Olimpico in Rom. «Von diesem Spiel gibt es noch nicht mal Farbfotos …», scherzt Turbo-Ruedi. Sein Tor ist nicht nur besonders schön, sondern auch besonders selten. Es ist ein Siegtreffer. Aus den 19 Direktduellen in den letzten 50 Jahren zwischen der Schweiz und Italien gibts unter den elf Torschützen nur zwei Siegtorschützen: Elsener und Marc Hottiger, dessen 1:0 uns 1993 im Wankdorf den Weg an die WM 1994 ebnete. Aus den restlichen 17 Partien gegen Italien resultierten 9 Unentschieden und 8 Niederlagen.

Die zwei Siege in den 80ern und den 90ern der kleinen Schweizer sind grosse Sensationen. Italien ist in dieser Zeit das Sehnsuchtsland des europäischen Fussballs schlechthin. Der Calcio der Serie A ist das Nonplusultra. Alle Mega-Stars spielen am Stiefel. Maradona und Careca bei Napoli. Die Holländer Gullit, Van Basten, Rijkaard bei Milan. Die Deutschen Matthäus, Klinsmann, Brehme bei Inter.

Spiele gegen Italien – immer ein Höhepunkt

Bella ITALIA – bis auf Ciriaco Sforza (1996/97 bei Inter) konnten Schweizer Fussballer im letzten Jahrtausend von einem Engagement in der Serie A nur träumen. Von magischen Nächten des italienischen Fussballs, wie sie Gianna Nannini und Eduardo Bennato in ihrer Hymne der WM 1990 «Notti magiche» besingen.

Auch wenn der italienische Fussball zwischenzeitlich seinen Glanz verloren hat (verschuldete Klubs, baufällige Stadien, Gewalt), Länderspiele gegen die Azzurri blieben immer ein Höhepunkt für jeden Schweizer Fussballer.

Und Tore gegen Italien sind der tartufo bianco (weisser Trüffel) auf der Pasta. Was für Elsener, Bregy, Brigger und Gygax galt, gilt immer noch. Für die aktuelle Generation um Shaq, Freuler, Seferovic, Rodriguez & Co. ist die Serie A zwar längst Alltag – ein Länderspiel gegen Bella ITALIA aber keineswegs. Denn das jüngste Aufeinandertreffen ist nun auch schon elf Jahre her. Beim 1:1 im Stade de Genève hiess unser Torschütze Gökhan Inler. Von den damals eingesetzten Spielern ist nur noch Shaq am Mittwoch beim EM-Showdown in Rom mit dabei.

Es ist definitiv Zeit, dass sich das illustre Grüppchen von Schweizer Torschützen gegen Italien vergrössert. Am liebsten auch um einen Siegtorschützen.

Daniel Gygax (39)
«Super, dass ich den Ball so toll getroffen habe!»

«Es war ein Test für die WM 2006 – und es war ein ausgeglichenes Spiel damals in Genf. Im Nachhinein sind dann schon Sprüche von Kollegen gekommen, so à la: ‹Jetzt habt ihr 1:0 geführt gegen Italien und spielt dennoch nur Unentschieden.› Oder: ‹Italien war ja gar nicht so stark …› Dass die Italiener dann Weltmeister wurden, hat dieses 1:1 im Nachhinein ein wenig in ein anderes Licht gerückt.

Klar gehören dieses Spiel und dieses Tor zu den Höhepunkten meiner Karriere. Ich hatte immer eine Verbindung zu Italien. Meine Frau ist Halb-Italienerin, ich bin mit vielen Italienern aufgewachsen, habe viele italienische Freunde. Dann «Italia 90» natürlich, als neunjähriger Bub habe ich mein erstes WM-Panini-Heft gefüllt und mitgefiebert.

Mein Tor war ja auch richtig schön. Es war ein Pass aus der eigenen Platzhälfte, ich sah den Raum vor mir und habe diesen entschlossen angegriffen. Ich habe gedacht: ‹Ziehe doch einfach mal ab.› Es war natürlich super, dass ich den Ball so toll getroffen habe. Der Jubel danach war dann recht spontan – wie vieles, was ich gemacht habe. Auf den Jubel wurde ich im Nachhinein fast so oft angesprochen wie auf das Tor. Nach Spielschluss wollte ich mit Totti das Shirt tauschen, obwohl wir dies auf dem Platz abgesprochen haben, hat es dann leider nicht geklappt. Das hat mich doch ziemlich genervt.

Der Nati traue ich für diese EM sehr viel zu. Wir hatten damals sicher auch eine super Mannschaft, hatten aber weniger positive Resultate gegen grosse Teams wie die jetzige Generation. Ich traue der Schweiz sehr wohl zu, dass sie Italien schlägt. Aber aufgrund meiner familiären Situation tippe ich hier doch lieber auf ein 1:1 und hoffe, dass dann beide Länder weiterkommen.»

Testspiel: Schweiz – Italien 1:1
31. Mai 2006. Stade de Genève. 30'000 Zuschauer. Tore: 11. Gilardino 0:1. 32. Gygax 1:1.
Schweiz: Zuberbühler (46. Coltorti); P. Degen, Djourou, Senderos (70. Grichting), Magnin (46. Spycher); Barnetta, Vogel, Cabanas (46. Margairaz), Wicky (62. H. Yakin); Gygax (90. D. Degen); Frei. Nationaltrainer: Jakob Kuhn.
Italien: Buffon; Zaccardo, Cannavaro, Materazzi (46. Oddo), Grosso (60. Bonera); Pirlo (76. Perrotta), Gattuso; Camoranesi (46. de Rossi), Totti, Del Piero (46. Iaquinta); Gilardino (46. Toni).

Jean-Paul Brigger (63)
«Ich hätte fast die italienische Hymne mitgesungen»

«Dieses Tor in diesem Spiel war ein wunderbarer Moment in meiner Karriere. Eigentlich war ich davor ja längere Zeit nicht mehr in der Nati dabei. Dann habe ich beim FC Sion meinen zweiten Frühling erlebt und Nati-Trainer Daniel Jeandupeux hat mich wieder aufgeboten. Eigentlich wollte ich gar nicht hingehen, ich hatte irgendwie keine Lust mehr. Doch Jeandupeux hat mich zu meinem Glück quasi gezwungen.

Im Kreis der Nati war die Lust dann sofort wieder da. Und erst recht im San Siro vor über 60’000 Fans, das war Gänsehautstimmung pur. Ich war so euphorisiert, dass ich bei der italienischen Hymne fast mitgesungen hätte. Das ging so ins Blut. Wie ein natürliches Doping. Ich dachte mir: ‹Wenn du hier nicht gut spielen kannst, dann bist du wirklich eine Pfeife.› Und dann schiesse ich auch noch ein Tor. Ein Zuspiel von Georges Bregy. Ich nehme den Ball auf meinen schwächeren Fuss – eigentlich war ich ja beidfüssig –, lasse ihn einmal abtropfen und halte drauf. Schon bei der Schussabgabe habe ich gedacht: ‹Da passiert was!› Danach sah ich die Flugbahn des Balles und Walter Zenga im Tor. Ich war sicher, der braucht sich gar nicht bewegen, der Ball sitzt. Und dann dieser Moment. Delirium!

So einen Treffer gegen Italien in diesem Stadion. Das war einmalig. Wir haben dann doch noch 2:3 verloren. Wie so oft damals: Wir spielten gegen grosse Teams gut, verloren dann aber ehrenvoll. Meiner Meinung nach hatte es zu dieser Zeit mehr Individualisten, die ein Spiel entscheiden konnten. Von uns Natispielern waren sehr wenige im Ausland engagiert. Im Gegensatz zu heute. Dadurch spielt die heutige Generation viel öfters gegen die Superstars, sie wissen, wie’s läuft.

Unsere aktuelle Nati hat viel Qualität und ist gefestigt. Der Unterschied zu Italien ist sicher viel kleiner als bei uns. Nichts gegen die Italiener, aber ich habe keine Angst vor ihnen. Ich traue der Nati zu, dass sie am Mittwoch gewinnt. Passt alles, kann die Schweiz an dieser EM eine Riesenrolle spielen.»

EM-Qualifikation 1988: Italien – Schweiz 3:2 (1:1)
15. November 1986, 14.30 Uhr. Giuseppe Meazza, Mailand. 67'422 Zuschauer. Tore: 1. Donadoni 1:0. 32. Brigger 1:1. 51. Altobelli 2:1. 85. Altobelli (Foulpenalty) 3:1. 88. Weber 3:2.
Italien: Zenga; Bergomi; Cabrini (11. Francini), Baresi, Bonetti; Bagni, Donadoni (41. Serena), Ancelotti, Altobelli; Dossena, Vialli.
Schweiz: Brunner; Geiger; Ryf, Weber, Wittwer; Heinz Hermann, Bregy, Bamert (78. Bickel); Halter (69. Zuffi), Brigger, Beat Sutter. Nationaltrainer: Daniel Jeandupeux.

Georges Bregy (63)
«Rossi, Conti, Altobelli – und ich plötzlich mittendrin»

«Ich erinnere mich bestens. Es war in Lausanne auf der alten Pontaise. Ein Freistoss aus circa 35 Meter. Ich zirkelte den Ball rechts an der Mauer vorbei und habe damit den Goalie überrascht. Das war eines meiner ersten Länderspiele – und dann treffe ich gleich gegen Italien. Das war natürlich sensationell.

Es war nur schon gewaltig für mich, gegen Italien spielen zu dürfen. Italien war die Fussball-Grossmacht mit klingenden Namen wie Altobelli, Rossi, Conti, Vierchowod. Und ich als junger Fussballer bin dann da plötzlich mittendrin. Aus diesem Spiel habe ich kein Souvenir nach Hause nehmen können. Das habe ich dann viele Jahre später bei der Qualifikation für die WM 94 nachgeholt. Da habe ich mit Superstar Baggio das Shirt getauscht. Ich hatte das Glück, dass ich zweimal gegen ihn spielen durfte. Das war ein grandioser Fussballer, praktisch nicht zu stoppen. Aber ich habe es, so gut es eben geht, versucht. Für mich war er einer der Grössten.

Mittlerweile sind sich die Nationalteams von der Qualität her viel näher gekommen. Wir Schweizer haben aufgeholt. Diese Partie gegen Italien wird sicher sehr spannend und aufregend für uns. Ich hoffe, dass die Schweiz dieses Jahr den Achtelfinal-Fluch endlich besiegen kann. Schafft sie das, könnte die Erlösung so gross sein, dass die Nati sehr, sehr weit kommen könnte.»

Testspiel: Schweiz – Italien 1:1 (1:1)
3. November 1984, 19.30 Uhr. Stade de la Pontaise, Lausanne. 20'000 Zuschauer. Tore: 7. Cabrini 0:1. 43. Bregy 1:1.
Schweiz: Engel; Wehrli; Rietmann, Heinz Hermann, Schällibaum; Decastel, Geiger, Bregy, Ponte (87. Koller); Beat Sutter (62. Matthey), Zwicker (70. Braschler). Nationaltrainer: Paul Wolfisberg.
Italien: Tancredi; Bergomi; Cabrini, Bagni; Vierchowod, Scirea, Conti (62. Dossena), Sabato (77. Righetti), Rossi; di Gennaro, Altobelli.


Ruedi Elsener (68)
«Die Italiener sind nicht mal eingelaufen …»

«Die Partie war an einem Mittwoch, ich erinnere mich noch genau. Es war schwül und heiss in Rom. Wir haben noch über Mittag einen Spaziergang gemacht, meine Beine waren so schwer wie Klostersäulen. Es was das erste Spiel der Italiener als frischgebackene Weltmeister. Kurz vor der Partie waren sie noch beim Papst eingeladen.

Die grossen Stars wie Altobelli, Cabrini, Rossi, Conti haben zwar alle gespielt, so richtig ernst genommen haben sie uns aber nicht. Als wir vor dem Spiel einlaufen wollten, mussten wir im Spielertunnel des Stadio Olimpico über aufgestapelte Sporttaschen steigen. Die Italiener haben damit ein Netz gebaut und ein wenig Fussballtennis gespielt. Und dann gewinnen wir mit 1:0. Ich glaube, es ist bis heute der einzige Sieg der Nati auf italienischem Boden.

An mein Tor erinnere ich mich noch bestens: Ich passe zu Claudio Sulser, der mir den Ball per Aussenrist wieder perfekt in den Lauf zurückspielt. Ich bin in einem Zweikampf mit Gentile und lupfe den Ball über den herauseilenden Goalie Bordon ins Netz. Wären wir Brasilianer gewesen, hätte man von einem typisch brasilianischen Tor gesprochen. Von der Entstehung her war es wunderschön. Um dieses Tor ist dann eine grosse Euphorie entstanden – alle haben davon geredet. Wir haben den frischgebackenen Weltmeister geschlagen.

Noch heute werde ich regelmässig auf dieses Tor angesprochen. Von diesem Spiel hatte ich während vieler Jahre ein Souvenir, doch irgendwann habe ich das Italien-Shirt einem guten Freund von mir, der leider mittlerweile verstorben ist, verschenkt. Er war Italiener und wollte es unbedingt.

Unsere heutige Nati stufe ich auf Augenhöhe mit den Italienern ein. Wir haben so viele Spieler, die in vielen Spitzenteams in Europa spielen. Wir haben sehr gute Chancen, ein positives Resultat zu machen. Wenn wir keine grossen Verletzungen haben, bin ich sicher, dass wir die Viertelfinals erreichen. Vielleicht sogar mehr.»

Testspiel: Italien – Schweiz 0:1 (0:0)
27. Oktober 1982, 20.30 Uhr. Stadio Olimpico, Rom. 28'666 Zuschauer. Tor: 54. Elsener 0:1.
Italien: Zoff (46. Bordon); Scirea; Gentile, Collovati (85. Bergomi), Cabrini; Conti, Tardelli (46. Dossena), Antognoni, Marini (85. Causio); Rossi (31. Altobelli), Graziani.
Schweiz: Burgener; Geiger; Lüdi, Egli, Heinz Hermann; Wehrli, Favre, Decastel; Sulser, Ponte, Elsener (57. Braschler). Nationaltrainer: Paul Wolfisberg.

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