Sepp Blatter schreibt über die WM-Vergabe 2026
«Ein unfaires Prozedere!»

«Eine logische Wahl, mit einem nicht ganz fairen Prozedere», schreibt Sepp Blatter auf BLICK über die WM-Vergabe in die USA, Kanada und Mexiko.
Publiziert: 13.06.2018 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:58 Uhr
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«Die Task-Force der Fifa hatte den Zweck, die marokkanische Kandidatur zu eliminieren», sagt der Ex-Fifa-Boss.
Foto: REUTERS
Sepp Blatter

Der Fifa-Kongress in Moskau hat die WM 2026 an die vereinte Kandidatur der Verbände USA, Kanada und Mexiko vergeben. Marokko dagegen geht zum fünften Mal als Verlierer aus einem Bewerbungsprozess hervor. Es ist ein logischer Entscheid – allein wenn man die Grössenverhältnisse berücksichtigt. Schliesslich soll in acht Jahren das erste Mal mit 48 Teams gespielt werden.

Auf der einen Seite traten drei grosse Nationen mit einer zusammengerechneten Einwohnerzahl von 487 Millionen zur Wahl an, auf der anderen ein «kleines» Königreich mit 36 Millionen Bewohnern. Dank lukrativen Fernsehverträgen winken der Fifa nun Einnahmen von 14 Milliarden Dollar. Bei einem Zuschlag für Marokko wäre es rund die Hälfte davon gewesen. Angesichts der wirtschaftlich rückläufigen Tendenzen der Fifa ist der Entscheid zugunsten der nordamerikanischen Bewerbung nachvollziehbar.

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Jubel bei den Organisatoren von «United 2026»: Die WM 2026 findet in den USA, Mexiko und Kanada statt.
Foto: REUTERS

Ich habe mich im Vorfeld der Wahl wiederholt in die Diskussion eingeschaltet – nicht allerdings, weil ich mich für Marokko stark machen wollte, sondern weil es mir darum ging, dass beide Kandidaten eine faire Chance erhalten, sich vor dem Kongress zu präsentieren. Dies schien zwischenzeitlich in Frage gestellt.

Denn mit dem Einsatz einer Task-Force beabsichtigte die Fifa-Führung, die Marokkaner von der Wahl auszuschliessen – eine Vorselektion entgegen den demokratischen Grundwerten. Wer dies bestreitet, muss sich die Bedeutung einer Task-Force in Erinnerung rufen. Im Krieg wurde diese eingesetzt, um gegnerische Einheiten zu eliminieren. Und die Task-Force der Fifa hatte den Zweck, die marokkanische Kandidatur zu eliminieren.

Abstimmung hätte zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen sollen

Der Ablauf des Wahlprozederes in Moskau hinterlässt in diesem Sinne einen schalen Beigeschmack. Nach der Präsentation und unmittelbar vor der Abstimmung legte die Fifa die Bewertung der Kandidaten durch die Task-force offen – mit deutlichen Vorteilen für die nordamerikanische Bewerbung. Dass sich nach der Wahl der Präsident von US Soccer, Carlos Cordeiro, bei der Task-force bedankte, lässt tief blicken.

Zwar haben wir letztlich eine breit abgestützte demokratische Entscheidung (134:65). Dennoch war es kein fairer Ablauf. Dabei hätte die (erstmals) vom Kongress (und nicht vom Exekutivkomitee) vorgenommene Abstimmung, dem Entscheid zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen sollen. Dies war ein zentraler Punkt der von mir 2011 angestossenen Reformen.

Bleibt die Frage nach dem Sinn von Mehrfach-Kandidaturen. Nach den schlechten Erfahrungen an der WM 2002 in Japan und Südkorea – mit zwei verschiedenen Organisationskomitees – fällten wir im Exko den Grundsatzentscheid, dass eine Einzelkandidatur immer vorzuziehen ist. Dieser Meinung bin ich weiterhin. Doch im Fall der nordamerikanischen Kandidatur wurde dieser Einwand entschärft. Denn die drei Verbände haben sich schon jetzt in einem OK zusammengeschlossen. «United» ist in diesem Fall kein Etikettenschwindel.

Als positiv bewerte ich, dass mit der Vergabe der Weltmeisterschaft nach Nordamerika die Rotation unter den Konföderationen gewahrt bleibt. Eigentlich hätte schon die WM 2022 in die USA (und nicht nach Katar) gehen sollen. Dies wird nun nachgeholt. Und auch die Marokkaner können weiter hoffen. Bei einer neuerlichen Kandidatur – es wäre bereits ihre sechste – für das Turnier 2030 sind ihre Chancen wohl intakt.

Last but not least bietet der Zuschlag für USA, Mexiko und Kanada geopolitisch eine Chance. Zwar bauen die USA weiterhin an der Grenzmauer zu Mexiko. Aber vielleicht bringt sie der Fussball zum Umdenken. Vielleicht bemerken sie, dass Brücken das tauglichere Mittel sind als Mauern und dass es nicht eine Bedrohung sein muss, wenn die Welt 2026 auf Besuch kommt.

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