Es ist ein weiterer Meilenstein für den Schweizer Frauen-Fussball. Unsere Nati ist erstmals an einer Euro dabei. Obwohl es die Premiere ist, spürt man in der Mannschaft eine gewisse Routine: Der erstmaligen WM-Teilnahme vor zwei Jahren in Kanada sei Dank. Dort bezahlten die Nati-Girls mit drei Pleiten in vier Spielen Lehrgeld, auch wenn das Achtelfinal-Out gegen Gastgeber Kanada vor 53'000 Fans knapp war.
Jetzt sind die Frauen eigentlich am gleichen Punkt wie die Männer-Nati. Man will endlich eine K.o.-Runde überstehen. Für die Frauen ist das Überstehen der Gruppe mit Österreich, Island und Frankreich Pflicht. Das Potential ist da, die Mischung zwischen Jung und Alt stimmt. Doch erst im allfälligen Viertelfinal wird sich zeigen, ob das Team von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg wirklich nochmals einen Schritt gemacht hat. Denn an der WM 2015 und am Olympia-Qualiturnier liess die Nati den Killerinstinkt für die entscheidenden Spiele noch vermissen. Ehrenhafte Niederlagen eben.
Mannschaft ist gewarnt
Ein Warnschuss war das letzte Testspiel vor der EM in Biel gegen England: Ein brutales 0:4. Auch wenn die Schweiz einige Stars schonte und mit vielen Jungen antrat, bekam das ganze Team mit, welcher raue Wind an Europas Spitze herrscht. Die Nati hat zwar eine grandiose EM-Quali mit 8 Siegen in 8 Spielen gezeigt und das EM-Vorbereitungsturnier Cyprus-Cup gewonnen. Trügerische Resultate, die nur zeigen: Kleinere Gegner hat man im Griff. Aber das unerfahrene Österreich liegt in der Welt-Rangliste nur 7 Plätze hinter der Schweiz (Rang 17), das physisch starke Island gar bloss 2. Das werden umkämpfte Spiele, in denen auch mentale Stärke gefragt ist.
Das Ziel ist klar: Im letzten Spiel soll es gegen den klaren Favoriten Frankreich um den Gruppensieg gehen. Frankreich ist Mitfavorit auf den Titel – den Kern des Teams bildet Champions-League-Sieger Lyon und CL-Finalist PSG. Ein Starensemble, wie es sonst nur Dauer-Europameister Deutschland (6 EM-Titel in Folge!) bieten kann. Im Viertelfinal heisst ein möglicher Gegner dann England.
Verband will mehr Frauen
Ein Halbfinal-Einzug wäre der grösste Erfolg im Schweizer Frauenfussball aller Zeiten. Es wäre der Moment, an dem sogar eine Euphorie ausbrechen kann. Denn die gibt’s bisher nicht, auch wenn der SFV auf allen Kanälen das Interesse anzukurbeln versucht. Der Verband will bald 30'000 lizenzierte Mädchen und Frauen haben, Nati-Erfolge sollen mithelfen. Das Team ist aber sowieso schon beste Werbung: Jung ehrgeizig, selbstbewusst und wohltuend bodenständig im Vergleich zum überhitzten Männer-Weltfussball. Die Profis wie Lara Dickenmann und Ramona Bachmann verdienen immerhin vierstellig im Monat. Andere Spielerinnen mussten für die EM Ferien beziehen. Das ist wahre Leidenschaft für den Sport. Hoffen wir, dass die EM-Ferien so lange wie möglich dauern!