«Bayern zeigt momentan den besten Fussball in Europa»
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PSG-Bosse wollen Titel sehen:«Bayern zeigt momentan den besten Fussball in Europa»

Wie Phönix aus der Asche
Die wundersame Auferstehung des Thomas Müller

Im vergangenen Herbst schien seine grosse Karriere zu Ende. Doch jetzt ist Thomas Müller (30) wieder Herz, Seele und Lautsprecher seines Teams. Wer die Bayern besiegen will, muss ihn zähmen. Wie bloss hat er das geschafft?
Publiziert: 23.08.2020 um 16:22 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2020 um 19:24 Uhr
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Thomas Müller hat ein wundersames Comeback hinter sich.
Foto: keystone-sda.ch
Ernst Kindhauser

Habe Königsklasse gehört. Auch geguckt, vor allem aber gehört! Mit High-End-Kopfhörern. Barça gegen Bayern. Königsklasse als Ohrenschmaus.

«Geh drauf, drauf, geh drauf!», brüllt im Anstosskreis ein Bajuware, als peitsche er Hermanns Krieger im Teutoburger Wald gen Roms Legionäre. Wir schreiben die 86. Minute. Die Order geht an Samba-Kicker Philippe Coutinho – der kurz danach das 8:2 erzielt!

Ein Jahrzehntspiel und mittendrin dieses Erdmännchen aus dem oberbayrischen Pähl. Seine Beine gleichen knochigen Stelzen, er rudert wild mit seinen Armen, fletscht ein wenig mit den Zähnen und schreit: «Bleib dran, gut, bleib dran!»

Thomas Müller (30), Spitzname «Radio Pähl», sendet wieder. Man hört im leeren Rund zwar auch den grimmigen Joshua Kimmich und den gebieterischen Abwehrchef David Alaba. Doch über allen schwebt Müller. Pausenlos, megafonlaut, omnipräsent. Er dirigiert, treibt an. «Links zumachen, Koka, zuuuumachen!», befiehlt er Ivan Perisic. Müller, Herz und Seele der Bayern, fleischgewordene Nemesis des Gegners. Ein teutscher Leitwolf, bissig, nimmermüd, unbeugsam.

«Wenn wir zu den Herrgottschnitzern nach Oberammergau gingen, um einen echten Bayern-Kicker zu zimmern, käme Thomas heraus», sagt Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. Müller verkörpert jene Specie rara, die den profitgeilen Vereinen Spurenelemente von Authentizität verleiht. Heute ist diese so wichtig wie nie, zumal für die Bayern, deren «Mia san mia»-Gedöns ohne wahre Kerle wie Müller noch hohler klänge, als es ohnehin klingt – und das nicht nur angesichts der skrupellosen Gschaftlhuberei mit den katarischen Geldsäcken.

Müller ist Deutschlands beliebtester Fussballer, selbst Bayern-Hasser mögen ihn. Nicht bloss sein Name vermittelt das Gefühl, einen geerdeten Menschen vor sich zu haben, der sich nicht verstellt. Mit offenem Blick und frischfrecher Schnauze findet er Worte, die inmitten des branchenüblichen Geblökes wie Free Jazz anmuten. «Beim 7:1 gegen Brasilien ist es einfach passiert», analysiert er den historischen Triumph gegen Barça, «aber heute wollten wir beherrschen. Wir hatten die totale Kontrolle.»

Müller verzehrt weder Goldsteaks, noch ankert er eine Yacht mit Helikopter am Tegernsee, dafür hat er kürzlich ein Kinderbuch mit dem Titel «Mein Weg zum Traumverein» veröffentlicht. «Wer lesen kann, ist klar im Vorteil», schreibt er Kids hinter die Ohren, «auch im Fussball.» Mit seiner Frau Lisa ist er seit der Jugend zusammen. Beim WM-Final in Rio zog sie es vor, in München Dressur zu reiten, statt aufgebrezelt als Spielerfrauchen auf der Tribüne zu posieren. Ein modernes Power-Paar, beide berufstätig, erfolgreich, gemeinsam stark.

Gut sichtbar im vergangenen Herbst, als Müller unverhofft in ein schwarzes Loch fiel, das ihn zu verschlingen drohte. An jeder «Hundsverlochete» hatte er seine dünnen Haxen hingehalten, bis er grausam überspielt war und sich auf der Ersatzbank wiederfand – ausgepowert, ratlos, schmallippig. Dafür attackierte seine Frau Bayern-Coach Niko Kovac auf Twitter, als dieser Müller einwechselte: «Mehr als 70 Minuten bis der mal ‘nen Geistesblitz hat!»

«Wenn Not am Mann ist»

Müller blieb ruhig, selbst als er nimmer spielte. Aus Müller-Dämmerung wurde Müller-Finsternis. Bundestrainer Jogi Löw schmiss ihn aus dem Nationalteam. Kovac erniedrigte ihn, das Bayern-Urgestein, mit dem Satz: «Wenn Not am Mann ist, wird er sicher seine Spielminuten bekommen.» Und die Experten wähnten ihn auf der Flucht ins Ausland, zu Pep auf die Insel oder gar zu den Soccer-Clowns in Trump-Country.

Sie unterschätzten Müller, seinen unvermindert lodernden Ehrgeiz, seine Zähigkeit, seine Willenskraft. Und sie argwöhnten, sein genialisches Gefühl, auf verblüffenden Wegen Torgefahr zu erzeugen, sei erloschen. Wo aber Not ist, wächst das Rettende auch.

Für Müller kam es in der Gestalt von Hansi Flick (55). Seit dieser im November den überforderten Kovac als Cheftrainer ablöste, ist der alte Müller wie Phönix aus der Asche auferstanden. Flick platzierte ihn wieder als frei flottierender Irrwisch hinter die Spitzen und zimmerte um ihn das Team, das Messi und Co. demütigte. Mit der Achse Neuer-Alaba-Kimmich-Müller-Lewandowski, horrendem Tempo, riskantem Pressing, totalem Erfolgswillen – und phänomenalem Teamspirit.

Flick ist ein sozial hoch kompetenter Menschen-Flüsterer, besonnen, leise, empathisch. Er hat nicht nur Müller revitalisiert, sondern auch andere vermeintliche Auslaufmodelle: Neuer, Boateng oder Alaba. Er hat junge Wilde wie Davies, Gnabry und Goretzka turboentwickelt. Die Bayern spielen modernen, kreativen Offensivfussball, sozusagen State of the Art.

In diesem Team gibt Müller wieder den Multifunktionsmüller: Raumdeuter offensiv, Anpeitscher defensiv, his master’s voice. «Flick will meine Kommandos hören, er fordert das ein», beschreibt er seine zentrale Rolle. «Nach rechts, alle nach rechts», brüllt er etwa, und der Bayern-Block verschiebt sich nach rechts. «Phonzy, PHOOONZY!! Pass auf!», faltet er Shootingstar Alphonso Davies zusammen, als dessen Stellungsspiel wieder mal harzt.

Rückkehr in die Nati?

Müllers Spiel hat sich etwas verändert. Er läuft duracellmüllrig, bereitet viele Tore vor (Assist-Rekord in der Rückrunde), schiesst aber seltener typische Müller-Tore, so wie das 1:0 gegen Barça. Heber angetäuscht bei der Ballannahme, Doppelpass mit Lewandowski, Abschluss mit dem linken Aussenrist via Dropkick. Ein schräges Kunstwerk, das er mit entfesseltem «Jaaaaa!!» bejubelt, die Fäuste geballt und den Mund so weit offen, dass ein Tennisball drin Platz fände.

Thomas Müller hat ein Comeback hingelegt, das wenigen vergönnt ist, zumal im Herbst einer glanzvollen Karriere. Längst fordert Deutschlands heilige Fussball-Dreifaltigkeit – «Bild», Experten, Kaiser Franz – den Bundes-Jogi auf, Müller ins Nationalteam zurückzuholen. Schaun mer mal, ob Löw über seinen Schatten springen kann.

Heute jedenfalls geht Müller alias Radio Pähl wieder auf Sendung. Live um 21 Uhr, gegen die katarischen Sportwäscher von Paris St-Germain. Königliches Kino garantiert, zuschauen und vielleicht gar zuhören!

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