Einst lief noch Kaiser Franz für GC auf
Wie der Schweizer Hallenfussball langsam zugrunde ging

Halle-lujah! Kaum wurde es früher Winter, begann die Zeit des Hallenfussballs. Warum das heute nicht mehr so ist, wer für den Niedergang verantwortlich ist und weshalb ein Revival chancenlos ist.
Publiziert: 02.01.2024 um 00:29 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2024 um 08:59 Uhr
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Die guten alten Zeiten: Franz Beckenbauer 1983 im GC-Dress ...
Foto: imago/Belga
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Daniel LeuStv. Sportchef

Ein Blick auf www.hallenmasters.ch sagt eigentlich alles aus. Die letzte Meldung auf der Homepage stammt vom 25. Oktober 2016 und lautet: «Hallenmasters 2017 abgesagt.» 

Der Hallenfussball in der Schweiz – er ist schon seit Jahren tot. Doch wie konnte es so weit kommen? Und hätte der Niedergang der einst so beliebten Sportart verhindert werden können?

Volles Hallenstadion, volle Kassen

Rückblende. Wie populär der Hallenfussball in der Schweiz einst war, zeigt ein Blick zurück auf den Januar 1983. Damals fand im Zürcher Hallenstadion ein internationales Turnier statt. Die Hauptattraktion: der 37-jährige Kaiser Franz Beckenbauer als GC-Spieler, verpflichtet für diesen einen Anlass. Als die Zürcher im Final auf Dinamo Zagreb trafen (und verloren), war der Löwentempel mit 10’000 Zuschauern ausverkauft, und die Chefs der Hoppers freuten sich als Organisator auf eine Viertelmillion Franken Einnahmen, auch dank der restlos verkauften 30’000 Lose.

Roger Wehrli, damals GC-Teamkollege von Beckenbauer, schwärmt noch heute von diesem einzigartigen Erlebnis. «Zusammen mit einem solchen Weltstar spielen zu dürfen, war sensationell. Er hatte keine Star-Allüren und hat sich normal mit uns unterhalten. Das war definitiv das Highlight meiner Karriere als Hallenfussballer.»

In Deutschland wird noch gespielt

In der Schweiz gibt es mittlerweile nur noch bei den Amateuren Hallenturniere, in Deutschland aber werden noch vereinzelt Anlässe mit Profimannschaften ausgetragen. So treten zum Beispiel Schalke und Paderborn Mitte Januar in Gummersbach zu einem Turnier an. Ausserdem laufen im Winter in Deutschland regelmässig Traditionsmannschaften mit ihren Klublegenden an Turnieren auf.

Am 8. Januar feiert ausserdem die «Baller League» ihre Premiere. Unter der Präsidentschaft von Mats Hummels und Lukas Podolski treten in Köln 12 Teams an 11 Spieltagen gegeneinander an. Anschliessend geht es beim Final-Four-Turnier um den Titel. Gespielt wird in der Halle, aber ohne Banden. Ebenfalls mit dabei sein werden Alisha Lehmann, Max Kruse und Kevin-Prince Boateng.

In der Schweiz gibt es mittlerweile nur noch bei den Amateuren Hallenturniere, in Deutschland aber werden noch vereinzelt Anlässe mit Profimannschaften ausgetragen. So treten zum Beispiel Schalke und Paderborn Mitte Januar in Gummersbach zu einem Turnier an. Ausserdem laufen im Winter in Deutschland regelmässig Traditionsmannschaften mit ihren Klublegenden an Turnieren auf.

Am 8. Januar feiert ausserdem die «Baller League» ihre Premiere. Unter der Präsidentschaft von Mats Hummels und Lukas Podolski treten in Köln 12 Teams an 11 Spieltagen gegeneinander an. Anschliessend geht es beim Final-Four-Turnier um den Titel. Gespielt wird in der Halle, aber ohne Banden. Ebenfalls mit dabei sein werden Alisha Lehmann, Max Kruse und Kevin-Prince Boateng.

Auch in den Jahren danach boomte der Hallenfussball. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland (Stichwort «Budenzauber») und in Österreich (mit dem legendären Wiener Stadthallenturnier). Wehrli: «Mit GC waren wir dreimal an einem Turnier in Berlin, und mit Luzern spielten wir einst in Frankfurt. Das waren immer richtige Volksfeste mit vielen Zuschauern und einer tollen Stimmung.»

1996 wurde der Hallenfussball in der Schweiz revolutioniert

Für den Hallenfussball in der Schweiz wegweisend sollte der Berchtoldstag 1995 sein. An jenem Tag fand – wiederum im Hallenstadion – ein Hallenfussballturnier statt. Unter den knapp 2000 Zuschauern sass «aus Langeweile» auch Martin Blaser, heute CEO des FC Lugano und damals ein junger Organisator und Vermarkter von Frauen-Tennisturnieren.

Als am Tag darauf der legendäre Timo Konietzka in einer Blick-Kolumne schrieb, wie unprofessionell und provinziell dieser Anlass gewesen sei, wurde Blaser hellhörig. Er besorgte sich Konietzkas Telefonnummer, rief ihn an und erklärte, er würde ihm gerne mal zeigen, wie man heutzutage ein solches Turnier aufziehen müsste.

Wenige Tage später traf man sich in Schwyz in Konietzkas Restaurant. Ebenfalls überraschend anwesend der damalige Blick-Sportchef Sacha Wigdorovits. Dieser war sofort begeistert von den Blaser-Plänen und sagte: «Da sind wir als Blick mit dabei.»

Die Alternative Futsal

Der Hallenfussball ist tot, es lebe Futsal. Hier gibt es keine Banden, und es wird auf einem handballähnlichen Feld gespielt. In der Schweiz gibt es sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen Meisterschaften. International ist die Schweiz aber nicht sehr erfolgreich. Für die WM 2024 konnte sie sich nicht qualifizieren.

Der Hallenfussball ist tot, es lebe Futsal. Hier gibt es keine Banden, und es wird auf einem handballähnlichen Feld gespielt. In der Schweiz gibt es sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen Meisterschaften. International ist die Schweiz aber nicht sehr erfolgreich. Für die WM 2024 konnte sie sich nicht qualifizieren.

Blaser kündigte daraufhin seinen Job bei der Vermarktungsfirma Octagon und machte ab April 1995 «die ganze Schweiz verrückt», wie er heute sagt. Innerhalb von Wochen erhielt er Zusagen von namhaften Firmen und schloss mit der CS einen Mehrjahresvertrag als Hauptsponsor ab. Im Januar 1996 fand dann in der Zürcher Saalsporthalle der Testanlass «Masters 96» statt. Die Halle war an beiden Tagen ausverkauft, und das Schweizer Fernsehen übertrug live. Blaser: «Nach dem letzten Spiel habe ich alle umarmt und gesagt: ‹Läck, ist das geil!›»

Jeder Klub bekam eine Startgage

Auch die Liga war vom Pilotprojekt begeistert, und man unterschrieb einen Vierjahresvertrag. Deshalb wurde 1997 die erste offizielle Schweizer Hallenmeisterschaft ausgetragen. Jeder Klub erhielt 50’000 Franken Startgage und musste an zwei Qualifikations-Turnieren teilnehmen. Der Final fand danach in Basel statt. Für die Schweizer Klubs war in der Zeit der Hallenfussball eine willkommene Einnahmequelle und eine gute Möglichkeit, die lange Winterpause zu überbrücken und die Spieler bei Laune zu halten. Die Zuschauer nahmen das Projekt grösstenteils positiv auf, trotzdem resultierte fast eine Million Verlust daraus.

Erster Sieger 1997 war Lausanne mit Trainer Georges Bregy. «Ich bin stolz auf diesen Titel», erklärte er unmittelbar nach dem Titelgewinn. Wie sieht er das heute? «Ich bin noch immer stolz darauf. Der Hallenfussball war damals auf einem sehr hohen Niveau, die Spieler hatten grosse Freude, und es förderte unseren Teamgeist.»

Ein Revival? Chancenlos!

Im Jahr darauf konnten Blaser und Co. den Verlust auf 300’000 Franken minimieren, 1999 gabs gar eine schwarze Null. Doch weil nach dem dritten Jahr viele Sponsoringverträge ausgelaufen waren, stellte sich bei Blaser die Grundsatzfrage. «Die drei Austragungen waren zwar gut, es war aber kein durchschlagender Erfolg. Deshalb kamen wir zum Ergebnis, dass ein viertes Jahr keinen Sinn mehr macht, und lösten den Vertrag mit der Liga vorzeitig auf.»

Das Wintermärchen namens Schweizer Hallenmeisterschaft – es war plötzlich bereits wieder vorbei. Hallenfussball wurde zwar auch danach noch gespielt, so zum Beispiel beim Axpo Hallenmasters in Winterthur zwischen 2006 und 2016, doch der Boom war zu Ende. Für «Mister Hallenfussball», wie Martin Blaser damals genannt wurde, ist ein Revival ausgeschlossen: «Beim heutigen Rahmenkalender mit der kurzen Winterpause wäre das chancenlos. Der Hallenfussball in der Schweiz ist wohl für immer tot.»

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