Im Normalfall herrscht um diese Jahreszeit im Schweizer Fussball Vollbetrieb. Rund 8000 (!) Partien würden schweizweit an einem Wochenende ausgetragen. Die Fussballplätze der rund 1400 Klubs wären voller Leben: Es würde gejubelt, geflucht, Bier gezapft und Bratwürste gebraten.
Das gilt nicht für diesen Frühling. Es ist gespenstisch ruhig auf den Fussballplätzen – egal ob im Wallis, im Tessin, in Zürich oder in Graubünden. Das Leben steht still. Die Sportplätze sind geschlossen, die Tore verschlossen, der Ball- und Materialkasten zugesperrt. Die rund 300 '000 lizenzierten Fussballerinnen und Fussballer dürfen weder spielen noch trainieren. Nur der Platzwart darf für ein paar Stunden in der Woche auf den Rasen, um seine Runden zu drehen, sonst ist er gesperrt.
In Deutschland warnen Sportökonomen vor einem Vereinssterben. Die Experten gehen davon aus, dass zehn Prozent der Fussballvereine existentielle Probleme haben würden. Wie sehen die Prognosen bei uns aus? Kreist der Pleitegeier auch hier über die Plätze der Amateurklubs? Stephan Werthmüller, diplomierter Betriebswirtschafter, Szenenkenner und ehemaliger Finanzchef des FC Basel, sagt: «Zehn Prozent ist zu viel. Aber es wird Klubs geben, die in finanzielle Nöte geraten.» Für Klubs aus der 1. und 2. Liga dürfte das Risiko am grössten sein, so Werthmüller, «Klubs, die ihre Fussballer bezahlen und finanziell von einem oder zwei grossen Sponsoren abhängig sind, sind krisenanfälliger.»
Die Ausgaben bleiben. Ab sofort fehlen aber die Einnahmen aus den Spieltagen – wie Eintrittsgelder und der Umsatz am Grill und am Bier-Stand.
Obwohl der Fussball in dieser Krisenzeit Nebensache ist, machen sich alle Klubverantwortlichen Gedanken, wie sie ihren Klub durch die Krise bringen. Eine Möglichkeit zur Bekämpfung des finanziellen Engpasses ist die Einführung von Kurzarbeit, wie es viele Profiklubs tun. Werthmüller: «Rechtlich legitim, ganz unabhängig davon, wie viel man den Spielern bezahlt.»
Es gibt einen Vereinstypen, der gegen die Krise quasi immun zu sein scheint: Der Klub, der fast ausschliesslich ehrenamtlich organisiert ist, über viele kleinere Sponsoren und Gönner verfügt, den Spielern keinen Lohn bezahlt und für die Partien keinen Eintritt verlangt. «Vereine, die gut vernetzt sind und einen aktiven Vorstand haben, dürften grosse Vorteile haben», meint Werthmüller.
Ein grosses soziales Netzwerk und solidarische Klubmitglieder sind die besten Puffer gegen die Krise. Und das scheint bei den Klubs, welche SonntagsBlick kontaktiert hat, zu funktionieren. Noch hat kein einziges Klubmitglied hat darum gebeten, seinen Mitgliederbeitrag anzupassen, da Trainings und Spiele ausfallen. Eher das Gegenteil scheint der Fall. Werthmüller: «Es entsteht bei einigen Klubs eine Solidarität, die man so nicht gesehen hat. Da öffnen plötzlich Pensionierte, die früher einmal für den Klub gespielt haben, das Portemonnaie und spenden in diesen schwierigen Zeiten 1000 Franken.»
SonntagsBlick hat sich beim FC Küsnacht von der Zürcher Goldküste, beim ambitionierten Zweitligisten Mendrisio im Tessin, beim FC Edo aus dem Berner Simmental, beim FC Thusis/Cazis in Graubünden und beim FC Naters im Wallis umgehört.
«Wir sind zum Glück breit abgestützt!»
FC Küsnacht (4. Liga) an der Zürcher Goldküste
Diese leeren Anlagen und die verschlossenen Tore täten extrem weh, sagt Thomas Frei, Präsident des FC Küsnacht. «Ein aktives Klubleben ist so natürlich schwierig.» Das Leitmotiv des Vereins am rechten Zürichseeufer heisst: «FCK, wir begeistern!» Doch wie will der Klub begeistern, wenn den 865 Mitgliederinnen und Mitgliedern (darunter 568 Juniorinnen und Junioren) der soziale Kontakt untersagt ist?
«Wir haben ein digitales Projekt ins Leben gerufen», sagt Frei. Klub-Mitglieder sollen Ideen und Vorschläge einschicken, wie sie und ihre Familien sich im Haus, auf dem Balkon oder im Garten die Zeit vertreiben kann. Am liebsten in Form von kurzen Videos. Damit die ganze Familie mitmacht, kann der Inhalt sportlicher, kulinarischer, kultureller oder spielerischer Natur sein – sollte aber immer einen Bezug zum FCK haben.
Die gesellschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise sind gravierend. Doch wie sehen die wirtschaftlichen aus? Frei: «Wir sind ein gesunder Verein und dank der vielen Gönner und einer Handvoll Sponsoren breit abgestützt.»
Sponsoren und Gönner machen beim FCK rund 21 Prozent der Einnahmen aus. 43 Prozent sind Mitgliederbeiträge. Der drittgrösste Posten sind Anlässe, die der Klub organisiert oder an denen er sich beteiligt. Hier sind das jährlich stattfindende «Schülerturnier» und das klubinterne Sponsorenturnier wichtig. Das Sponsorenturnier musste bereits verschoben werden. Ob das «Schüeli» dieses Jahr ausgetragen werden kann, ist noch nicht klar.
Noch habe kein einziges Mitglied nach einer Reduzierung des Jahresbeitrags angefragt. «In Härtefällen würden wir sicher entgegenkommen, denn das kann auch in unserer Region passieren», so Frei. Er und seine Vorstandskollegen haben bereits Ideen, wie sie sich für die Solidarität der Mitglieder revanchieren können.
Für Staff und Spieler schon Kurzarbeit angefordert
FC Naters (1. Liga) im Wallis
Platz 2 in der 1. Liga Gruppe 1. Dem FC Naters läufts hervorragend, bevor das Coronavirus alles lahm legt. Sportchef im Oberwallis ist Jean-Paul Brigger (62). «Die Spieler der 1. Mannschaft haben ein Trainingsprogramm für zuhause bekommen. Alle anderen Klubmitglieder sollen sich fithalten, damit sie gesund bleiben. Jetzt ist Solidarität gefragt. Nun heissts abwarten und Tee trinken», sagt der ehemalige Nati-Star.
Ganz so einfach ist die Corona-Krise dann auch im Wallis nicht zu bewältigen. Naters-Präsident Hans Ritz: «Sie ist für uns eine grosse Herausforderung.» Der FC Naters mit seinen 23 Teams ist eigentlich so eine Art zwei Klubs in einem. Einerseits ein Amateurverein wie jeder andere: Junioren-, Aktive- und Seniorenabteilung. Andererseits die 1. Mannschaft mit ihren professionellen Strukturen, mit bezahlten Spielern, mit dem langjährigen FCB-Assistenztrainer Marco Walker als Trainer, Brigger als Sportchef.
Im Amateursektor befürchtet der Präsident wenig finanzielle Folgen, dafür ist der FC Naters zu stark in der Region eingebettet. Der Sponsorenlauf musste bisher verschoben werden, mehr nicht.
Bei den professionellen Erstligisten mit Aufstiegsambitionen, die mit dem FC Thun und dem FC Sion Partnerverträge eingegangen sind, sieht es anders aus. Sportlich ist es ärgerlich. Ritz: «Wir waren auf bestem Weg unser grosses Ziel die Aufstiegsspiele zu erreichen.»
Wirtschaftlich wirds problematisch. Ritz: «Wir haben für die Spieler und den Staff Kurzarbeit angemeldet. Zudem versuchen wir, mit den Sponsoren einen Konsens zu finden. Für unseren Spitzenfussball wird es nicht einfach, die Corona-Krise zu überstehen.»
Geld von Fasnacht fehlt bereits
FC Edo Simme (3. Liga) in Erlenbach im Simmental
Die 1. Mannschaft des FC Edo Simme spielt in der 3. Liga im Berner Oberland. 115 Junioren und Juniorinnen und 75 Aktive trainieren im Normalfall auf einem Kunst- und einem Naturrasen. Doch seit Wochen ist auch im Simmental nichts mehr normal, die Fussballplätze werden nicht benutzt.
«Das tut im Herzen weh», sagt Präsident Patrick Klossner, «aber es ist die einzig richtige Entscheidung in dieser verrückten Zeit. Die Gesundheit der Menschen hat immer Vorrang.» Der Klub spürt bereits erste finanzielle Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. Durch den Wegfall der Einnahmen aus dem Klubhaus und der Absage der Diemtigtaler Fasnacht im März würden bereits erste budgetierte Einnahmen in der Klubkasse fehlen, so Klossner. «Wir hätten an der Fasnacht wie jedes Jahr eine Bar geführt.»
Er persönlich geht davon aus, dass die Meisterschaften im Amateur- und Juniorenfussball nicht mehr fertig gespielt werden können oder zumindest nicht im geplanten Modus. Er rechnet damit, dass weitere Einnahmequellen ausbleiben.
«Das würde weitere Herausforderungen mit sich bringen», so Klossner, «deshalb müssen wir versuchen, unsere Ausgaben wo möglich und sinnvoll zu minimieren.» Es sei die Pflicht des Vorstandes für Trainer, Funktionäre, Sponsoren und Mitglieder eine faire Lösung zu finden. Auch über alternative Anlässe/Einnahmequellen macht er sich bereits Gedanken. «Wir hoffen, spätestens auf die neue Saison den Betrieb wieder normal aufnehmen zu können.»
Muss man Spieler verabschieden?
FC Mendrisio (2. Liga inter) im Tessin
Der FC Mendrisio hatte ambitionierte Ziele für diese Saison. «Wir wollten die Meisterschaft gewinnen und wieder in die erste Liga aufsteigen», sagt Sebastiano Pellegrini, der Präsident des interregionalen Zweitligisten. So hat man auch die Mannschaft zusammengestellt, qualitativ hochwertige Spieler und den Staff von Bellinzona geholt. Sie alle werden entsprechend entlöhnt. Spielen und trainieren tun sie derzeit nicht.
«Wir haben Kosten, mit denen wir auch in dieser besonderen Situation konfrontiert sind», sagt Pellegrini, «das grösste Problem ist die Unsicherheit, wie lange dieser Zustand noch andauert.»
Die Einnahmen aus den Spieltagen (Eintritt: 12 Franken plus Catering) fallen schon jetzt weg. Zudem ist nicht garantiert, dass die rund 20 Sponsoren weiterhin ihren Zahlungen nachkommen wollen oder können. Sie machen 50 Prozent des Etats aus.
Pellegrini: «Wir hoffen natürlich, dass wir immer noch auf alle unsere Sponsoren zählen können. Aber im Tessin steht derzeit die gesamte Wirtschaft still. Dies könnte kurz- und mittelfristig zu finanziellen Problemen führen.»
Glücklicherweise sind da noch viele kleinere Gönner, «Freunde des Klubs» genannt. «Das läuft auf der kollegialen Schiene, hier in Mendrisio kennt man sich», sagt Pellegrini. Man w erde auf Probleme treffen, die es zu lösen gilt, sagt er. Dennoch ist Pellegrini überzeugt: «Die Kontinuität des Klubs ist garantiert. Auch dank der Nachwuchsabteilung. Im schlimmsten Fall müssen wir einige Spieler verabschieden und mit Nachwuchsfussballern weiter spielen und etwas Neues aufbauen.» Dann dürfte man in Mendrisio für längere Zeit keinen Erstliga-Fussball mehr sehen.
Einen kleinen Seitenhieb in Richtung Fussballverband kann sich Pellegrini am Schluss nicht verkneifen. Er meint: «Die Meisterschaft hätte noch früher unterbrochen werden müssen. Ich glaube, dass die Situation am Anfang unterschätzt wurde. Wir haben einige Spieler und viele Trainer im Tessin, die aus Italien kommen und sofort blockiert waren.»
«Ich vermisse eine Wurst, zwei Bier und drei Punkte!»
FC Thusis/Cazis (3. Liga) in der Region Viamala Graubünden
Der Klub habe immer leichte finanzielle Probleme, sagt Präsident Christian Danuser und schmunzelt, «ein positiver Jahresabschluss ist für uns immer eine grosse Herausforderung. Dafür brauchen wir die Corona-Krise nicht.»
Der Klub spielt in der 3. Liga und zählt rund 320 Mitgliederinnen und Mitglieder. Trotz Spiel- und Trainingspause werden die Trainer voraussichtlich weiterhin ihre Pauschalen erhalten, «sie arbeiten ja eh alle quasi ehrenamtlich.»
Am meisten vermisse er die Geselligkeit auf dem Fussballplatz, sagt Danuser, «eine Wurst, zwei Bier und drei Punkte nach den Spielen.» Die Matchbesuche sind mehrheitlich gratis. Die Spieler verdienen nichts. Mit ein Grund, weshalb sich der Präsident nicht mehr Sorgen um seinen Verein macht als üblich.
Der Hauptgrund sei aber die Solidarität im Tal, sagt Danuser, «es gibt keinen Sponsor, der seinen Betrag zurück will, weil kein Zuschauer seine Werbung hinter dem Tor anschaut. Und bisher hat kein Klubmitglied seinen Beitrag zurückgefordert, weil es nicht trainieren kann. Dafür bin ich sehr dankbar.»
Die Mitgliederbeiträge machen einen grossen Posten aus. Die rund 120 Aktiven bezahlen einen Jahresbeitrag von maximal 495 Franken. Mit allgemeinnütziger Vereinsarbeit kann der Beitrag auf 350 Franken gesenkt werden. «Bei uns arbeiten alle mit», sagt Danuser.
- Spiel- und Trainingsbetrieb wären ab dem 1. Mai 2020 erlaubt.
Die Meisterschaft kann mit Einschränkungen durchgeführt werden. Die ausgefallenen Spiele würden nachgeholt. Mit Ausnahme der Spiele der Juniorinnen und Junioren. Da würden nur noch die verbleibenden Spiele gespielt. Die Cuprunden würden gemäss Rundenplan ausgetragen. - Spiel- und Trainingsbetrieb wären ab Mitte/Ende Mai oder ab Anfang Juni erlaubt.
Die Meisterschaft könnte nicht mehr durchgeführt werden. Alle noch angesetzten/vorhandenen Partien sollen/können als Trainingsspiele ausgetragen werden, sofern die Klubs überhaupt noch Spiele austragen möchten. Es gäbe keine Aufsteiger, keine Absteiger. Die Cupspiele würden mit neuen Spieldaten durchgeführt. Turniere (z. B. Grümpel-/Vereinsturniere) könnten durchgeführt werden. - Spiel- und Trainingsbetrieb wären auch im Juni nicht erlaubt.
Dann könnten keine Meisterschaftsspiele, keine Cupspiele und keine Turniere mehr durchgeführt werden.
Der Start der Saison 2020/21 ist wie üblich für August geplant.
- Spiel- und Trainingsbetrieb wären ab dem 1. Mai 2020 erlaubt.
Die Meisterschaft kann mit Einschränkungen durchgeführt werden. Die ausgefallenen Spiele würden nachgeholt. Mit Ausnahme der Spiele der Juniorinnen und Junioren. Da würden nur noch die verbleibenden Spiele gespielt. Die Cuprunden würden gemäss Rundenplan ausgetragen. - Spiel- und Trainingsbetrieb wären ab Mitte/Ende Mai oder ab Anfang Juni erlaubt.
Die Meisterschaft könnte nicht mehr durchgeführt werden. Alle noch angesetzten/vorhandenen Partien sollen/können als Trainingsspiele ausgetragen werden, sofern die Klubs überhaupt noch Spiele austragen möchten. Es gäbe keine Aufsteiger, keine Absteiger. Die Cupspiele würden mit neuen Spieldaten durchgeführt. Turniere (z. B. Grümpel-/Vereinsturniere) könnten durchgeführt werden. - Spiel- und Trainingsbetrieb wären auch im Juni nicht erlaubt.
Dann könnten keine Meisterschaftsspiele, keine Cupspiele und keine Turniere mehr durchgeführt werden.
Der Start der Saison 2020/21 ist wie üblich für August geplant.