Blick: Markus Babbel, freuen Sie sich auf den Final?
Markus Babbel: Klar. Das ist ein absolut würdiges Finalspiel. Für mich als ehemaliger «Engländer» ist es phänomenal, dass man es endlich ins Endspiel geschafft hat. In den letzten 55 Jahren sind die Engländer jeweils sang- und klanglos gescheitert. Und auf der anderen Seite steht mit Italien wohl das Team, welches am meisten Spass gemacht hat. Es wird ein Duell auf Augenhöhe, jedes Team hat Vorteile.
Was spricht für England?
Eine starke Abwehr, die kaum was zulässt. Dazu ein hervorragendes Umschaltspiel, mit wahnsinnig schnellen Stürmern und mit einem torgefährlichen Harry Kane in der Mitte. Trainer Southgate hat die letzten Jahre einen tollen Job gemacht und auf die richtigen Spieler gebaut. Probleme haben die Engländer nur, wenn ihr Matchplan nicht sofort aufgeht oder wenn sich Sterling eine Auszeit nimmt, dann wirken sie teilweise ideenlos.
Und die Italiener?
Da ist ganz viel Leidenschaft, Energie und Zusammenhalt. Kommt ein sehr variables Spielsystem hinzu: von Ballbesitzfussball à la dem spanischen Tiki-Taka wie gegen Belgien zum defensiven System mit schnellem Umschalten wie gegen Spanien.
Wollte Italien gegen Spanien nicht auch viel Ballbesitz und schaffte es einfach nicht?
Ich denke schon. Die Spanier haben es herausragend gemacht. Ihr Plan ist perfekt aufgegangen. Pedri hat Jorginho zugestellt und Koke hat Verratti gedeckt. Das waren traumhafte Schlachten. Spanien hätte das Spiel gewinnen müssen. Italien hatte das Quäntchen Glück, welches es sich in den Spielen davor erarbeitet hat.
Und keine Nerven im Penaltyschiessen gezeigt ...
... Das Penaltyschiessen hat Chiellini mit seinem Psychokrieg gegen Alba schon vor dem ersten Schuss gewonnen. Es sah nach Spass aus, aber die Message war deutlich: hier der Meister Chiellini und da der kleine Schulbube Alba.
Wer gewinnt am Sonntag?
Italien machte mir Spass. Aber ich wünsche mir dennoch, dass die Engländer wieder einmal einen Titel holen. Die warten schon seit 1966.
Werden Erinnerungen an 1996 hochkommen, als Sie den EM-Pokal im Wembley in die Höhe stemmen durften?
Nein. Ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt. Es war ein tolles Erlebnis damals, und ich bin glücklich, dass ich es erleben durfte. Kommt hinzu, dass es damals ja auch noch das alte Wembley war. Es ist nichts mehr wie damals.
Doch Elisabeth II. ist noch immer die Queen. War sie übrigens auch schon beim letzten englischen Titelgewinn 1966 ...
... Das ist doch phänomenal. Sie ist eine Ikone! Genau deshalb liebe ich übrigens England, wegen diesen Traditionen. Es wäre echt cool, wenn es die Engländer schaffen. Wegen Southgate, wegen der Queen, wegen der Geschichte.