Thun-Trainer Bernegger enttäuscht vom Rekordmeister
«Wie GC mich abservierte, war nicht in Ordnung»

Thun-Trainer Carlos Bernegger (51) redet vor dem Duell gegen seine verflossene Liebe GC im Interview über das Basler Fussballtheater, Wellness im Berner Oberland und Arbeitslosigkeit.
Publiziert: 11.12.2020 um 09:04 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2021 um 18:35 Uhr
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Carlos Bernegger spricht im Interview mit BLICK über alte Zeiten.
Foto: freshfocus
Michael Wegmann

BLICK: Als Sie Thun nach dem dritten Spieltag übernommen haben, lag man mit einem Punkt am Tabellenende. Jetzt an der Spitze. Was haben Sie gemacht?
Carlos Bernegger:
Zu Beginn war bei den Spielern schon ein wenig Resignation zu spüren. Der Abstieg, viele Abgänge, der Klub wird neu aufgestellt. All das braucht Zeit. Nur auf dem Platz haben wir die nicht. Ich versuchte, den Spielern sofort klarzumachen, dass es keinen interessiert, wo sie letzte Saison gespielt haben. Die Super League war einmal, die Realität heisst Challenge League. Das Motto lautete: Arbeitskleider anziehen und Vollgas!

Hat geklappt. Darf man in Thun bereits vom Wiederaufstieg träumen?
Nicht dass wir nicht ambitioniert wären, aber es ist noch nicht mal ein Drittel der Saison gespielt. Wir wollen vorne mitmischen, aber das wollen einige Teams. Für mich sind Aarau und allen voran GC die Favoriten. Mal schauen, was passiert.

Sie waren bei GC gefühlt 20-mal Ad-Interim- oder Assistenz-Trainer und einmal Cheftrainer. Sie waren auch Trainer in Luzern und zuletzt Assistent von Marcel Koller beim FCB. Fühlt sich der FC Thun nach diesen Klubs nun an wie Wellness im Berner Oberland?
Wellness würde ich zu keinem Trainerjob auf der Welt sagen! Aber hier ist alles rundherum schon sehr gut und ruhig. Ich kann mich voll auf den Fussball konzentrieren – das geniesse ich sehr. Aber meine Arbeit auf dem Platz mit den Spielern, die Vorbereitung auf Trainings und Spiele ist dieselbe.

Wie wars bei GC, in Luzern oder Basel?
Lauter und aufgeregter. Ein Theater neben dem Platz gehört zwar ein Stück weit zum Profifussball. Aber ein Trainer kann nicht immer nur gewinnen. Und kommen mal negative Resultate, braucht er klubintern Rückendeckung, damit er einigermassen in Ruhe weiterarbeiten kann. Das war nicht überall so.

In Luzern zum Beispiel. Immerhin haben Sie sich kürzlich an jenem Sportchef revanchiert, der Sie entliess. Alex Frei ist jetzt Trainer von Wil, die Sie 3:0 geschlagen haben. Wie fühlte es sich an?
(Lacht herzhaft). Irgendwie wusste ich, dass die Frage nach Alex kommt. Wir haben uns beide beim Direktduell professionell verhalten. Die Sache ist durch. Und ich muss ja auch sagen, dass er der erste war, der mir einen Posten als Cheftrainer angeboten hatte.

Die Entlassung als GC-Trainer im Sommer 2017 traf Sie mehr?
GC war etwas anderes. GC war mein Verein, ich habe während 15 Jahren immer wieder für den Klub gearbeitet und war stets loyal. Die Art, wie man mich abservierte, nachdem ich die Mannschaft noch in der Vorsaison vor dem Abstieg gerettet hatte, war nicht in Ordnung. Nach einem Sieg gegen St. Gallen in der fünften Runde wurde ich entlassen. Fussball kann eben sehr hart sein. Aber ich habe daraus gelernt.

Ihr Nachfolger Murat Yakin scheint damals schon bereitgestanden zu sein. Zumindest machte es den Anschein, als wäre der Trainerwechsel schon länger geplant…
… dazu will ich mich nicht äussern.

Frei und Wil haben Sie geschlagen. Gegen Yakin und Schaffhausen haben Sie 1:1 gespielt. Jetzt kommt GC. Werden Sie Ihre Spieler für dieses Spiel extra heiss machen?
Wir spielen gegen den Leader. Gegen GC. Da sollte ich keinen Spieler extra motivieren müssen. Klar will ich gewinnen. Aber das will ich gegen jeden Gegner.

Die letzten beiden Jahre in Basel als Assistent von Marcel Koller waren auch nicht gerade nur Zuckerschlecken. Wie nervenaufreibend war's?
Basel ist Basel. Die Menschen lieben ihren Klub. Läuft's gut, lassen es die Menschen dich wissen, dass sie begeistert sind. Wenn’s nicht läuft, spürst du das aber genau so. Es war teilweise schon nervenaufreibend, ja.

Blieb Marcel Koller immer so ruhig, wie es den Anschein machte?
Marcel ist überdurchschnittlich intelligent und hat eine grosse Erfahrung. Seine Souveränität ist seine grosse Stärke. Er weiss, dass es besser ist, erst einmal über eine Sache zu schlafen und am nächsten in aller Ruhe zu reagieren. Ich war schon vor 15 Jahren bei GC gerne sein Assistent – und auch jetzt in Basel wieder konnte ich viel von Marcel profitieren.

Wie man ruhig bleibt zum Beispiel. Ist das für Sie als temperamentvoller Argentinier schwierig?
Ich bin schon gelassener geworden und arbeite weiter daran.

Auffallend ist, dass Sie auch nach Ihren Engagements als Super-League-Trainer immer wieder als Assistenz- oder Nachwuchs-Trainer gearbeitet haben. Hatten Sie nie das Gefühl, überqualifiziert zu sein?
Fussball ist meine grosse Leidenschaft. Solange ich im Fussball tätig sein kann und das Umfeld stimmt, bin ich überglücklich. Manchmal ist es besser, wenn man einen Schritt zurück macht, um dann zwei nach vorne zu kommen. Ab es gibt natürlich auch einen anderen Grund, weshalb ich nicht einfach so Jobangebote abgelehnt habe.

Welchen?
Fussballtrainer ist nun mal mein Beruf und ich bin stolz, dass ich als Ausländer in der Schweiz das Diplom gemacht habe. Es ist mein Werkzeug, um meine Familie ernähren zu können. Ich bin kein Millionär. Ich muss arbeiten.

Nach Ihrer Entlassung bei Luzern gingen sie stempeln. Wie hat sich der Gang aufs RAV angefühlt?
Ich war dankbar und froh, dass wir in der Schweiz die Möglichkeit haben, in solch schwierigen Situationen auf die Hilfe des Staates zurückgreifen zu können.

Können Sie verstehen, dass Ihr Vorgänger Marc Schneider freiwillig den Bettel hingeschmissen hat? Der Markt für Profitrainer ist ja doch überschaubar.
Ich bin mir sicher, dass ihm dieses dramatische Saison-Finish mit der Aufholjagd und dem Last-Minute-Abstieg viel Energie gekostet hat. Solche Strapazen gehen nicht an einem Trainer vorbei. Dann gab es kaum eine Sommerpause, viele Spieler haben den Klub verlassen. Dass seine Batterien noch nicht aufgeladen waren, ist verständlich. Er hat nicht gewartet bis er entlassen wird oder er komplett ausgelaugt ist, sondern ging von selbst. Das ist ehrlich und mutig. Seine Reaktion zeugt von Klasse.

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Challenge League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
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FC Thun
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14
14
28
2
FC Etoile Carouge
FC Etoile Carouge
14
6
26
3
Neuchatel Xamax FCS
Neuchatel Xamax FCS
14
-3
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4
FC Aarau
FC Aarau
14
5
21
5
FC Vaduz
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14
-2
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6
FC Wil
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14
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FC Stade-Lausanne-Ouchy
FC Stade-Lausanne-Ouchy
14
6
16
8
AC Bellinzona
AC Bellinzona
14
-7
16
9
FC Schaffhausen
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14
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15
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FC Stade Nyonnais
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14
-18
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