15 Minuten für ewigen Ruhm
Der Torhüter, der im Nebel vergessen wurde

Die Goalies sind am Ende immer die Dummen? Dieser Satz stimmt nicht. Es ist ganz genau umgekehrt. Ansichten eines Ex-Goalies.
Publiziert: 05.11.2024 um 15:44 Uhr
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Sam Bartram, Goalie von Charlton Athletic, verharrte 15 Minuten im Nebel, obwohl das Spiel längst abgebrochen wurde.
Foto: zVg

Auf einen Blick

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Patrick MäderAutor Blick Sport

Der Dicke, der Dumme oder einfach der Unbegabteste soll ins Tor stehen. So wurde es früher bestimmt, als man als Teenager in der Freizeit noch auf den Tschuttiplatz ging und nicht am Handy hing.

Daran musste ich oft denken, als ich bei den C-Junioren notfalls mal ins Tor stehen musste und man mich da nicht mehr herausliess. Der linke Flügel und der Torhüter, die Verlachten, die Lölis, die ärmsten Kerle auf dem Platz. Aber gemach, selbstverständlich ist es ganz und gar umgekehrt. Goalies sind ganz besondere Menschen, mit ganz besonderen Talenten und ganz besonderen Geschichten.

Julio Iglesias stand bei der Juniorenmannschaft von Real Madrid zwischen den Pfosten. Er galt als sehr talentiert. Doch ein Verkehrsunfall beendete seine Ambitionen. Danach – man weiss es – wurde er ein gefeierter Schnulzensänger, der seine Lieder in 14 Sprachen vorträgt.

Albert Camus war Torhüter bei Racing Universitaire d'Alger bis er an Tuberkulose erkrankte. Danach machte er als Philosoph und Autor eine Weltkarriere, bekam 1957 den Nobelpreis für Literatur.

HSV-Legende Rudi Kargus wurde ein respektierter Maler. Eduardo Chillida, ein einst von fast allen Top-Klubs umworbener Torhüter von Real Sociedad, wurde einer der grössten abstrakten Bildhauer des 20. Jahrhunderts…

Ich könnte noch mehr Beispiele aufzählen, doch dann würde meine Lieblings-Torhütergeschichte untergehen. Sie handelt von Sam Bartram, dem Schlussmann von Charlton Athletic. 1937 im Spiel gegen Chelsea unterbrach der Schiedsrichter die Partie wegen Nebels.

Nachdem das Spiel weitergegangen war, hatte Bartram plötzlich nichts mehr zu tun. Er glaubte, der Ball sei nur in der Platzhälfte des Gegners, wohin er wegen des Nebels nicht sehen konnte. Er lauerte, stets bereit, einzugreifen, falls Chelsea sich doch mal befreien und einen Konter lancieren sollte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte endlich ein Schatten auf und kam aus dem Dickicht auf Bartram zu. Doch war es kein Spieler. Es war ein Ordnungshüter, der den Torhüter fragte, was er denn noch hier mache. Das Spiel sei seit einer Viertelstunde beendet und alle ausser ihm schon in der Kabine.

Eine Bronzestatue vor dem Stadion von Charlton im Südosten von London ehrt und erinnert an Sam Bartram, der bis 42 im Tor stand und 623 Partien für Charlton bestritt, bevor er Manager wurde.

Diese amüsante Geschichte rufe ich mir an grauen Herbsttagen gern in Erinnerung, wenn sich in der Nebelsuppe der Trübsinn breitmachen will. Sie heitert mich auf und bringt mich stets von neuem zum Schmunzeln.

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