Auf einen Blick
- Christoph Daum starb mit 70 Jahren
- Bekannt für Provokationen und Schlagabtausche, besonders mit Uli Hoeness
- Gewann Meistertitel mit Stuttgart, Besiktas, Fenerbahce und Austria Wien
«Ohne Wind gibt es keine gute Regatta.» Das sagte Christoph Daum 2020 im grossen Blick-Interview. Was er damit ausdrücken wollte: Der Deutsche setzte immer mal wieder gerne auf das Mittel der Provokation, um für Unterhaltung und Spektakel zu sorgen. Am Samstag ist der Wirbelwind im Alter von 70 Jahren für immer eingeschlafen.
Lautsprecher der Liga, Koks-Affäre, Dauerfehde mit Uli Hoeness – Orkan Daum hat während fast einem halben Jahrhundert im deutschen Fussball mächtig Staub aufgewirbelt und dabei gelegentlich, ob gewollt oder nicht, auch eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Wo er war, war es etwas definitiv nie: windstill. Beispiele gefällig?
Zoff mit Uli Hoeness
Am 20. Mai 1989 wurde deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. Die Bundesliga lebte damals vom packenden Titel-Zweikampf zwischen Bayern München und Köln mit Jungtrainer Daum. Wenige Tage vor der Direktbegegnung lud das ZDF deshalb Daum, Bayern-Manager Uli Hoeness und Bayern-Trainer Jupp Heynckes ins «Aktuelle Sportstudio» ein. Was dann geschah, war legendär.
Schon im Vorfeld hatte Daum immer mal wieder gegen Heynckes ausgeteilt: «Der könnte auch Werbung für Schlaftabletten machen» oder «Die Wetterkarte ist interessanter als ein Gespräch mit Heynckes.» Im Fernsehstudio entwickelte sich dann ein spektakulärer Schlagabtausch. Hoeness: «Ich glaube, du überschätzt dich hier masslos. Du musst mal da oben schauen. Das ist ein Ball über dir, das ist kein Heiligenschein.» Daums Antwort: «Um das Mass der Überschätzung zu erreichen wie du, muss ich 100 Jahre alt werden.»
Der vierte Ausländer
Als 1992 die Champions League eingeführt wurde, war auch Daum als Stuttgart-Trainer am Start. In der ersten Quali-Runde schlug der VfB eigentlich Leeds. Dumm nur, dass Daum kurz vor Schluss einen vierten Ausländer (unter anderem stand schon der Schweizer Adrian Knup auf dem Feld) eingewechselt hatte, was damals noch verboten war.
Die Folgen: Erst gab es viel Spott für Daum, dann ein Entscheidungsspiel gegen Leeds (das verloren ging), und wenige Monate später war Daum seinen Job als Stuttgart-Trainer los.
Es war einmal Vizekusen
Bis vergangene Saison wurde Bayer Leverkusen mit Vizekusen gleichgesetzt. Ein wesentlicher Teil dieses Mythos war auch Christoph Daum zu verdanken. Er war Trainer des Werkklubs, als dieser 2000 am letzten Spieltag mit einem Sieg in Unterhaching zum ersten Mal hätte Meister werden können. Eigentlich eine machbare Aufgabe. «Samstag, 17.15 Uhr, sind wir Meister. Basta!», liess er deshalb im Vorfeld vollmundig verlauten.
Doch wer war schlussendlich am Samstag um 17.15 Uhr Meister? Intimfeind Bayern München, weil sich die Daum-Elf in Unterhaching blamiert hatte.
Der Fast-Bundestrainer
Im Sommer 2000 lag der deutsche Fussball nach der blamablen EM in Belgien und Holland am Boden. Der auserwählte Heilsbringer für einen Neustart? Christoph Daum. Weil er damals aber noch Leverkusen-Trainer war, sollte er die DFB-Elf erst 2001 übernehmen. Dass es dazu aber nie kam, ist bis heute ein Stück deutsche Fussball-Geschichte.
Am Ursprung des Skandals stand einmal mehr Uli Hoeness. Der liess im Oktober 2000 verlauten: «Der DFB kann doch keine Aktion ‹Keine Macht den Drogen› starten und Herr Daum hat vielleicht damit etwas zu tun.»
Das liess Daum natürlich nicht auf sich sitzen und erklärte an einer Pressekonferenz, er habe noch nie Drogen konsumiert und lasse deshalb eine Haarprobe gerichtsmedizinisch untersuchen. Garniert mit den mittlerweile legendären Worten: «Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.»
Das Ergebnis dieser haarigen Analyse ist bekannt. In Daums Haaren fanden sich Rückstände von Kokain, und schon war er sowohl seinen Job in Leverkusen als auch sein Amt als Nationaltrainer, das er noch gar nicht erst angetreten hatte, los.
Scherben bringen Glück
Wer an Daum denkt, der denkt auch an seine aussergewöhnlichen Motivationsmethoden. Mal nagelte er 40'000 D-Mark in Scheinen an die Kabinentür, mal liess er seine Spieler barfuss über Glasscherben laufen. Darauf reduziert zu werden, hat ihn aber immer gestört, wie er auch im Blick-Gespräch von 2020 erklärte: «So einfach kann man Trainer nicht schubladisieren. Erfolg hat nur, wer die richtige Mischung findet. Ich habe schon in den 80er- und 90er-Jahren modernen Fussball gespielt und war diesbezüglich einer der Pioniere.»
Erfolge in Deutschland, Österreich und der Türkei
Daum nur auf seine Motivationstricks und seine Fehden zu reduzieren, wäre in der Tat ein Fehler. Denn Daum war auch ein erfolgreicher und innovativer Trainer. So wurde er zum Beispiel mit Stuttgart, Besiktas, Fenerbahce und Austria Wien Meister. Vor einigen Jahren resümierte er: «Ich habe in meinem Leben einiges an Scheiss gebaut. Aber wenn ich zurückgucke, sind die positiven Dinge in der Überzahl.»
Sein viel zitiertes Lebensmotto? «Du kannst hinfallen. Es ist auch nicht entscheidend, wie oft du hinfällst. Du musst nur immer wieder aufstehen.» Dafür stand Daum immer. Auch, als er vor zwei Jahren an Lungenkrebs erkrankte. Er nahm auch diesen Kampf aufrecht und ohne Wehklagen an. Einen Kampf, den er am Samstag leider verloren hat.