Der «Alpenvulkan» Marco Schällibaum ist eine schillernde Persönlichkeit des Schweizer Fussballs. Er war Nationalspieler und hat als Trainer eine turbulente Achterbahnfahrt hinter sich. Jetzt ist der emotionale «Schälli» 60 Jahre alt und mittlerweile zweifacher Grossvater. Mit 60 Jahren fängt in Yverdon wieder ein neues Trainerleben an. «Ich bin immer noch voller Leidenschaft. Und bekomme immer noch einen roten Kopf, wenn ich mich aufrege. Aber ich muss mich jeden Tag fordern, um nicht alt zu werden», sagt er. Er blickt im Interview auch zurück auf seine Rückschläge und Abstürze.
Marco Schällibaum, wie viele Trainerstationen gibt es in Ihrer turbulenten Karriere?
Marco Schällibaum: Uii. Das kann ich nicht genau sagen.
Yverdon ist Ihr 18. Engagement als Fussballfunktionär.
Ja, da kommt eine Menge zusammen. Aber ich bin ja auch schon bald 30 Jahre im Trainergeschäft.
Auch die letzten zwölf Monate sind eine einzige Berg-und-Tal-Fahrt.
Das gehört bei mir dazu. Die Entlassung im letzten Winter als U21-Trainer beim FC Basel kam schon sehr überraschend. Und hat sehr geschmerzt. Die Art und Weise, wie ich da abgesägt wurde, war schon enttäuschend.
Da hat Boss David Degen das letzte Wort gesprochen, oder?
Davon gehe ich aus. Und ich hatte in den Wochen und Monaten danach eine sehr schwierige Phase. Ich bin wieder einmal ziemlich tief gefallen. Ich habe die Entlassung nicht verstanden. Weil wir ein tolles Team waren und gut gearbeitet haben. Und dann reisst man wegen ein paar schlechten Resultaten alles auseinander. Und ich bin wieder einmal gegen eine Wand gelaufen.
Basel ist halt ein Pulverfass.
Ja, das ist so. Alex Frei ist ein sehr guter Trainer. Aber die Situation wird immer angespannt und explosiv bleiben.
Entlassungen gehören zum Geschäft, das weiss keiner besser als Sie.
Ich mache niemandem Vorwürfe und weiss, wie es läuft. Es war trotzdem sehr einschneidend und schmerzhaft.
Der Zürcher Marco Schällibaum kommt als junger Spieler schon mit 18 Jahren in die 1. Mannschaft von GC. Und der temperamentvolle Linksverteidiger gilt schnell als grosser Hoffnungsträger. Schällibaum spielt später auch für den FC Basel und für Servette. Und macht auch 31 Spiele (1 Tor) für die Nationalmannschaft. Danach führt ihn seine Reise als Trainer durch die ganze Schweiz und bis nach Montreal. Yverdon ist die 18. Station in der bewegten Trainerkarriere von «Schälli». Nur in seiner Heimat Zürich war er nie als Trainer aktiv. «Das hat sich nie ergeben», sagt er dazu. Schällibaum ist Familienvater. Und mittlerweile auch stolzer Grossvater.
Der Zürcher Marco Schällibaum kommt als junger Spieler schon mit 18 Jahren in die 1. Mannschaft von GC. Und der temperamentvolle Linksverteidiger gilt schnell als grosser Hoffnungsträger. Schällibaum spielt später auch für den FC Basel und für Servette. Und macht auch 31 Spiele (1 Tor) für die Nationalmannschaft. Danach führt ihn seine Reise als Trainer durch die ganze Schweiz und bis nach Montreal. Yverdon ist die 18. Station in der bewegten Trainerkarriere von «Schälli». Nur in seiner Heimat Zürich war er nie als Trainer aktiv. «Das hat sich nie ergeben», sagt er dazu. Schällibaum ist Familienvater. Und mittlerweile auch stolzer Grossvater.
Warum?
Ich bin zwar Zürcher, lebte aber fast 20 Jahre in der Region Basel und habe insgesamt mehr als sechseinhalb Jahre beim FCB gearbeitet. Meine Familie und meine zwei Kinder, die noch in der Ausbildung sind, leben immer noch in Basel. Der Fussball und vor allem auch der FC Basel haben mich in ganz schwierigen Phasen immer wieder aufgefangen. Und dafür bin ich dem Klub ewig dankbar. Ich wüsste nicht, wo ich ohne den FCB wäre.
Sie waren auch in Basel, als Ihr zehnmonatiger Sohn gestorben ist.
Ja. Und danach kam ich in eine Lebensphase, in der ich Angst um mich selber haben musste. Natürlich war die Familie immer wichtig. Aber ohne die Struktur, die mir der Sport gegeben hat, wäre ich abgestürzt
Sie konnten jahrelang nicht über diesen Schicksalsschlag reden.
Weil man das niemandem erklären kann. Wenn Sie Ihr zehnmonatiges Kind aus dem Bettchen nehmen, und es ist tot und schon ganz kalt, dann gibt es dafür keine Worte. Das ist ein Schmerz, der einem sein Leben lang begleitet. Mal mehr, mal weniger. Aber jeden Tag. Arno wäre jetzt 26 Jahre alt.
Woran ist er gestorben?
Eine Viruserkrankung, die man unterschätzt hat. Wir waren in der Schweiz beim Arzt. Dann ist meine damalige Frau mit ihm in ihre französische Heimat gefahren. Er ist im Spital in Montpellier gestorben. Ich war kurz danach da.
Auch in diesem Frühling hat Sie der Fussball aus der Lethargie zurückgeholt. Sie haben mit dem Engagement in Bellinzona Ihrer Karriere ein weiteres Abenteuer hinzugefügt.
Ich wollte nach der Entlassung nicht so aufhören. Und ich war froh, als die Anfrage aus Bellinzona kam. Meine Mutter ist Italienerin, ich habe Familie im Tessin. Es war eine kurze, verrückte, aber geniale Zeit.
Der Aufstieg mit Bellinzona in die Challenge League ist geglückt. Warum sind Sie nicht geblieben?
Weil man da nicht arbeiten kann. Besitzer Pablo Betancur ist ein Verrückter im positiven Sinn. Aber zusammenarbeiten kann man mit ihm nicht. Er hat im Frühling mit niemandem geredet. Keiner wusste, wie es weitergeht. Unglaublich.
Betancur kommt aus Peru, ist in Uruguay als Spielervermittler vermögend geworden. Mit Transfers von Leuten wie Edinson Cavani und Luis Suárez. Er hat aber unter Alkohol- und Kokaineinfluss auch schon einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und sass im Gefängnis.
Wie funktioniert Betancur im Tagesgeschäft?
Er ist schwer greifbar und taucht ganz plötzlich wieder auf. Beim Einlaufen vor den Spielen teilt er dem Trainer die Mannschaftsaufstellung mit. Bei mir hat er sich das nicht getraut. Aber dass David Sesa nach wenigen Wochen den Bettel hingeschmissen hat, war für mich absehbar.
Was war eigentlich Ihre schönste Zeit als Trainer? Das Abenteuer bei Montreal?
Nein, die schönste Zeit hatte ich bei YB. Damals, als Polo Hofer im alten Wankdorf auf der Tribüne noch «Alperose» gesungen hat. Die Zeit in Bern bleibt unvergesslich.
Es gab aber auch Phasen, in denen Sie arbeitslos waren und stempeln gehen mussten?
Es gab immer wieder Rückschläge, ja. Ich bin mit 22 Jahren Nationalspieler geworden. Damals habe ich 7000 Franken im Monat verdient. Ich hatte nie ein Millionensalär, wie das heute jeder Nationalspieler hat. Und ich hatte immer eine Familie zu ernähren. Wenn man einmal keinen Job hat und stempeln gehen muss, ist das keine Schande. Das ist eine Versicherung wie jede andere auch. Man zahlt ein und sichert sich ab. Natürlich, angenehm ist es nicht.
Sie sind 60 Jahre alt. Ist Yverdon nun das Ende Ihrer langen Reise?
Irgendwann ist jede Reise zu Ende. Aber ich bin noch voller Tatendrang und Energie. Ich muss mich jeden Tag fordern, um nicht alt zu werden. Ich liebe die französische Sprache und die Lebensqualität in der Westschweiz. Yverdon ist ein toller Verein mit einer guten Infrastruktur. Wir haben eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft. Ich lebe von Tag zu Tag und mache keine Pläne mehr.
Und bis jetzt läuft es ja grossartig. Sie stehen zusammen mit Wil und Lausanne an der Tabellenspitze.
Ja, es läuft gut. Aber man ist sehr realistisch hier. Es gibt Vereine, die haben die deutlich besseren Möglichkeiten. Aarau, Thun oder Lausanne beispielsweise. Und man darf Bellinzona nicht vergessen. Betancur wird noch mehr Spieler holen, die Mannschaft wird im nächsten Frühling noch besser besetzt sein. Die wollen aufsteigen.
Die Chancen sind so gut wie noch nie: Zwei steigen direkt auf, ein Dritter kann es über die Barrage schaffen. Aber für Yverdon ist das kein Thema?
Es ist einfach keine realistische Zielsetzung. Aber wenn wir am Ende ganz oben stehen, dann stört das hier auch niemanden. Und mich auch nicht.
Haben Sie vor dem Engagement in Yverdon mit Vorgänger Uli Forte Kontakt gehabt?
Ja, wir haben telefoniert. Und ich hätte ihm gewünscht, dass es in Bielefeld besser läuft. Aber mein Engagement hier kam zustande, weil ich mit Sportchef Marco Degennaro schon seit längerer Zeit kollegial verbunden bin. Er hat mich bei einem Grillabend gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Und bis jetzt passt das ausgezeichnet. Ich war als Spieler und Trainer ja insgesamt schon elf Jahre in der Westschweiz.
Hätten Sie eigentlich nicht eine grössere Trainerkarriere machen können?
Hätte, wäre, würde. Davon kann sich niemand etwas kaufen. Ich bin kein Laptop-Trainer und auch nicht der beste Trainer der Welt. Aber ich bin ein guter Trainer.
Sie haben in all den Jahren auch ein kleines Wohlstandsbäuchlein bekommen.
Ein Mann ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne.