Steffi Buchli zu Frauen im Sportjournalismus
«Wir sind gekommen, um zu bleiben»

Auf die Frauen im Sportjournalismus hat niemand gewartet. Wir haben noch viel zu tun, schreibt Steffi Buchli, Chefredaktorin Sport.
Publiziert: 09.05.2021 um 15:38 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2021 um 16:04 Uhr
Steffi Buchli

Frauen im Sportjournalismus. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Obschon sich letzte Woche eine – zumindest partiell – verabschiedet hat. Michèle Schönbächler mag nicht mehr Ski kommentieren. Zu exponiert fühlte sie sich wohl als die Stimme des Schweizer Volkssports. Zu viel musste sie einstecken, zu hart war die Tour.

Ist dies eine Niederlage für die Frauen in der Branche, die seit Jahren hart arbeiten, um akzeptiert zu werden? Nein. Der Rückzug Schönbächlers – ob er freiwillig war oder nicht – zeigt vielmehr, dass es immer noch eine ziemlich harte Schale braucht, um diese Kombination aus Rampenlicht und Gegenwind zu überstehen.

Du bist hässlich. Du verstehst nichts von Fussball. Wir brauchen dich nicht. Solche Rückmeldungen haben mich früher «getüpft» und manchmal verunsichert. Sie haben mich aber auch angespornt und mich indirekt stark gemacht. Ich habe heute noch jederzeit den unsichtbaren Teflonmantel griffbereit, den ich überstreifen kann, wenns mal unsachlich und knüppeldick kommt. Dann kann mir niemand etwas anhaben. Beleidigungen perlen dann einfach ab.

Ich bin seit 20 Jahren der Sonderfall

Auf die Frauen im Sportjournalismus hat niemand gewartet. Statt herzlich willkommen ist man eher Störfaktor und Eindringling in eine Welt, die einst nur den Männern gehörte. Hier war man unter sich. Mann konnte fachsimpeln. Die Frauen waren höchstens als Bier-Lieferantinnen, Cheerleader oder Nummerngirl mit von der Partie. Die Rollen waren klar verteilt.

Irgendwann nahm das Übel seinen Lauf – dokumentiert ist die Premiere nirgendwo wirklich – und die erste Frau wurde zur Sport-Berichterstatterin. Seither zeigt man mit dem Finger auf uns. Ich bin seit nunmehr 20 Jahren der Sonderfall. «Wie ist es als Frau in der Männerdomäne Sport?» Ach, bin ich es müde, diese Frage zu beantworten. Dass man Ellbogen, Biss und Durchhaltewillen braucht, das ist nur die halbe Geschichte.

Die andere Hälfte geht so: Ich habe spannende Aufträge aus nur einem Grund erhalten: Weil ich eine Frau war. Doppelmoderationen zum Beispiel, die man immer gerne Männlein–Weiblein besetzt. Ich habe Antworten gekriegt, wo ein Mann einen Korb bekommen hätte, weil ich als Frau eine Extra-Portion Charme in die Waagschale habe legen können. Ich habe als öffentliche Person medial mehr Präsenz bekommen als meine männlichen Kollegen, weil es halt eben spannender war, mit dem Sonderfall zu reden. Ich habe also auch doll profitiert.

«Sie machen es gut – also für eine Frau!»

Ich persönlich freue mich auf den Moment, wenn uns niemand mehr speziell Beachtung schenkt und keiner mehr die Frauen im Presseraum zählt. Dann haben wir es geschafft, dann geht es erst richtig los. Dann zeigen wir, was wir draufhaben. Ohne Malus, aber eben auch ohne Bonus. Gleichstellung in aller Konsequenz.

An dieser Stelle erinnere ich mich gern mal wieder an die wohl vielsagendste Zuschauer-Rückmeldung aller Zeiten: «Sie machen es gut – also für eine Frau!» Dabei knuffte mich der nette Herr fast schon väterlich in die Seite. Für ihn war das ein sehr ehrlich gemeintes Kompliment. Wir haben noch viel zu tun! Wir machen am besten einfach weiter, bis auch der Hinterletzte sich an uns gewöhnt hat.

Steffi Buchli (42) ist mit allen Wassern gewaschen. Sie ist die erste weibliche Sport-Chefredaktorin einer Schweizer Zeitung (Blick-Gruppe), sie war zuvor Programmchefin des privaten TV-Senders MySports und über zehn Jahre lang TV-Moderatorin beim Schweizer Fernsehen.


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