Wäre das Wort veryoungboysen nicht einst für den Berner Sport Club erfunden worden – perfekt hätte es zum FC Winterthur gepasst. Denn für den galt mehrere Jahre, was eine Stufe höher lange für YB galt: Er versagte, wenn es wirklich zählte. Spielte er eine gute Vorrunde und roch er am Aufstieg, stürzte er sich mit einer Reihe schlechter Spiele gleich selbst vom Sockel und verwischte zuverlässig sämtliche Aufstiegsgedanken – um dann zuverlässig fast jedes bedeutungslose Spiel bis Saisonende zu gewinnen. «Winti halt», pflegte man zu sagen.
Umso ungläubiger ist, wer den Klub schon lange begleitet und nun Teletext-Seite 204 abruft: Winterthur steht da, in grossen grünen Buchstaben, davor eine dicke Eins. Rückkehr in die Erstklassigkeit – nach 1985!
Eigentlich hatte man es sich in der Challenge League durchaus gemütlich gemacht. Man lebte vom Ruf des Kultigen. Vom Klub mit Bier- und Sirupkurve für Gross und Klein und dem Salon Erika, der Cüpli-Bar mitten in der Kurve. Und Andreas Mösli, der altrockende Geschäftsführer, wurde mit klugen Kommentaren zu Fussball und Fankultur zu einer Stimme im Schweizer Fussball. Unter ihm wurde der FCW auch in der Stadt gesellschaftsfähig.
Die Akanjis, die Freulers, die Zuffis ...
Winti lebte auch vom Ruf seines ausgezeichneten Nachwuchses, von den Akanjis, den Freulers, den Zuffis, den Abrashis – und auch von der frühen Förderung des Frauenfussballs.
Aber die Super League? So richtig glaubten bis gestern zu später Stunde die wenigsten dran. Denn auch dieses Mal schien der FCW den Beweis zu erbringen, unaufsteigbar zu sein – im Gegensatz zu Schaffhausen, Yverdon, Vaduz, Wil, Thun oder Xamax, die es alle mindestens einmal schafften in den letzten 20 Jahren.
Der FCW hatte eine gute Mannschaft, klar, er bewies das auch in vielen Direktduellen, beispielsweise mit Aarau. Er hatte auch das Quantum Glück, das braucht, wer oben sein will. Und vor allem: Er lag an Ostern fünf Zähler vor dem FCA an der Spitze. Alles lief für Winti.
Und dann flatterten die Nerven
Dann schien das Team von der ewig gleichen unheilvollen Entwicklung betroffen zu sein: Es zeigte Nerven und gewann keines von vier Spielen. Beim FCW glaubten sie, die günstigste Chance für die Super-League-Rückkehr nach 37 Jahren sei ihnen entglitten. Mal wieder. Und das auch unter Alex Frei, dem ehrgeizigen Nati-Rekordschützen, der im Winter von Ralf Loose übernahm und dem gute Arbeit attestiert wird. Selbiges gilt für Sportchef Oliver Kaiser, einen früheren Spieler, der die Mannschaft formte – mit Spielern wie Roberto Alves, Roman Buess oder Thibaut Corbaz.
Doch auch unter ihnen schienen die Winterthurer geblieben zu sein, was sie waren: die Unaufsteigbaren. Die mit diesem Schicksal aber keinesfalls hadern, sondern gut mit ihm leben – und zuweilen gar mit ihm kokettieren.
Blütezeit zwischen 1967 und 1977
Viele Ältere ergötzten sich an den grossen Zeiten. Sie dachten an Timo Konietzka zurück, der Ende 60er nur wegen einer Bundesliga-Sperre und viel Geld der Winterthur Versicherungen beim FCW gelandet war – und dann in den Cupfinal 1968 einzog und in die Nationalliga A aufstieg. Oder an Max «Mannix» Meili dachten sie, den cleveren Stürmer, der jahrzehntelang einen Bierladen führte und noch heute kein Getränk zahlen muss, wenn er abends ausgeht.
Bis 1977 blieb Winti in der Nati A. Das Team wurde zum Favoritenschreck. Karli Odermatt, die Basler Legende, sagte einst, dass er es hasste, in Winti zu spielen. «Da haben wir doch fast immer verloren.» Auch weil Spieler wie Rolf Bollmann, der Eisenfuss, unerbittliche Gegner auf der engen «Schützi» waren. Kündigte sich ein technisch überlegener Gegner an, wurde zur Not der Rasen mit den Eisenpickeln bearbeitet. In seiner besten Saison verpasste der FCW den Uefa-Cup um ein Tor.
1982 und 1984 gabs zwei Intermezzi in die oberste Liga – mit den späteren Nati-Spielern Dario Zuffi und Stephan Lehmann, die inzwischen beide zum Staff von Alex Frei gehören.
Hannes W. Keller – der Retter
Danach darbte der Klub durch die späten 80er und frühen 90er, stieg zwischendurch gar ein Jahr in die 1. Liga ab. Seit den frühen Nullerjahren gehts aufwärts – nicht zuletzt dank Hannes W. Keller. Der Physiker rettete den Klub vor dem finanziellen Kollaps und schoss bis zu seinem Rückzug 2017 laut «Landbote» durchschnittlich eine Million ein. Ein Altruist, der auch schon mal aus Mitleid einem Spieler einen Vertrag gab und prinzipiell niemanden entliess – was viele Fans im Falle so mancher Trainer störte. Heute gehört der Klub seinen Söhnen. Der eine, Mike, ist Präsident und seit gestern einer von zehn Super-League-Bossen.
Doch Winterthur wäre nicht Winterthur, würden einige den Aufstieg nicht auch jetzt noch in mancher Hinsicht bedauern. Die Trennung der Sektoren, die bedeuten würde, dass nicht mehr jedermann in der Pause in den Salon Erika kann – solche Dinge stören die Puristen.
Dass sich die Mehrheit über die Rückkehr des FCW nach 1985 freut, belegt vor allem eines: Mit 9000 Fans war die Schützi in den letzten vier Saisonspielen schon Tage vor dem Spiel ausverkauft. Und 1400 begleiteten ihn gestern nach Kriens. Das Winterthurer Publikum war schon vor der Mannschaft erstklassig.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | FC Thun | 14 | 14 | 28 | |
2 | FC Etoile Carouge | 14 | 6 | 26 | |
3 | Neuchatel Xamax FCS | 14 | -3 | 22 | |
4 | FC Aarau | 14 | 5 | 21 | |
5 | FC Vaduz | 14 | -2 | 20 | |
6 | FC Wil | 14 | 4 | 18 | |
7 | FC Stade-Lausanne-Ouchy | 14 | 6 | 16 | |
8 | AC Bellinzona | 14 | -7 | 16 | |
9 | FC Schaffhausen | 14 | -5 | 15 | |
10 | FC Stade Nyonnais | 14 | -18 | 10 |