Sergej W. wollte Bürki & Co. töten!
Das ist der BVB-Bomber

Mit seinem Anschlag auf den Teambus von Borussia Dortmund wollte Sergej W. Millionen verdienen. Doch wer ist der 28-jährige Deutsch-Russe?
Publiziert: 22.04.2017 um 12:43 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:07 Uhr
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Sergej W. wollte mit seinem Anschlag den Kurs der BVB-Aktie manipulieren.
Andreas Böni

Und plötzlich geht alles ganz schnell: Als Sergej W. am Freitag kurz vor sechs Uhr morgens auf dem Weg zum Arbeitsplatz ist, springen schwer bewaffnete Polizisten auf ihn zu. Der 28-jährige Deutsch-Russe wird verhaftet.

Acht Tage war der Elektrotechniker observiert worden. Menschenleben waren ihm nicht gleichgültig. Im Gegenteil: Alle Insassen des Mannschaftsbusses der Borussia Dortmund sollten sterben. Weil Sergej W. sich davon einen Millionen­gewinn versprach. So glaubt es die Bundesanwaltschaft.

Es ist der 11. April um 19.15 Uhr, als sich der Mannschaftsbus im Süden Dortmunds in Bewegung setzt. Unser Nati-Goalie Roman Bürki sitzt in der letzten Reihe.

Der Car in den Mannschaftsfarben des BVB wird beobachtet. Nicht von begeisterten Fussballfans, sondern von Sergej W. Er hat ein Zimmer unter dem Dachstock des Hotels «L’Arrivée» bezogen, im selben Hotel ist das Borussen-Team untergebracht. Das Zimmer geht auf die Strasse hinaus. W. sitzt am Fenster und blickt hinunter. Wahrscheinlich, so der gegenwärtige Stand der Ermittlungen, hat er einen Fernzünder in der Hand.

100 Meter vom Hotel entfernt rollt der BVB-Bus mit 23 Stundenkilometern auf die Wittbräucker Strasse. Etwa 40 Meter nach der Ausfahrt vom Hotel-Areal zündet Sergej drei Bomben, sie sind auf einer Strecke von 12 Metern verteilt. Die Scheiben des Cars bersten; sie sind aus Sicherheits-, nicht aus Panzerglas. Metallstifte, 7 Zentimeter lang und 15 Gramm schwer, bohren sich in eine nahe gelegene Hauswand.

Bombe fliegt über Bus

Doch die Spieler haben Glück: Die erste und die dritte Bombe gehen planmässig los, der zweite und wichtigste Sprengsatz jedoch zündet einen Meter über dem Boden, die Ladung schiesst über den Bus hinweg. Ein Metallstift fliegt 250 Meter weit, einer bohrt sich in eine Kopfstütze. BVB-Spieler Marc Bartra sitzt neben Roman Bürki, wird schwer am Arm verletzt. Ein begleitender Polizist auf dem Töff erleidet ein Knalltrauma.

All das hat W. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von seinem Hotel­zimmer aus beobachtet. Er kennt sich am Tatort aus. Schon zwischen dem 7. und 9. März hat er eingecheckt – und wohl vorher ausgekundschaftet, von wo aus man den Tatort am besten beobachten kann. Danach bucht er Zimmer für zwei Zeit­spannen: Vom 9. bis 13. und vom 16. bis 20. April. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht bekannt, an welchem Tag Dortmund in der Champions League zu Hause spielt.

W. reist in einem gemieteten Audi an. Als ihm beim Ein­checken ein Zimmer ohne Blick auf die Strasse zugewiesen wird, lehnt er ab. Von dort aus hätte er den Tatort nicht sehen können – er wählt das Zimmer unter dem Dachstock.

Es ist der Raum, den er nach der Tat verlässt. W. bleibt nach den Explosionen seelenruhig. Den Angestellten, so beschreibt es später die «BILD»-Zeitung, fällt dieser Umstand auf. Während die übrigen Gäste in heller Aufregung durcheinanderlaufen, marschiert W. in aller Seelenruhe zum Restaurant und bestellt sich ein Steak.

Zur Feier des Tages? W. geht wahrscheinlich davon aus, jetzt richtig reich zu sein. Am 3. April nimmt er einen Verbraucher-Kredit von mehreren zehntausend Euro auf. Vom Hotel aus hat er online ein BVB-Aktienpaket von 15'000 Optionsscheinen im Wert von 78'000 Euro geordert. Er wettet auf den Absturz der BVB-Aktie.

Das war wohl sein grosser Fehler: Mitarbeiter der Bank Comdirect übermitteln der Polizei eine Verdachtsanzeige wegen Geldwäsche, der Kauf erschien ihnen verdächtig. Bei der Kontoüberprüfung stellen die Ermittler fest, dass der Aktienkauf über die IP-Adresse des Hotels L’Arrivée abgewickelt wurde. «BILD» vermutet einen Gewinn von bis zu 3,9 Mio. Euro, mehr als vier Millionen Franken.

Die Bundesanwaltschaft glaubt, dass W. ohne Komplizen handelte, denn als Elektro­techniker in einem Heizwerk war er ohne Hilfe in der Lage, Bomben zu bauen.

W., wohnhaft in Rottenburg am Neckar (Baden-Württemberg), versucht, den Anschlag der arabischen Terrormiliz IS in die Schuhe zu schieben. Drei Bekennerschreiben legt er um den Tatort an. Er vermeidet Fingerabdrücke. Wie «Der Spiegel» schreibt, hat W. jedoch überhaupt keinen Kontakt zum islamistischen Untergrund.

Sein Plan war es, durch einen Massenmord prominenter Fussballspieler seine Geldgier zu befriedigen. Ein Ziel, das W. verfehlt. Das Champions-League-Spiel von Dortmund gegen Monaco wird um 20.16 Uhr abgesagt. Kurz darauf schildert BVB-Torwart Roman Bürki als erster Spieler im BLICK exklusiv seine Eindrücke: «Es gab eine regelrechte Explosion. Ich sass in der hintersten Reihe neben Marc Bartra, der von Splittern der zerborstenen Rückscheibe getroffen wurde. Nach dem Knall haben wir uns alle im Bus geduckt und – wer konnte – auf den Boden gelegt. Wir wussten ja nicht, ob noch mehr passiert.»

Nun, endlich, ist der mutmassliche Täter festgenommen. Ihm werden versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt.

Auf Sergej W. wartet nun eine lange Gefängnisstrafe. Ohne luxuriöse Aussicht aus dem Zellenfenster.

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