Auf einen Blick
Raphael Wicky, Valon Behrami, Johan Djourou oder Stéphane Henchoz – Schweizer Vertreter haben beim Hamburger SV eine langjährige Tradition. Und doch wirkt es bei Miro Muheim (26) so, als habe er einen ganz speziellen Stellenwert. Der Schweizer Linksverteidiger hat in 19 Pflichtspielen in dieser Saison bisher 12 Skorerpunkte auf dem Konto, gehört zum Captain-Team, wurde mit dem Nati-Debüt belohnt. Wenn man sich während des Winter-Trainingslagers umhört, geraten beim HSV alle ins Schwärmen: «Er ist der beste Linksverteidiger der Liga» oder «ein richtig cooler Typ!» sind nur zwei Beispiele. Vom neuen Cheftrainer Merlin Polzin gibt es vor dem Rückrundenauftakt gegen Köln dickes Sonderlob für seine Gefährlichkeit in der Offensive, bei Standards wie auch für seine Qualitäten als Verteidiger. «Und vor allem ist er einfach ein richtig guter Mensch. Sein Stellenwert im Team wird in der Rückrunde nochmals höher werden und ich bin sehr froh, dass wir ihn beim HSV haben», so Polzin.
Blick: Zufällig sind wir Blick-Journalisten im gleichen Hotel wie der HSV – verstecken Sie sich vor uns?
Miro Muheim: (lacht) Nein, nein. Beim Cappuccino in der Sonne haben wir uns ja gesehen. Ich bin in der Freizeit einfach oft auf meinem Zimmer, erhole mich oder bin am Schlafen.
Es gibt kaum eine grössere Sehnsucht im deutschen Fussball als der Wiederaufstieg des grossen HSV. Einverstanden?
Klar, da ist viel Druck mit dabei. Du spürst in jedem Spiel und an jedem Tag in der Stadt, dass die HSV-Fans sich nach der 1. Bundesliga sehnen. Bis jetzt haben wir es leider immer nur knapp verpasst, das soll sich in diesem Jahr ändern.
Ist der Druck für Sie fast zu gross?
Nein, ich mag den Druck. Es macht mir mehr Spass, als wenn ich jetzt wüsste, dass es gar niemanden interessiert, was wir als Team machen. Und beim HSV ist es das komplette Gegenteil. Wir haben fast bei jedem Spiel ausverkaufte Hütte mit 57’000 Fans, bei jedem Auswärtsspiel reisen Tausende mit. Die Erwartungshaltung ist gross, aber die Unterstützung ist der Wahnsinn.
Es ist Ihr viertes Jahr beim HSV. Sind Sie jetzt als richtiger Hamburger akzeptiert?
Ich denke schon! Ich fühle mich extrem wohl hier, es ist ein besonderer Verein und diese Stadt bietet alles, was man sich wünscht. Nur mit dem Hamburger Wetter komme ich weiterhin nicht so klar: zu viel grau und zu viel Regen. In meinem Herzen ist Zürich allerdings immer noch mein Zuhause, dort leben meine besten Freunde, meine Familie.
Ein Publikumsliebling sind Sie auch. Im Sommer waren Sie auf Rang drei der meistverkauften Trikots.
Ich versuche mich einfach immer reinzuhängen, und wenn die Fans das honorieren sowie meine Art mögen, bedeutet mir das viel.
Und wenn es mit dem Aufstieg nicht klappt, wird eine neue Stadt Ihr Zuhause? Mit Ihren Leistungen müssen Sie ja Interesse in höheren Ligen wecken.
Ich bin zufrieden, wie es läuft bei mir, wie ich mich als Führungsspieler einbringen kann und ich glaube fest daran, dass wir es dieses Jahr packen können. Der Aufstieg steht als Ziel über allem und dem gilt mein ganzer Fokus. Zudem habe ich Vertrag bis 2027.
Sie sind jetzt ein Führungsspieler. Waren Sie das schon immer, oder sind Sie in diese Rolle hineingewachsen?
Eher Letzteres. Ich war kein klassischer Leader, als ich zum HSV gekommen bin. Ich habe mir dieses Standing erarbeitet und gezeigt, dass ich auf unserem gemeinsamen Weg, Spieler mitnehmen und Verantwortung übernehmen kann – auch und besonders in schwierigen Situationen.
Im November erhielten Sie Ihre erste Nati-Nomination. Dort sollen Sie sehr schüchtern gewesen sein, man machte sich Gedanken, ob das alles etwas zu gross ist für Sie.
Ist das so? Klar, war es eine Umstellung. Ich war in den ersten Trainings vielleicht etwas zu zurückhaltend. Das habe ich dann aber selbst gemerkt und wollte vor allem im Hinblick auf das zweite Spiel gegen Spanien nochmals alles reinhauen.
Und das ist Ihnen gelungen. Gegen Spanien feierten Sie Ihr Debüt über volle 90 Minuten und von Murat Yakin gab es im Blick-Interview noch ein Spezial-Lob.
Es sagen alle Spieler, aber es war wirklich ein grosser Traum, der für mich in Erfüllung gegangen ist. Es ist sehr schwierig, in Worte zu fassen, was mir das bedeutet hat.
Und was haben Sie mit Ihrem Debüt-Trikot gemacht?
Ich habe es natürlich behalten, obwohl mir viele Kumpels gesagt haben «bist du blöd, da waren spanische Weltstars auf dem Feld?». Ich wollte aber nicht tauschen (lacht).
Wie sind Sie mit Nati-Trainer Murat Yakin verblieben?
Wir haben danach nicht viel gesprochen, aber das ist auch nicht nötig. Ich muss und will weiterhin Leistung beim HSV zeigen und mich damit für die Nati empfehlen. Ich hoffe nicht, dass es bei einem Länderspiel bleibt.
In Hamburg haben Sie einen neuen Trainer seit Weihnachten. Merlin Polzin, 34 Jahre alt und in der Schweiz noch weitgehend unbekannt.
Er war schon über vier Jahre lang Assistenztrainer und hat einen sehr engen Draht zu uns Spielern. Er weiss, wie wir ticken. Taktisch und auch menschlich ist er wirklich top, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Was uns fast am meisten imponiert: Den Wechsel vom Co-Trainer zum Chef mit der nötigen Autorität hat er sehr gut geschafft. Die Stimmung im Team ist ausgezeichnet.
Er leitet jetzt die heikle Mission Wiederaufstieg, bei der es in den letzten Jahren immer zu einem mysteriösen Leistungsloch im Frühling kam. In diesem Jahr wurde der Trainer schon in der Hinrunde entlassen – alles anders also?
Daran denke ich nicht. Es wird bestimmt auch in den kommenden Wochen mal zu Rückschlägen kommen, aber wir müssen damit als Team umgehen. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, wenn allen wirklich bewusst ist, worum es geht und was wir dafür leisten müssen, dann kann es klappen.