Alle schlagen Alarm
Wenn die Nati hustet, kränkelt der Fussball

Die Angst, international etwas den Anschluss zu verlieren, geht um. Jetzt schlagen die Fussballbosse Alarm. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 03.11.2024 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2024 um 11:22 Uhr
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Murat Yakin ist mit einem Punkteschnitt von 1,51 mittlerweile der statistisch schlechteste Naticoach der letzten 23 Jahre.
Foto: TOTO MARTI
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Felix BingesserReporter Sport

Der Sommer ist vorbei, die Party ist zu Ende, es kommt der Novemberblues. Auch im Schweizer Fussball.

Auch beim Trainer blättert der Lack. Mit einem Punkteschnitt von 1,51 ist Murat Yakin mittlerweile der statistisch schlechteste Naticoach der letzten 23 Jahre. Hinter Köbi Kuhn, hinter Ottmar Hitzfeld, hinter Vladimir Petkovic. Und wenn die Nati hustet, kränkelt der ganze Fussball.

Die U21 und die U19 verpassen die Qualifikation für die EM-Endrunde. Und zu schlechter Letzt: Die Schweiz ist bei der Nachwuchsförderung ins Hintertreffen geraten. Die wenigen Einsatzzeiten junger Schweizer Spieler in der Super League sind alarmierend.

Jetzt schlagen Nati-Direktor Pierluigi Tami und Patrick Bruggmann, Direktor Fussballentwicklung beim Verband, Alarm. Das ist ehrenhaft. Und trotzdem irritierend.

Diejenigen, die in der Verantwortung stehen und für die mittel- und langfristige Entwicklung zuständig sind, schlagen Alarm? Das ist etwa so, wie wenn der Finanzchef einer Firma Alarm schlägt, weil das Budget massiv überzogen worden ist. Warum hat er es nicht verhindert?

Das Hauptübel ist erkannt. Der Einstieg von jungen Schweizer Spielern in den Profifussball muss erleichtert und gefördert werden. Die Schweizer Liga kann nicht nur zum Geschäftsmodell und zum Durchlauferhitzer für ausländische Talente werden. Tami liegt richtig, wenn er fordert, dass man die Challenge League aufstocken muss.

Es braucht ein stabiles Fundament

Die alten Ägypter haben schon 2000 Jahre vor Christus beim Bau der Pyramiden gewusst, dass ein stabiles Fundament braucht, wer hoch hinaus will. Die Schweiz ist das einzige Land, in dem die oberste Liga mehr Teams umfasst als die zweitoberste.

«Viele Vereine werden nun aufrüsten und Risiken eingehen. Und nicht jungen Schweizer Spielern eine Chance geben», hat der SonntagsBlick im Jahr 2011 geschrieben, als die Liga ohne Not die Challenge League reduziert hat. Ob es jetzt zur Rolle rückwärts kommt und der Wunsch von Tami bei der Liga Gehör findet, ist mehr als fraglich.

Dass es Reformen braucht, ist unbestritten. In welcher Stimmung und Atmosphäre man die Diskussionen in Angriff nimmt, hängt aber wie immer vom Abschneiden der Nationalmannschaft ab. Gelingt in den nächsten Wochen gegen Serbien und Spanien die Wende, wird etwas Ruhe einkehren.

Aber die derzeit als Resultatkrise verkaufte Schwächeperiode kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Perspektiven nicht so glänzend sind, wie der kurzzeitige Ritt auf der rosaroten Wolke durch Deutschland im letzten Sommer versprochen hat.

«Wir sind nicht so gut, wie wir damals gemacht wurden, aber auch nicht so schlecht, wie wir im Moment dargestellt werden», hat Assistenztrainer Giorgio Contini jüngst gesagt. Dass Michel Aebischer kein Jamal Musiala ist und Kwadwo Duah nicht in den Spuren von Vinicius Junior wandelt, ist mittlerweile allen klar.

Unabhängig davon, wie sich die diversen Baustellen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln: Einer hat sich bereits aus der Verantwortung genommen. Fast zweieinhalb Jahre vor Dienstschluss hat Pierluigi Tami auf Ende 2026 seinen Rücktritt angekündigt.

Dass vom Tessiner Gartensitzplatz aus noch entscheidende Impulse kommen, ist nicht anzunehmen.

Aber es bleibt immer noch die Hoffnung, dass uns die aufstrebenden Frauen bei der Heim-EM ein neues Sommermärchen schenken.

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