Triple – die letzte Mission der Trainer-Legende
Mit Heynckes gewinnt Bayern für 12,50 Euro

Jupp Heynckes wird im Mai 73 und hat als Rentner den scheintoten FC Bayern wiederbelebt. Gegen seine Ex-Königlichen von Real braucht er heute aber nach dem 1:2 im Hinspiel ein Wunder.
Publiziert: 01.05.2018 um 15:05 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:05 Uhr
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Jupp Henyckes hat die Chance, die Champions League zum dritten Mal zu gewinnen.
Foto: MICHAEL DALDER
Oskar Beck

Kürzlich betrat ein weisshaariger älterer Herr den Aufzug eines Münchner Hotels, und weil er eine Einkaufstüte mit der Aufschrift «FC Bayern» bei sich hatte, fragte ihn ein mitfahrendes amerikanisches Ehepaar: «Oh, Sie sind ein Fan dieses grossen Klubs?»

«Ja, das bin ich», sagte der Alte und lachte.

Die zwei werden aus allen Wolken fallen, falls sie in den nächsten Tagen fernsehen und beim Zappen in der Champions League landen, beim Halbfinal Real gegen Bayern – und da steht er plötzlich wieder, dieser 72-jährige Rentner, nur diesmal nicht im Aufzug, sondern als Trainer am Spielfeldrand. Am Dienstag nach der 1:2-Heimpleite in München braucht er im Bernabeu ein Wunder fürs Finale.

Nichts könnte Jupp Heynckes besser charakterisieren als dieser kleine Vorfall, der so gar nicht in die Zeit der Wichtigtuer und abgehobenen Stars passt, die an keinem Spiegel mehr vorbeikommen, ohne sich selbst zu grüssen. Wie hat sich beispielsweise der Kollege José Mourinho einst bei den Reportern eingeführt: «Bitte nennen Sie mich nicht arrogant, ich bin Champions-League-Sieger und jemand Besonderer.»

Welttrainer im Jahr 2013

Was wäre dann erst Heynckes, falls er diesen Titel demnächst zum dritten Mal gewinnt, nach 2013 mit den Bayern und 1998 mit Real? «Don Jupp», nennen sie ihn in Madrid heute noch.

Aber vor allem in München glauben viele inzwischen, dass Heynckes mit der Kraft seines Alters Löffel verbiegt, aus Wasser Wein macht und zu Fuss über den See Genezareth geht, auf jeden Fall aber über die Isar.

Heynckes (r.) feiert mit Real Madrid 1998 den Sieg in der Königsklasse.
Foto: imago

Im Herbst hat er den kriselnden Carlo Ancelotti abgelöst, und sofort sind die Bayern von den Scheintoten auferstanden und träumen plötzlich wieder vom «Triple», den Trophäen in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League – als er das 2013 schaffte, wurde Heynckes von der Fifa zum besten Trainer der Welt gekürt.

Der Alte weiss, wie man siegt. Aber Bayer Leverkusens Trainer Heiko Herrlich nannte dieser Tage, bevor sein Team gegen die Bayern 2:6 unterging, noch einen ganz anderen Grund, warum er den grossen Kollegen bewundert: «Bei Real wurde Heynckes damals nach dem Champions-League-Sieg entlassen. Sowas tut weh. Aber Jupp weiss, wie man wieder aufsteht.»

Leichtigkeit der Altersmilde

Es ist ja nicht so, dass immer alles glatt lief für Heynckes. Teneriffa hat er trainiert, Bilbao, Benfica, Gladbach, Leverkusen oder Schalke, und sich manchmal aufgeregt bis zur Gesichtsrötung, der Nationalspieler Wolfram Wuttke taufte ihn sogar um in «Osram».

Bei Eintracht Frankfurt verdonnerte er die damaligen Stars Yeboah, Gaudino und Jay-Jay Okocha vor Wut zu einem Waldlauf, worauf sie sich krank meldeten und ihm den Krieg erklärten. Yeboah: «Er hat den Klub auf Jahre kaputt gemacht.»

Bayern München absolviert das Abschlusstraining im Bernabeu vor dem Hammer-Duell am Dienstag.
Foto: REUTERS

Heute? Wenn sein Chilene Vidal über die Stränge schlägt, sagt Heynckes väterlich: «Ich weiss, wie ich Arturo nehmen muss.» Und wenn der Holländer Robben motzt, weil er einmal nicht ran darf, sagt Heynckes: «Arjen ist ehrgeizig, das finde ich Klasse.» Und streift ihm im nächsten Spiel die Kapitänsbinde über. Es ist die Leichtigkeit der Altersmilde. Das Leben prägt, und Fussball ist nur ein Spiel. Als seine Frau Iris an Krebs erkrankte, nahm sich Heynckes eine anderthalbjährige Auszeit, um sie zu pflegen auf ihrem Bauernhof am Niederrhein.

Wehe, ein Bayern-Trainer gewinnt nicht immer

Dass er sich dort letzten Herbst aus der Rente nochmal weglocken liess, sagt er, «war ein Freundschaftsdienst für Uli Hoeness.» Viermal hat der Bayern-Boss ihn alles in allem nach München geholt, und dass er Heynckes 1991 entliess, verzeiht sich Hoeness bis heute nicht: «Es war die grösste Fehlentscheidung meines Lebens.»

Trainer in München leben gefährlich. Schon in den 1970ern, als die Bayern dreimal den Europacup der Meister gewannen, nahm Libero Franz Beckenbauer den bekannten Sportjournalisten Horst Vetten am Arm und verriet ihm: «Behalten Sie es für sich, aber selbst mit Ihnen als Trainer würden wir Meister.»

Uli Hoeness und Henyckes im August 1990.
Foto: imago

Wehe, ein Bayern-Trainer gewinnt nicht immer. Dann ergeht es ihm schnell wie Jürgen Klinsmann, den Hoeness mit den Worten entliess: «Seine Mannschaftssitzungen waren wie Powerpoint-Präsentationen. Für zigtausend Euro haben wir Computer gekauft, und Klinsmann hat den Profis in epischer Breite gezeigt, wie wir spielen wollen – wohlgemerkt: wollen.» In der Not hat Hoeness schon damals Heynckes zurückgeholt und kurz danach gejubelt: «Jupp braucht nur einen Flipchart und fünf Eddingstifte. Da kostet einer 2,50 Euro. Und dann malt er auf die Tafel die Aufstellung des Gegners und sagt ein paar Takte dazu. Mit Heynckes gewinnen wir Spiele für 12,50 Euro.»

So läuft es auch wieder seit letzten Herbst. Heynckes kennt sich aus mit Trümmern und Ruinen, er wurde in der Stunde null geboren, genau gesagt am 9. Mai 1945, am Tag nach der deutschen Kapitulation. Auf null war auch Borussia Mönchengladbach, als er dort anfing, aber mit ihm wurde dieses unterklassige Nichts viermal deutscher Meister und Uefa-Cupsieger. 220 Tore hat Heynckes in der Bundesliga geschossen, zweimal Schützenkönig ist er geworden, und Europameister und Weltmeister. Doch dann kam das Beste: Er wurde Trainer.

Kovac (r.) wird Heynckes nächste Saison als Bayern-Coach ablösen.
Foto: imago

In ein paar Tagen wird er nun 73 und steht in seinem vierten Frühling da wie eine deutsche Eiche. Himmel und Hölle hat Hoeness in Bewegung gesetzt für ein weiteres Jahr mit diesem Alterslosen, der die Bayern sogar mit einem Tampon in der blutenden Nase noch zum Sieg trainiert – aber Heynckes hat jetzt doch langsam genug vom Stress, er will sich keine blutstillende Watte mehr in die Nase stopfen wie bei jenem mörderischen Pokal-Hitchcock gegen Leipzig. «Schluss», sagte er. Niko Kovac wird ihn ersetzen.

War es wirklich Heynckes’ letztes Wort? Joachim Löw würde nicht darauf wetten. Der Bundestrainer ahnt: «Wenn ich in ein paar Jahren aufhöre, wird Jupp mein Nachfolger.»

Das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League zwischen Real Madrid und Bayern München gibts natürlich live bei BLICK!

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