Ein bisschen haben wir uns alle gefragt: Spinnen sie, die Bayern? 35 Millionen Euro zahlen sie für einen 18-jährigen Portugiesen, der erst im Oktober 2015 als Profi bei Benfica Lissabon debütierte – und mit Bonuszahlungen vielleicht 80 Millionen kostet. Für den Fall nämlich, dass die Bayern mit dem Jüngling bis 2021 Titel und Triumphe feiern.
Verrückt! Und doch Realität im Mai dieses Jahres. Da gaben die Münchner die Verpflichtung von Mittelfeldspieler Renato Sanches bekannt. Ausserhalb Portugals war er Kennern bekannt, Sportdirektoren, Scouts. Im breiten Publikum? Kannte ihn kein Schwein.
Ronaldo zur Randfigur degradiert
Nun kennt ihn jeder. Spätestens seit seinem erstklassigen Auftritt im EM-Viertelfinal gegen Portugal, den er mit dem Tor zum 1:1 vergoldete. Unbekümmert spielte er, frech, ein Kraftpaket mit aussergewöhnlicher Technik. Fehlpässe? Kaum zu sehen.
Keine Frage auch, dass er selbst im nervenzehrenden Penaltyschiessen gelassen blieb – und treffsicher. Sanches: «Ich habe mir die Seite ausgesucht und geschossen.» So einfach ist das. Der Lohn war die Ernennung zum Mann des Spiels der Uefa. Cristiano Ronaldo war flugs zur Randfigur degradiert.
Carlo Ancelotti war von Sanches ganz sicher nicht überrascht, sein baldiger Trainer. Er habe den Teenager im Frühling zu seinem Wunschtransfer erhoben – heissts in München. Nun hebt er ihn auch rhetorisch in den Himmel. «Er kann der beste Fussballer Europas werden. Es war ein Genuss, ihm gegen Polen zuzusehen», sagt der italienische Startrainer.
«Er wird noch besser»
Hat er Schwächen? Wenige. Die mangelnde Erfahrung, klar. Und «A Bola», die portugiesische Tageszeitung, urteilt: «Manchmal wirkt er hyperaktiv.» Zu wenig effektiv kickt er also. Kann er ja noch lernen!
Damit er sich in München nur aufs Kicken konzentrieren kann, haben die Bayern gemäss «Bild» ein umfassendes Betreungskonzept erarbeitet. Behördengänge, Einkäufe, Alltagsprobleme? Erledigen andere für ihn.
Sein Tor am Samstag übrigens, geschossen im Alter von 18 Jahren und 317 Tagen, macht ihn
zum drittjüngsten EM-Torschützen der Geschichte. Nach Johan Vonlanthen (18 Jahre und 141 Tage) und Wayne Rooney (18 Jahre und 237 Tage). Jüngster EM-Schütze seines Landes ist er ohnehin, jüngster portugiesischer Endrunden-Starter auch.
Fernando Santos, der Trainer der Portugiesen, sagt: «Er war grossartig, aber das war noch nicht der endgültige Renato. Er wird noch besser.»
Noch besser? Vielleicht empfindet man die 35 Millionen bald als Schnäppchen.