Stade Suisse, 10. September 2005. YB trifft im Berner Derby auf Thun. Eine echte Nullnummer. Als der Schiedsrichter die Partie beendet, wird das Heim-Team mit Pfiffen in die Kabine verabschiedet. Trotzdem ist das Spiel ein spezielles, denn an jenem Samstagabend kommen gleich sieben Brasilianer zum Einsatz. Bei YB sind das Tiago Calvano, Francisco Neri und João Paulo, bei Thun Tiago Bernardini, Leandro Vieira, Gelson und Adriano Pimenta.
Sieben Brasilianer in einem Spiel? Heute, knapp zwei Jahrzehnte später, kann man davon in der Schweiz nur noch träumen. Waren es in jener Saison gleich 27 Fussballer vom Zuckerhut, die bei einem Super-League-Klub zum Einsatz kamen, ist es 2024 tatsächlich nur noch ein Spieler, der die brasilianische Flagge hochhält. Die Samba-Kicker, sie haben hierzulande ausgetanzt.
Mit vollem Namen heisst er Igor Matheus Liziero Pereira, doch auf seinem Trikot steht einfach nur Liziero. Der 26-jährige Mittelfeldspieler von Yverdon ist zurzeit der einzige brasilianische Fussballer in der Super League. Mit Silva steht zwar bei den Waadtländern noch ein zweiter Brasilianer unter Vertrag, doch der riss sich im Juli 2023 das Kreuzband und kam daher in dieser Saison noch nicht zum Einsatz.
Zumindest brasilianische Wurzeln haben in der Super League auch noch Roméo Beney (Basel, Mutter Brasilianerin), Julian von Moos (St. Gallen, Vater Brasilianer) und Oliver Batista Meier (GC, Mutter Brasilianerin).
Und wie siehts in der Challenge League aus? Ebenfalls düster. Mit Sion-Spieler Baltazar läuft zurzeit ebenfalls nur ein Brasilianer in der zweithöchsten Spielklasse auf. Teamkollege Itaitinga ist nach einem Kreuzbandriss noch nicht wieder zurück. Brasilianische Wurzeln haben auch noch Willy Vogt (Schaffhausen), Stephan Seiler (Bellinzona) und Marin Wiskemann (Baden).
Mit vollem Namen heisst er Igor Matheus Liziero Pereira, doch auf seinem Trikot steht einfach nur Liziero. Der 26-jährige Mittelfeldspieler von Yverdon ist zurzeit der einzige brasilianische Fussballer in der Super League. Mit Silva steht zwar bei den Waadtländern noch ein zweiter Brasilianer unter Vertrag, doch der riss sich im Juli 2023 das Kreuzband und kam daher in dieser Saison noch nicht zum Einsatz.
Zumindest brasilianische Wurzeln haben in der Super League auch noch Roméo Beney (Basel, Mutter Brasilianerin), Julian von Moos (St. Gallen, Vater Brasilianer) und Oliver Batista Meier (GC, Mutter Brasilianerin).
Und wie siehts in der Challenge League aus? Ebenfalls düster. Mit Sion-Spieler Baltazar läuft zurzeit ebenfalls nur ein Brasilianer in der zweithöchsten Spielklasse auf. Teamkollege Itaitinga ist nach einem Kreuzbandriss noch nicht wieder zurück. Brasilianische Wurzeln haben auch noch Willy Vogt (Schaffhausen), Stephan Seiler (Bellinzona) und Marin Wiskemann (Baden).
Doch warum sind Brasilianer in der Schweiz kein Importschlager mehr? Blick sprach mit ehemaligen Brasilianern, die in der Schweiz ihr Geld verdient hatten, und mit Beratern. Sieben Gründe für die Brasil-Flaute.
Brasilianer verdienen in ihrer Heimat mittlerweile gutes Geld
Früher war im brasilianischen Fussball wenig Geld vorhanden. Deshalb war Europa für viele Spieler ein Sehnsuchtsort und ein Transfer dorthin die Chance, an die grossen Honigtöpfe zu kommen. So war es zum Beispiel auch bei Ratinho. «Bevor ich 1992 zu St. Gallen wechselte, war ich in Brasilien schon Profi in der höchsten Liga. Trotzdem verdiente ich dann in der Schweiz zehnmal mehr als in meiner Heimat», erzählt er.
Heute sei dies anders, erklärt der Schweizer Meister (1993 mit Aarau) und Deutsche Meister (1998 mit Kaiserslautern): «Mittlerweile hat sich das gedreht. Wer in Brasilien in den höchsten beiden Ligen spielt, der verdient gutes Geld. Deshalb exportiert Brasilien gemäss einer Studie heute 50 Prozent weniger Fussballer als noch vor fünf bis acht Jahren. Heute fragen sich viele Spieler: ‹Warum soll ich in ein fremdes Land wechseln, wenn ich dort nicht einmal mehr Geld verdiene?›»
Die Ablösesummen werden immer höher
Dino Lamberti kennt sich bestens aus mit brasilianischen Fussballern. Er hat als Berater unter anderem Eduardo, Jairo und Raffael in die Schweiz gebracht. Mittlerweile sei das deutlich schwieriger geworden. «Wenn heutzutage ein Brasilianer Stammspieler in der zweithöchsten Serie B ist, beträgt die Ablösesumme schon zwischen 1,5 und 3 Millionen Euro. Es gibt nicht viele Schweizer Klubs, die einen solchen Betrag zahlen können oder wollen.»
Ein anderer Spieleragent, der nicht namentlich genannt werden möchte, erzählt ein Beispiel aus den Nullerjahren, als er einen Brasilianer in die Bundesliga transferiert hat. «Damals betrug die Ablösesumme 7 Millionen Euro, was sehr viel Geld war. Heute würde der gleiche Spieler aber schon 25 Millionen aufwärts kosten. Mittlerweile sind solche Transfersummen für Brasilianer normal. Schnäppchen gibt es nicht mehr.»
Die Sache mit dem Arbeitsvisum
Jetzt wirds kompliziert. Die Zeiten, in denen Schweizer Klubs einfach einen Brasilianer holen dürfen, sind längst vorbei. Stichwort Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörige. Berater Dino Lamberti: «Wer als Fussballprofi in der Schweiz vom Migrationsamt ein Arbeitsvisum bekommen möchte, muss mindestens zwei Jahre in einer der beiden höchsten brasilianischen Ligen gespielt haben.» Wer diese Voraussetzungen erfüllt, ist aber – siehe Punkte 2 – in der Regel schon zu teuer für Schweizer Klubs.
Es gibt zwar auch Regelungen, dass Fussballer aus unteren brasilianischen Ligen bei uns ein Visum erhalten, die Voraussetzungen dafür sind aber hoch. So muss gemäss Staatssekretariat für Migration nachgewiesen werden, dass der Kicker auch in jener Spielklasse eine «solide Wettkampferfahrung auf Profi-Niveau» erfüllt.
Heute wissen die Spieler, was sie in der Schweiz erwartet
Dank des Internets und der Globalisierung können sich die Spieler heute – im Gegensatz zu früher – vor einem allfälligen Transfer über ihre neue Heimat informieren. Dies könne gewisse Brasilianer auch abschrecken, sagt Ratinho. «Sie wissen dadurch, dass es hier kalt ist und es eine andere Kultur gibt. Gleichzeitig wissen sie aber auch, was sie in Brasilien haben. Dass sie auch dort gutes Geld verdienen. Weshalb sollten sie diese Komfortzone verlassen?»
Wie das früher war, zeigt das Beispiel von Antonio Dos Santos, der über ein Jahrzehnt lang für Schweizer Klubs auflief, unter anderem für GC und für Schaffhausen. «Ich war damals 18 und wusste nicht, was mich in der Schweiz erwarten würde. Als ich im Februar hier ankam, hatte es Schnee, was ich zuvor noch nie in meinem Leben gesehen hatte», erzählt Dos Santos, der heute als Logistiker arbeitet und die 2. Mannschaft und die U14 des FC Schaffhausen trainiert. Und weiter: «Die ersten Monate waren sehr schwierig, weil ich meine Familie und mein Umfeld vermisste und kein Wort Deutsch verstand. Ich dachte mehrere Male an eine Rückkehr nach Brasilien.»
Die Schweiz ist kein Sprungbrett mehr
Die Schweizer Liga war und ist bis heute eine Ausbildungsliga und damit auch ein Sprungbrett für Ausländer. Junge Spieler wie Giovane Elber nutzten einst den hiesigen Fussball für den Sprung in eine europäische Topliga. Das ist heute nicht mehr so. Die grossen brasilianischen Talente wechseln längst direkt nach England, Italien oder Deutschland und machen nicht erst mal halt in der Schweiz, auch weil wir die Ablösesumme nicht mehr stemmen können.
Mehr Fussball
Und was ist mit den Spielern mittleren Alters (25 bis 28)? Die sind für Schweizer Klubs eher uninteressant, weil sie sich später nicht mehr gut weiterverkaufen lassen.
Das Risiko mit Spielern aus unteren Ligen
Klar ist: In den unteren brasilianischen Ligen gäbe es genügend Spieler, die für die Schweizer Klubs eine Verstärkung wären. Der Aufwand aber, diese zu entdecken, ist gross. Berater Lamberti: «2017 brachte ich Carlinhos Junior, der in der dritthöchsten Liga spielte, zum FC Lugano. Der war eine gute Verstärkung.»
Das Problem dabei, nebst der Herausforderung mit dem Arbeitsvisum: So einen Spieler findet man nur, wenn man sich bestens auskennt im brasilianischen Fussball. Möglicherweise gibt es mittlerweile einfach immer weniger Berater und Klubs, die sich darum kümmern. Die bereit dazu sind, die Stecknadel im Heuhaufen zu suchen. Im Wissen darum, dass ihnen das vielleicht doch nicht gelingen wird, der (finanzielle) Aufwand aber gross ist.
Der grosse Betreuungsaufwand für die Klubs
Wer einen Brasilianer verpflichtet, der muss sich anschliessend auch um ihn kümmern. Das kostet Geld und ist aufwendig. Ratinho erinnert sich, wie das bei ihm war. «Zu Beginn meiner Schweiz-Zeit war ich auf mich alleine gestellt. Das war auch im Alltag eine Herausforderung. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich das erste Mal in einen Supermarkt ging und mir Reis kaufen wollte, ich aber aus Versehen Risotto erwischte, was ich aus meiner Heimat gar nicht kannte. Das war zwar nur eine Kleinigkeit, aber wenn sich niemand um dich kümmert, ist es schwierig, dich in einem fremden Land und einer fremden Kultur zurechtzufinden.»
Ratinho ist heute übrigens genau in diesem Bereich tätig. Bei Red Bull Salzburg kümmert er sich um die Integration von Fussballern aus der ganzen Welt. «Ich arbeite mit Spielern aus 17 verschiedenen Ländern zusammen. Auf und neben dem Platz. Ein banales Beispiel: Sieht ein Spieler einen Teller mit einem Cervelat und Kartoffelsalat drauf, und er sagt dann, das esse er nicht, dann antworte ich ihm: ‹Stopp! Probier es mal, du musst dich anpassen.› Auch das ist Teil einer gelungenen Integration. Das haben viele Klubs leider noch nicht begriffen.»
Eine indirekte Folge davon: Der Super League gehen die Brasilianer aus. Ein Fakt, den Ratinho zutiefst bedauert: «Ich würde so gerne mal wieder in der Schweiz auf der Tribüne sitzen, um einen neuen Giovane Elber auf dem Spielfeld bestaunen zu dürfen.»