Lothar Matthäus exklusiv
«Shaqiri spielt auf der falschen Position»

Weltmeister Lothar Matthäus (55) regt eine Taktik-Diskussion über Xherdan Shaqiri an. Und sagt: «Er hat stagniert. Oder sogar einen Rückschritt gemacht.»
Publiziert: 22.06.2016 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:00 Uhr
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Falsch eingesetzt? Lothar Matthäus glaubt, dass Xherdan Shaqiri hinter der Spitze gefährlicher wäre als auf dem Flügel.
Foto: TOTO MARTI
Andreas Böni aus Montpellier

BLICK: Herr Matthäus, wie erleben Sie die EM bisher?
Lothar Matthäus: Mir gefällt sie ehrlich gesagt gar nicht. Es sind viel zu viele Teams dabei, und jetzt kommen auch noch zwei Drittel weiter. Die ersten Runden waren spielerisch nicht auf höchstem Niveau. Das haben wir Michel Platini zu verdanken, der die Europameisterschaft verwässert hat, um so Stimmen für seine Wiederwahl als Uefa-Präsident zu sichern.

Harte Worte.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Man kann einige Ausnahmespieler wie zum Beispiel Granit Xhaka noch gar nicht richtig einschätzen, weil sie einfach noch nicht gefordert wurden. Das Frankreich-Spiel ist kein richtiger Massstab, da die Franzosen schon qualifiziert waren. Die Spannung fehlt komplett zum Start. 24 Teams sind am Start, fast jeder Zweite in Europa – und in der Quali sind noch Gibraltar, Andorra und San Marino dabei. Würde man eine WM so spielen, wären etwa 80 Teams beim Turnier... Nein, die richtige EM fängt erst ab dem Viertelfinale an.

Mit der Schweiz?
Das ist möglich. Die Chancen gegen Polen sind sicher da.

Was erwarten Sie für ein Spiel?
Die Schweiz wird es machen, die Polen lassen den Gegner gerne auf sich zukommen. Das war auch gegen die Ukraine so. Aber sie fahren die Konter am schnellsten von allen Teams und haben mit Robert Lewandowski einen Top-Mann im Sturm. Es wird eine offene Partie.

Ihr Tipp?
Es riecht nach Verlängerung und Elfmeterschiessen.

Es ist gut für die Schweiz, dass man im Achtelfinal nicht auf Deutschland trifft.
Es ist auch gut für Deutschland, es ist ein grosser Respekt für den Schweizer Fussball da. Beide Seiten wären nicht gerne aufeinander getroffen. Der Gruppendritte, den Deutschland nun bekommt, wird weniger Qualität als eure Mannschaft haben.

Was trauen Sie der Schweiz denn zu?
Die Schweiz ist für mich eine Mannschaft für das Achtel- oder Viertelfinale. Das Halb­finale ist dann zu viel, da fehlt dann die Qualität. Aber gerade bei Xhaka bin ich jetzt richtig gespannt, was er zeigt, wenn es in die K.-o.-Runde geht. Wie auch auf Xherdan Shaqiri.

Es ist noch nicht seine EM.
Ja. Für mich spielt er aber auch auf der falschen Position. Er braucht einen kürzeren Weg zum Tor. Für mich kann er hinter den Spitzen mehr Verantwortung übernehmen als bisher rechts.

Warum?
Er wirkt zwar schnell, aber ist es nicht wirklich. Er läuft nie einem davon, wie ein Robben oder Ribéry das machen. Er ist für mich kein Spieler für rechtsaussen – da ist er zu weit weg vom Schuss. Fragen Sie Shaqiri mal, er wird Ihnen sicher sagen, dass er lieber auf der Zehn spielt. Auch da sollte man als Trainer darauf Rücksicht nehmen.

Aber Blerim Dzemaili macht es hinter den Spitzen okay.
Ja, aber okay reicht halt nicht für mehr. Aber jeder hat seine Meinung, euer Trainer hat
offenbar eine andere als ich. Jedenfalls erinnere ich mich, dass Shaqiri an der WM 2014 seinen Hattrick gegen Honduras als Nummer 10 machte. Und dass er mich als Bulgarien-Trainer abschoss. Nur hat er seither stagniert. Oder gar einen Rückschritt  gemacht. Irgendetwas hat er auf seinem Karriere-Weg liegen gelassen.

Seit wann?
Seit seinem Abgang bei Bayern. Aus meiner Sicht hätte er die Ellbogen aus­fahren müssen statt immer nur zu lächeln bei Interviews. Er war zu lieb und zu nett. Und darum mag ich ihn auch. Dass er jetzt bei einem mittelklassigen Klub in England spielt, tut schon weh. Dass er sich davor in einem durchschnittlichen Team von Inter nicht durch­setzen konnte, auch.

Wäre er besser in München geblieben?
Bayern München ist der beste Klub der Welt. Sie wollten ihn unbedingt. Er hatte das Zeug zum Stammspieler. Ja, er hätte mehr Geduld haben sollen. Es ist schade, dass er nun im englischen Mittelmass kickt. Er spielt gut, aber nicht sehr gut. Sein Anspruch muss sein, den Sprung zur Weltklasse zu schaffen. Doch jetzt, mit bald 25, muss er den Turbo zünden.

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