Bestechungs-Vorwürfe um Scheich-Million
Jetzt eskaliert der Machtkampf bei Etoile Carouge

Millionen-Budget, sofortiger Aufstiegsplan: Bei Etoile Carouge steht der Einstieg von Investoren aus Abu Dhabi bevor. Oder doch nicht? Kurz vor dem Stichtag packt das Gegenlager aus – Bestechungs-Vorwürfe inklusive.
Publiziert: 22.05.2020 um 19:28 Uhr
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Bei Etoile Carouge (hier 2019 im Cup gegen YB) fliegen derzeit die Fetzen.
Foto: keystone-sda.ch
Dario Dietsche

Dem Protokoll zu Liebe die Hand heben, in die Kamera lächeln und ab zum Apéro? Nichts da! Bei Etoile Carouge kommts Ende Mai zu einer wortwörtlich ausserordentlichen Generalversammlung. Corona-bedingt trifft man sich nicht physisch, und dennoch fliegen ordentlich die Fetzen.

Der Streitpunkt: Ein Investor aus Abu Dhabi, der den Traditionsklub massiv umstrukturieren will. Mit einer Million Franken allein im ersten Jahr will das Sportbusiness-Unternehmen «Game Plan Sports Group» den früheren NLA-Klub möglichst rasch in die Challenge League führen. Als Vertreter der Scheichs soll Event-Spezialist und Ex-Spieleragent Salem Baobaid Vizepräsident in Carouge werden.

Das geschieht jedoch nur, wenn der jetzige Interims-Präsident Michael Palma Ende Mai zum Präsidenten gewählt wird. Palma – bis vor kurzem Geschäftsführer der Privatbank «Mirabaud», die enge Verbindungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten pflegt – ist Baobaids Bekannter und Verbündeter. Ursprünglich wollte Palma die Führung des verschuldeten Klubs abgeben, der lukrative Scheich-Deal stellte sein Vorhaben auf den Kopf.

Happige Vorwürfe gegen Scheich-Bündnis

«Die Kandidatur von Palma war ein Schock. Sie kam völlig überraschend», sagt Pierre-Alain Brodard, Klub-Präsident von 2004 bis 2018. Vor zwei Jahren empfahl er Palma noch als Nachfolger, dachte er würde sich nachhaltig für den Klub einsetzen. Aber: «Palma entpuppte sich als Phantom, er war kaum je auf der Anlage anzutreffen», so die Carouge-Identifikationsfigur. Mittlerweile habe er keinen Kontakt mehr zu ihm.

Weder an Heimspielen, noch auf dem Mannschaftsfoto ist Palma zu sehen. Von Fussball verstehe er wenig bis gar nichts, sagt man sich. Wieso der Banker dennoch Präsident bleiben will? «Bei Leuten mit so viel Geld steckt immer ein finanzielles Interesse dahinter», sagt Brodard. Der Plan sei es wohl, durch das Handeln mit jungen ausländischen Spielern aus Carouge einen profitablen «Bling-Bling-Klub» zu machen.

«Das macht mir Angst», sagt Brodard, der deshalb aktiv die Gegenkanditatur von Ex-Carouge-Spieler Olivier Doglia unterstützt. Er verweist auf zahlreiche Beispiele (darunter Xamax und Servette), wo ausländische Investoren für Chaos und Pleiten sorgten. Sobald sich die Investoren nicht mehr amüsieren könnten, seien sie weg.

Mit Gratis-Mitgliedschaften zum Wahlerfolg?

Zuerst einmal versuchen sie jedoch alles, um reinzukommen. So werben Baobaid und Palma etwa mit einer Saison Gratis-Mitgliedschaft für sämtliche Junioren (im Schnitt 600 Franken). Kostenpunkt: Rund 180'000 Franken. «Damit wollen wir den durch die Corona-Krise betroffenen Eltern helfen», sagt Baobaid gegenüber der Genfer Fussball-Website «Proxifoot». Dies unterstreiche, so Baobaid, dass er und Palma die «beste Wahl für die Zukunft Etoile Carouges» seien.

Hinter den hübschen Worten steckt Kalkül – und zwar ein misslungenes, meint Ex-Präsident Brodard: «Die Clique um Palma meinte, es herrsche Unklarheit darüber, wer denn abstimmen dürfe. Mit der Gratis-Mitgliedschaft denkt man, dass sie die Stimmen der Eltern kaufen wollen.» Der Haken: Die Statuten zählen. Und laut diesen sind nur JuniorInnen und SpielerInnen ab 18 Jahren, sowie Klub-Mitglieder wahlberechtigt.

Auch die andere Seite erhebt Manipulations-Vorwürfe: Gewisse Trainer hätten ihre Spieler in WhatsApp-Gruppen dazu gedrängt, gegen Palma und für Doglia zu stimmen. «Sie haben die Spieler aufgefordert, Fotos ihrer Stimmzettel zu schicken», sagt Palma in einer Nachricht, die «Proxyfoot» vorliegt.

Versuchte Bestechung von Spielern

Brodard weist die Vorwürfe von sich: «Ich unterstütze eine Kandidatur und argumentiere dafür – mehr nicht.» Er habe auch gehört, dass Druck auf gewisse Spieler ausgeübt werde und sei «überrascht, dass so vorgegangen wird». BLICK weiss: Palma hat mehrere Spieler kontaktiert und ihnen Versprechungen für ihre Stimme angeboten.

Beide Seiten teilen aus, nur eine kann gewinnen. Bleibt der kleine Nachbar Servettes in vertrauten und finanziell bescheidenen Händen oder steigt erstmals ein Investor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten bei einem Schweizer Klub ein? Bis am 29. Mai können die Klubmitglieder ihre Stimme abgeben – am ersten Juni soll das wegweisende Ergebnis spätestens bekannt sein.

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