Das Spiel
Es gibt Sachen, die gibts gar nicht. Geschichten, die nur der Fussball schreibt. Und das Spiel in der Bieler Tissot-Arena ist eine solche Geschichte: Super-League-Klub YB scheitert gegen den drittklassigen FC Biel nach Verlängerung 0:1. Die Seeländer Fans und Spieler können ihr Glück kaum fassen, während die YB-Spieler am liebsten im Boden versinken würden.
Aus neutraler Sicht gibt es an diesem grandiosen Cup-Fight nichts auszusetzen – wäre da nicht der Entscheid, der zum entscheidenden Penalty für Biel in der Verlängerung führt.
YB hat mehr Ballbesitz, YB hat die besseren Chancen, aber auch nur ganz wenige klare. Die Berner machen aber kein Tor und lassen vereinzelt auch Torchancen für Biel zu. Mit dem Pausenpfiff scheint der Promotion-Ligist um den Lohn für eine aufopferungsvolle Leistung in der ersten Halbzeit zu kommen – doch Virginius’ Treffer wird nach VAR-Studium wegen Abseits aberkannt.
So wächst die Hoffnung der Bieler in der Tissot Arena von Minute zu Minute. Erst recht, als Schiri Dudic gut zehn Minuten vor dem Ende auf den Penaltypunkt zeigt und dem drei Minuten zuvor eingewechselten Imeri die Rote Karte zeigt. Der Penalty wird nach Sichtung der Videobilder auf Freistoss korrigiert. Der Platzverweis aber bleibt bestehen.
Und in Unterzahl kassiert YB in der Verlängerung das Gegentor. Mit dem Messer am Hals treffen die Stadtberner zuerst die Latte und dann in letzter Sekunde sogar ins Tor. Weil Tsimba den Ball aber mit der Hand spielt, greift erneut der VAR ein. Das Tor wird einkassiert, Biel steht im Cup-Final. Dort stand der Klub schon einmal: im April 1961. Damals verloren die Seeländer im Wankdorf gegen La Chaux-de-Fonds 0:1.
Das Tor
99. Minute, Malko Sartoretti, 1:0. YB-Goalie von Ballmoos kommt raus, trifft Biels Socka Bongué wohl minim am Bein. Schiri Dudic zeigt auf den Punkt. Der VAR nimmt den Entscheid auch nicht zurück. Sartoretti verwandelt souverän. Siebtes Tor im laufenden Wettbewerb für den Bieler.
Die Stimmen (gegenüber SRF)
YB-Trainer Giorgio Contini sieht sich dem Vorwurf der fehlenden Mentalität aus dem SRF-Studio konfrontiert – und widerspricht vehement: «Das ist absolut daneben. Auch als wir in Unterzahl aufgetreten sind, haben wir unseren Match gemacht. Es hing an der Effizienz. Es war überhaupt kein Mentalitätsproblem.» Und: «Ich habe keinen Penalty gesehen», kommentiert er die Szene, die zum Elfmeter geführt hat.
«Ich hatte eine gute Position auf dem Spielfeld. Ich habe gesehen, dass der Stürmer den Ball gespielt hat und der Goalie zu spät gekommen ist. Ich habe einen Kontakt wahrgenommen und sogar gehört. Ich würde wieder so entscheiden», erklärt sich Schiedsrichter Alessandro Dudic.
«Es ist unglaublich, ich kann es selber auch nicht beschreiben. Was die Mannschaft hingebracht hat, ist unglaublich. Es ist wunderschön, der Stadt so etwas zu geben. Ich geniesse es jetzt gerade einfach», sagt Biel-Goalie Raphael Radtke vor der jubelnden Fankurve.
Biel-Präsi Dietmar Faes: «Es ist unglaublich für unsere Stadt und Region. Das ist der Unterschied: Wir sind Kämpfer, Arbeiter. Ich bin sehr, sehr stolz. Ich mag mich erinnern: Vor zwei, drei Wochen hatten wir Sitzungen mit dem Verband, mit der Sicherheit wegen des Finals. Da war YB dabei, Basel, Lausanne und wir. Ich dachte mir nur, dass es wunderschön sei, dass ich auch dabei sein darf. Vor eineinhalb Monaten habe ich die Anmeldeformulare für den Europacup erhalten. Unglaublich, dass uns das passiert. Ich bin stolz auf unsere Fans: Sie haben den Bernern gezeigt, was Verhalten ist. Beim Penalty war ich von diesen sehr enttäuscht. Das ist keine gute Schule.»
Der Beste
Damian Kelvin ist der Fels in der Brandung der Seeländer. Immer wieder köpfelt der Hüne die Bälle aus der Gefahrenzone. Er hält die Defensive zusammen und ist die grosse Stütze der Bieler.
Der Schlechteste
Kastriot Imeri erlebt einen Abend zum Vergessen. In der 74. Minute wird der Genfer eingewechselt, kurz darauf reisst er nach einem eigenen Fehlpass beim gescheiterten Versuch, Coulibaly noch einzuholen, ebendiesen um. Zuerst gibts Penalty. Dann wird nach VAR-Studium auf Freistoss revidiert. Einzig die Rote Karte gegen den YB-Joker wird von Ref Dudic nicht umgestossen. Richtig.
Das gab zu reden
Die diversen VAR-Enscheide natürlich. Anders als im Viertelfinal, als es keinen VAR gab, ist er für den Halbfinal eingerichtet worden. Zur Erinnerung: Lugano flog wegen eines klaren Offsidetors von Dzonlagic raus. Diesmal sind die Berner Opfer eines krassen Fehlentscheids. Ob sie den Final deswegen verpassen, wissen wir nicht. Was wir wissen: Es wäre auch nach 99 Minuten noch 0:0 gestanden. Alle drei anderen VAR-Korrekturen waren richtig. Aber wir stellen fest: Wir haben Ref- und VAR-Probleme in der Super League. Es sind nicht die einzigen.
Die Schiris
Die erste VAR-Intervention von Ref Alessandro Dudic ist logisch und zwingend und das Offside von Itten klar. Das zweite Einschreiten von VAR Wolfensberger ist auch vertretbar, weil es um den Standort ging: Innerhalb? Ausserhalb? Dudic kassiert dann sein eigenes Ersturteil und hebt den Elfer-Entscheid dadurch auf. Irgendwie auch vertretbar. Aber der Penalty für Biel? Kein Einschreiten von Wolfensberger? Unfassbar. Von Ballmoos macht eigentlich nichts. Zieht zurück. Dass Wolfensberger da nicht den Mut hat, einzugreifen, ist nur eines: ein Skandal!
Die Fans
6000 Fans sind in der Tissot-Arena zugegen. Das bedeutet erstens, dass diese ausverkauft ist. Man hätte sie locker dreimal füllen können. Und zweitens ist das Stadionrekord, wurden doch 800 zusätzliche Plätze für dieses Spiel geschaffen. Die Stimmung ist fantastisch. Die YB-Fans treiben ihre Jungs unablässig an, nur mögen die nicht richtig folgen. Und auch die Seeländer Fans lassen sich nicht lumpen. Einige Male stehen YB-Fans auf dem Feld. Nach dem Spiel wirds brenzlig. Die YB-Spieler werden beschimpft und mit Gegenständen beworfen, sie müssen in die Katakomben flüchten. «Wir lassen uns von den Fans feiern, wenn wir gewinnen und jetzt müssen wir den Kopf hinhalten. Es ist legitim und es ist auch immer in einer Art und Weise, die innerhalb der Grenzen liegt. Deswegen nehmen wir diese Schläge jetzt in Kauf, die auch verdient sind», kommentiert Contini die intensiven Diskussionen vor dem Gästesektor.
So gehts weiter
Der Cupfinal steigt am 1. Juni in Bern. Biel trifft entweder auf Basel oder Lausanne, die den zweiten Finalisten am Sonntag (15.30 Uhr) unter sich ausmachen. In den Ligen geht es am nächsten Wochenende weiter: Zum Auftakt der Meisterrunde ist YB am Samstag zu Gast bei Lausanne (20.30 Uhr). Für Biel geht es am selben Tag bereits um 16 Uhr zum FC Cham. Der Promotion-Ligist spielt um den Aufstieg in die Challenge League.