Vor 10 Jahren starb Clay Regazzoni (†67)
Ein Mann wie ein Erdbeben

SRF 1 zeigte am Mittwoch-Abend einen Dokumentarfilm über den Rennfahrer Clay Regazzoni. Roger Benoit erinnert sich an den Tessiner.
Publiziert: 14.12.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:07 Uhr
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Clays Lieblingssatz auf Deutsch: «Die Tessiner sind lustig.»
Foto: Bruno Voser
Roger Benoit

«Leben am Limit!», so hiess der Dokumentarfilm über den Schweizer Rennfahrer Clay Regazzoni, den das Schweizer Fernsehen am Mittwoch-Abend ausstrahlte. Bei der Vorpremiere am 25. November im «Autobau» von Filmförderer Fredy Lienhard in Romanshorn erhielt der 52-minütige Dok mit einem Budget von kaum 200'000 Franken bereits sehr gute Kritiken. Einige verliessen den Saal unter Tränen.

Der Urner Regisseur Felice Zenoni (52, Übername «Tellensohn») versuchte trotz wiederholter Absagen aus Bern (Bundesamt für Kultur) mit grosser Leidenschaft das am Ende immer kompliziertere Leben des fünffachen GP-Siegers mit einer neutralen Brille zu betrachten.

Zenoni zu BLICK: «Es war sicher der schwierigste Dok von meinen rund zehn Filmen. Und es war eine hektische Zeit über fast ein Jahr.» Mit einem eher traurigen Ende. Die für Lugano am 1. Dezember geplante Premiere liess die Familie Regazzoni um Ehefrau Maria-Pia platzen, weil der Film eine zweiminütige Szene mit Maddalena Mantegazzi zeigte.

Also jener Frau, die Clay die letzten 20 Jahre vor dem Tod in Menton begleitet hatte! Und Zenoni weigerte sich natürlich, die Szene rauszuschneiden!

Regazzonis grösster Kumpel Aldo sagte einmal: «Clay hätte lieber ein Testament gemacht. Doch er hat geglaubt, dass er ewig leben würde!»

Am 15. Dezember 2006 war der Tessiner Rennfahrer, der Vize-Weltmeister von 1974, auf einer Autobahn bei Parma mit nicht einmal 100 km/h tödlich verunglückt. Also fast im Stillstand. Denn Clay hatte früher auf seinen schnellen Privatautos einen Kleber mit «Tempo 300» …

«Die Schweiz hat mich vergessen, die Formel 1 auch», klagte er wenige Monate vor seinem Tod gegenüber BLICK. Clay, der Unzerstörbare, war in Menton hoch über dem Mittelmeer den Tränen nahe.

Bei der Beerdigung in Lugano ehrte dann selbst sein kritischer Gegenspieler Jackie Stewart (77) den Schweizer: «Er war ein Grosser und hat nur für seinen Sport gelebt. Aber er raste auf der Piste immer hart im Grenzbereich herum!» 1970, beim ersten GP-Auftauchen des Ferrari-Piloten, sagte der Weltmeister zu seinen Fahrerkollegen: «Ein Verrückter ist unter uns!»

Clay Regazzoni – ein Mann wie ein Erdbeben. Ein Typ, der erst mit 31 Jahren die Formel 1 aufmischte (wie jetzt Max Verstappen mit 19). Der Spätzünder begann also seine WM-Karriere in jenem Alter, in dem Nico Rosberg bereits den Helm an den Nagel hängte!

BLICK hat mit Regazzoni alles erlebt. Die drei Wochen im US-Spital – nach dem Unfall 1980 von Long Beach. Später flogen wir in der Concorde im Überschalltempo von Paris nach Washington für drei Wochen in die Georgetown University zu Professor Kao. Der konnte ihm aber nicht mehr gross weiterhelfen.

Clays Lähmung (und das ­verletzte Rückenmark) waren längst zu einem bösen Krieg der Ärzte geworden. In Washington zeigte mir Clay, dass er mit Beinschienen am Stock laufen konnte. «Mach ein Foto – und behalt es für dich!»

Im September 1979 schenkte ihm sein Williams-Team in Monza zum 40. Geburtstag einen Rollstuhl mit breiten Gummiwalzen! Was für ein makabres Andenken. Sieben Monate später sass Clay tatsächlich in einem Rollstuhl – und sieben Jahre später auch Teamchef Sir Frank Williams.

Bei jenem Rennen wurde Clay übrigens hinter dem Ferrari-Duo Scheckter und Villeneuve mit vier Sekunden Rückstand Dritter! Kurz zuvor hatte der Schweizer in Silverstone Williams den Premieren-Sieg in der Formel 1 geschenkt – heute sind die Briten bei 114 Grand-Prix-Erfolgen.

Ich werde mir den Dok-Film nicht anschauen. Ich will lieber warten, bis wir uns irgendwann wieder mal begegnen. Zu stundenlangen Backgammon-Schlachten wie früher in Argentinien oder Südafrika.

Ciao Clay!

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