Die Schweizer Nationalmannschaft ist seit der WM 2018 verschnupft. Ein mysteriöser Virus sorgt immer wieder für fiebrige Schübe und lästiges Husten. Chefarzt Bernhard Heusler stellte eine Diagnose. Dann wurden einige vorwiegend beruhigende Pillen verschrieben.
Aber ob der Verbandspräsident Peter Gilliéron oder Dominique Blanc heisst, ob der Tessiner Claudio Sulser oder der Tessiner Pierluigi Tami Delegierter ist: Ruhe ist nicht eingekehrt. Der hartnäckige Schnupfen bleibt.
Warum? Zum einen, weil die Leistungen und Auftritte seit dem Sommer 2018 mit wenigen Ausnahmen nicht überzeugen. Die einst imponierende Punkteausbeute von Nationaltrainer Vladimir Petkovic ist längst zu einer Bilanz des Mittelmasses geworden. Der ganz grosse Exploit an einem grossen Turnier hat immer gefehlt. Aber die schon fast märchenhaft anmutende Konstanz der Mannschaft während einiger Jahre hat den Coach lange Zeit unantastbar gemacht. Exploit hin oder her. Wer den Totomat auf seiner Seite hat, der hat wenig zu befürchten. Positive Resultate kaschieren immer alle anderen Schwächen.
Versteckspiel um Shaqiri-Besuch
Aber der Totomat ist nicht mehr der unangefochtene Fürsprecher von Petkovic. Darum wird seine Arbeit auch verbandsintern zunehmend kritischer gesehen. Die eklatante Schwäche in der Aussendarstellung, seine miserable Moderation bei der Ablösung verdienter Spieler (Inler und Behrami sind nur zwei Beispiele dafür) sorgen regelmässig für Getöse. Beim Fettnäpfchen Stephan Lichtsteiner geht er den Weg des geringsten Wiederstands. Und bietet ihn einfach wieder auf. Glaubt er noch an ihn? Plant er mit ihm?
Und dann der unsägliche Fall Shaqiri. Dass der Coach zum wichtigsten Offensivspieler kein Vertrauensverhältnis aufbauen konnte, ist die eine Sache. Aber das Versteckspiel um den Besuch in Liverpool und der Eindruck, dass man den Coach schon fast nötigen musste, sein Tessin zu verlassen und nach England zu fliegen, sorgen für Stirnrunzeln. Und auch die Geheimniskrämerei um den Besuch bei Lichtsteiner ist grotesk.
Tue Gutes und rede darüber! Das empfiehlt jeder Kommunikationsberater. Lasst die Fussballfans teilhaben an der Entwicklung des Projekts Nationalteam! Schart die Fans um euch, schafft wieder eine Basis, damit das Land hinter der Mannschaft steht!
Dafür braucht es Taten. Aber dafür muss man auch mit den Menschen reden. Tami ist ein Schaffer, aber kein Kommunikator. Petkovic erst recht nicht. Er bleibt beratungsresistent und der festen Überzeugung, dass es genügt, wenn er an der Seitenlinie steht. Die sportliche Arbeit mit der Mannschaft ist das eine. Aber ein Nationaltrainer muss eine Integrationsfigur sein. Ein Gesicht für das wichtigste sportliche Projekt des Landes.
EM-Quali ist Pflicht
Jetzt folgen die Schlüsselspiele gegen Dänemark und Irland. Eine direkte Qualifikation in dieser Gruppe ist mit diesem Team und dessen eigenen Ansprüchen zwingend. Das ist bei diesem aufgeblähten Teilnehmerfeld bei der Endrunde der Europameisterschaft kein Exploit – sondern Pflicht.
Petkovic steht vor schicksalhaften Tagen. Schafft er die direkte Qualifikation nicht, dann gibt es die Hintertür via Barrage-Spiele der neugeschaffenen Nations League. Tami hat Petkovic für diese Spiele mittlerweile eine Jobgarantie gegeben.
Und darüber hinaus? Bei seinen Vorgesetzten wachsen die Vorbehalte. Und die Fans wünschen sich schon länger frischen Wind, eine offenere, klarere Kommunikation, eine neue Dynamik. Ganz einfach neue Impulse für eine talentierte Mannschaft, die auch in den nächsten Jahren noch viel bewegen kann.
Mit Petkovic ist dieser Aufbruch nicht möglich. Auch wenn der sportliche Befreiungsschlag in diesen Tagen gelingen sollte.