Es ist der pure Hass, der dem Oberwalliser gestern entgegengeschleudert wird. Hass, Spott, Häme – kübelweise. Allen voran: Deutsche und Briten. Blatter ist das menschgewordene Symbol für Korruption. Für Vetternwirtschaft. Für alles Böse auf diesem Planeten.
Um 16.41 Uhr fährt die Limousine vor dem Theater 11 gleich neben dem Hallenstadion in Zürich-Oerlikon vor, auf die alle warten. Einer ruft, als Blatter aussteigt: «Wem haben Sie nun wieder Geldpäckchen zugehalten, Herr Blatter?» Keine Reaktion.
Drinnen wartet alles auf die Rede des mächtigsten Sportfunktionärs der Welt. Es ist sein schwerster Gang, trotzdem nimmt er die sechs Stufen zur Bühne beschwingt. Keine Spur von «durcheinander», wie ihn Uefa-Präsident Michel Platini Stunden zuvor bezeichnet hat.
Dann legt der Boss los. Er spricht die Fifa-Katastrophe glasklar an, sieht sich als Lösung. Er redet und redet. Und sagt doch nicht viel. Die Anfeindungen scheinen an ihm wie an Teflon abgeprallt zu sein. Einzig seine Stimme verrät, dass der Mann doch ein Mensch ist. Sie ist brüchiger als gewohnt.
Er sagt, dass viele ihn für verantwortlich hielten. Ob für Korruptionsskandale oder die WM-Vergaben. «Aber ich kann nicht alle kontrollieren. Ich habe die Verantwortung für das Wohl dieser Organisation, ja. Und ich lasse nicht zu, dass
einige wenige die Arbeit der Mehrheit zunichtemachen. Wir werden jeden erwischen, der korrupt ist, und ihn bestrafen! Weitere schlimme Dinge werden aufgedeckt werden. Aber es muss aufhören. Jetzt und sofort! Damit die Fifa das verlorene Vertrauen wiedergewinnt.»
Scheinbar keine Spur von Selbstzweifel. Business as usual. Und heute wird Blatter wiedergewählt. Wirklich?
Nicht, wenn es nach dem «angewiderten» Uefa-Boss Michel Platini geht. Der hat Sepp Stunden zuvor zum Rücktritt aufgefordert: «Genug ist genug. Sepp, lass es sein!» Blatter antwortete entschlossen: «Nein, das geht nicht. Nicht jetzt. Nicht so kurzfristig.» Dennoch verwirft Platini die Idee des Boykotts des Fifa-Kongresses. Stattdessen ruft er die Uefa-Verbände dazu auf, geschlossen für Prinz Ali bin al-Hussein zu stimmen. Blatters einzig verbliebener Gegenkandidat. Und droht damit, allenfalls Fifa-Wettbewerbe zu boykottieren. Eine leere, dumpfe Drohung.
Die Nacht der langen Messer
Keine Zwischenrufe an der Zeremonie. Sportminister Ueli Maurer liefert die schlechteste englische Rede der Geschichte. Er betont das Glaubwürdigkeitsproblem der Fifa.
Dann gehen die Herren Funktionäre schlemmen. Es beginnt die Nacht der langen Messer. Des verzweifelten Versuchs von Platini, die nötigen Stimmen für den Prinzen zusammenzukratzen. Es wird beim Versuch bleiben.