Das neue Leben des Kult-Trainers
Latour knipst die Natur!

«Fussball schaue ich mir nur noch als Aufzeichnungen an», sagt Hanspeter Latour (68), seit 1. Januar 2015 Trainer im Ruhestand. Sein neues Hobby ist die Natur. Rund um die Uhr macht er mit der Kamera Jagd auf Libellen und Füchse.
Publiziert: 06.09.2015 um 21:38 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:35 Uhr
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Auf der Pirsch nach schönen ­Tierfotos: Hanspeter Latour.
Foto: Toto Marti
Von Max Kern

Innereriz BE, 1100 Meter über Meer. Seit 1986, dem Jahr, als YB letztmals Meister wurde, steht hier das Chalet der Familie Latour. Seit Anfang Jahr verbringt der ehemalige Trainer von Solothurn, Thun, GC und dem 1. FC Köln die meiste Zeit seines Rentnerlebens am Fusse des Hohgant.

Draussen vor dem Holzhaus sitzend. Mit der Kamera in der Hand. Wir stehen am Rande eines grossen Biotops. Latour hats selber ­angelegt. Die Steine fischte er aus der Zulg. «Was man selber tragen kann, darf man aus dem Fluss ­holen.»

Und wie kamen die zwei Tonnen schweren Felsbrocken, der Berner nennt sie «Chempe», in Latours Garten? «Da hatte ich ­Hilfe, unter anderem vom Wegmeister hier oben.»

Über 120 einheimische Pflanzenarten wachsen in Latours Biotop. Der Ex-Trainer ist im Element. Wie damals, als der Vulkan an der Seitenlinie seine Spieler heiss machte.

Er erzählt von zwölf verschiedenen Libellenarten, die über den Teich fliegen, darunter etwa die Mosaikjungfer. Die Führung geht weiter.

«Wer hat schon einen Indianerpfad im Garten?», fragt Latour und erwartet keine Antwort. «Hier unten können die Grosskinder dann mal zelten.»

Später zeigt er den giftigen ­Seidelbast, den Fuhrleute früher an den Hut steckten, damit Hexen das Fuhrwerk nicht bannen konnten. Und sagt: «Ich lerne im Alter noch schweigen.» Man kanns fast nicht glauben.

Erst als Latour, der als Trainer zeitlebens unter Starkstrom stand, im Garten zwei Bildbände auf den Tisch legt, kann man sich vorstellen, dass er hinter der Kamera ein anderer Mensch geworden ist.

Im einen Buch sind Fotos von 65 (!) verschiedenen Schmetterlingen, die Latour geschossen hat. Schachbrett, Aurorafalter, Braunauge auf Distel, Waldteufel, Gemeines Bluttröpfchen, und, und, und.

Im anderen Bildband gibts 60 Vogelarten zu bewundern. ­Alles Bilder, die in den letzten acht Monaten rund um Latours Alterssitz entstanden.

«Er ist fast nie zu Hause», sagt ­Tildi, seit 1972 die Frau an Latours Seite. Zum Essen muss sie ihn ­reinrufen.

Latour: «Ich sage Tildi immer wieder: ‹Wenn ich mit dem Finger am Anschlag bin, musst du ruhig sein.› Sie kommt immer viel zu laut raus.» Nach einer halben Sekunde Pause: «Schaut dort, ein Zaunkönig.»

Neben dem Haus, am steilen Ufer der Zulg, hat er sich eine Art Hochsitz gebaut. «Von hier aus sehe ich die Gämsen oder den Fuchs.» Er tarnt sich mit einer umgehängten Militär-Blache.

Plötzlich ists vorbei mit der Ruhe. Latour gestikuliert mit den Händen, wie damals, als er Fifa-Ref Urs Meier mit dem später Kult geworden Spruch «Das isch doch e Gränni!» bearbeitete.

«Luä, dä Poschtillon! Isch das e schönä Cheib. So gäub u orangsch.» Latour holt im Stechschritt die Kamera. Und stellt dann ernüchtert fest: «Dä isch ab. Dä het i gärn gnaa. Jetzt isch dä Cheib ab.»

Latour legt Bratwürste auf den Grill. Das Feuer machte er von oben nach unten, die kleinen Holzscheite legt er oben auf die dickeren. «Das gibt weniger Rauch.»

Tildi serviert selbstgemachten Hörnli-Salat. Latour erzählt, dass unter der Woche SRF für zwei Drehtage bei ihm war, der ehemalige Motivationskünstler tritt bei «SRF bi de Lüt» als Problemlöser auf.

Und auch zwei Schmetterlings-Experten hätten ihn besucht. «Wenn ich in der Woche zwei Termine habe, finde ich das schon verrückt. Und früher war jede Minute verplant.»

Sagts – und denkt schon wieder an den entgangenen Postillon. «Schad, isch dä ab, dä Soucheib.»

Latour und 7 sieben Hengste

In seiner Kölner Zeit (2006 bis 2007) erzählte Latour in einer Journalisten-Runde über seinen Rückzugsort: «Wenn ich morgens aus dem Fenster gucke, sehe ich zuerst die Sieben Hengste.» Worauf einer schrieb, Latour wohne daheim im Berner Oberland auf ­einem Gestüt. Latour: «Prompt wurde ich als ­sogenannter Pferde-Experte an die Frauenfelder Pferderennen ­eingeladen.» Die Sieben Hengste (Bild) sind ein Bergkamm der Emmentaler Alpen, gleich hinter Latours Haustüre.

In seiner Kölner Zeit (2006 bis 2007) erzählte Latour in einer Journalisten-Runde über seinen Rückzugsort: «Wenn ich morgens aus dem Fenster gucke, sehe ich zuerst die Sieben Hengste.» Worauf einer schrieb, Latour wohne daheim im Berner Oberland auf ­einem Gestüt. Latour: «Prompt wurde ich als ­sogenannter Pferde-Experte an die Frauenfelder Pferderennen ­eingeladen.» Die Sieben Hengste (Bild) sind ein Bergkamm der Emmentaler Alpen, gleich hinter Latours Haustüre.

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