Vettel über Red Bull, Ferrari und die Pauschalsteuer
«Habe keine Pläne, die Schweiz zu verlassen»

Die Lust, 2014 lieber den Kinderwagen zu schieben, war oft grösser, als sich in den Red Bull zu setzen. Eine Saison voller Enttäuschungen! Der WM-Fünfte Sebastian Vettel (27) blickt zurück – und in die rote Zukunft.
Publiziert: 30.11.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 13:22 Uhr
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Sebastian Vettel im Gespräch mit BLICK-Formel-1-Experte Roger Benoit.
Foto: Lukas Gorys
Von Roger Benoit aus Abu Dhabi

SonntagsBlick: Bei Ferrari bleibt kein Stein auf dem andern. Seit 33 Rennen ­haben die Roten nicht mehr gewonnen. Und jetzt hofft ganz Italien wieder auf ein deutsches Wunder. Wie mit Schumacher …
Sebastian Vettel:
Ich nehme diese neue Herausforderung an, und dann sehen wir 2015 weiter.

Keine Angst, dass es sehr lange dauern könnte?
Wir haben keinen Zeitplan aufgestellt. Und ein solcher funktioniert in der Formel 1 auch sehr selten. Wichtig ist jetzt, dass ich mein Italienisch aus den Toro-Rosso-Zeiten wieder auffrische!

Aber ein Ziel haben Sie schon?
Natürlich. Nachdem Sie mir gesagt haben, dass bis jetzt neun Fahrer auf Ferrari Weltmeister wurden, will ich der zehnte Champion aus Maranello sein.

Haben Sie eigentlich schon den bei Ihnen zur Tradition gewordenen Frauennamen für Ihren Ferrari?
Nein, ich muss zuerst Land und Leute kennenlernen. Das letzte italienische Auto, das ich bei Toro Rosso hatte, hiess Giulia. Dieses Jahr habe ich trotz einigen Chassiswechseln den Namen nie geändert – Suzie. Glück hat sie mir diese Saison nie gebracht.

Vier WM-Titel in Folge. Von überall Schulterklopfer und Gratulanten, die Sie als den Grössten feierten. Das war vor einem Jahr. Jetzt sind Sie der erste Champion seit Jacques Villeneuve 1998, der im folgenden Jahr sieglos blieb.
Es ist doch ganz normal, dass sich die Fähnchen nach dem Wind drehen und du immer an den Leistungen im letzten Rennen gemessen wirst. Die Formel 1 ist einfach so schnelllebig. Das hat sich 2014 nicht geändert.

Wie schnell haben Sie gemerkt, dass es 2014 nichts wird?
Na gut, bei den Tests war es schon klar, dass wir viele Probleme haben. Und über die ersten Rennen hat sich dann die klare Dominanz von Mercedes bestätigt. Wenn man etwas gelernt hat in den Jahren, dann geduldig zu sein – auch wenn es mal nicht so gut läuft. Aber ich kam nie richtig in den Rhythmus rein, weil immer was anderes hing oder kaputt ging. Das hat sicher nicht geholfen.

Kurz, was war faul?
Rennfahren ist eine Vertrauenssache. Wenn man das Gefühl dafür hat, wie weit man gehen kann, wie spät man bremsen und wann man einlenken kann, dann kann man sich anpassen. Aber dieses Jahr war das Auto oft eine Wundertüte.

Warum?
Heute kann man viele Dinge elektronisch abstimmen. Das Auto kontrolliert also irgendwie dich – und nicht umgekehrt. Diese neue Formel 1 ist ein Fantasie-Land für Ingenieure geworden.

Was regt einen am meisten auf, wenn man realisiert, dass es nicht vorwärtsgeht? Und der Teamkollege die wenigen Schwächen von Mercedes eiskalt zu drei Siegen ausnützen kann?
Na gut, zu den Siegen von Ricciardo: Zwei von diesen drei Rennen hätten ganz anders aussehen können, wenn gewisse Dinge etwas anders gelaufen wären. Doch so ist es eben manchmal. Das einzige Rennen, das ich von diesen drei nicht hätte selbst gewinnen können, war Spa, weil ich nicht schnell genug war.

Und die andern zwei?
Wenn ich in Kanada eine Runde später an die Boxen fahre, dann komme ich vor Ricciardo wieder raus. Das Team hatte sicher nicht vor, mich zu benachteiligen. Aber so war es. Dann bekam Pérez Probleme mit den Bremsen und Rosberg mit dem Motor oder so … und schon war der Weg frei. Und wenn in Ungarn der Safety Car anders rausfährt, sieht das Resultat eben auch anders aus. Aber so läuft es eben manchmal.

Bimmelten in solchen Frustmomenten heimlich im Herzen schon mal die Transferglocken für 2015? Oder war der Rücktritt wirklich ein Thema?
Leider wurde beim Thema Rücktritt ein Satz aus dem Zusammenhang gerissen und eben überspitzt vermittelt. Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass ich über andere Teams nachdenke oder Leute an mich herangetreten sind. Und jetzt hat eben der Zeitpunkt gepasst. Dass ich eine Klausel im Vertrag hatte, kam mir natürlich entgegen. Sonst hätte ich den Vertrag bei Red Bull erfüllt.

Wann wurde das Thema Ferrari konkret?
Mitte des Jahres. Nochmals, es war keine Entscheidung gegen Red Bull, sondern für eine neue Herausforderung. In mir drin ist die Stimme gewachsen, etwas Neues zu suchen. Und mit Ferrari geht jetzt sicher ein Kindheitstraum in Erfüllung. Wir hatten übrigens schon 2006 die ersten losen Kontakte!

Die Unterschrift?
Das genaue Datum weiss ich nicht mehr. Irgendwann in diesem September.

Daniel Ricciardo, der Dauerlacher vom Dienst: Was sind seine Stärken? Was war 2014 mit ihm anders als früher mit Mark Webber?
Zuerst einmal ist Daniel eine andere Generation. Allein vom Alter her. Dass ich mit Mark nie das beste Verhältnis hatte, ist bekannt. Aber wir versuchten mit Respekt, alles fürs Team herauszuholen. Daniel kenne ich schon viele Jahre. Kein Problem. Ihm liegt eben diese neue Formel 1. Dass er in den Punkten vor mir liegt, stinkt mir natürlich, ist aber kein Grund, ihn zu hassen.

Kommen wir zu drei historischen Daten 2014. Am 12. Januar ­wurden Sie erstmals Vater. Hat das auf Ihre Leistung oder Einstellung in der Formel 1 irgendeinen Einfluss gehabt?
Wenn, dann nur positiv. Ich nehme mal an, dass jeder Vater stolz auf seinen Nachwuchs ist.

Aber im Auto denkt man sicher mal an die Tochter und verflucht den Sport, wenn man auf den hinteren Rängen herumgurken muss.
Da sich dieses Jahr die Situation total veränderte und dauernd ­etwas anderes ­kaputt gegangen ist, war schwer zu akzeptieren. Da flucht man schon mal im Helm! Das kann es doch nicht sein. Solche Reaktionen sind doch sehr menschlich.

Am 13. November haben Sie bei der Bambi-Verleihung die Laudatio für Ihr Vorbild und Ihren Freund Michael Schumacher ­gehalten. Sie kämpften mit den Tränen. Hatten Sie nie Angst, dass Sie nicht mehr weiterreden können oder den Text vergessen?
Ich war ziemlich fertig. Es war ja nicht so, dass ich vorher den Text nicht geübt hätte. Aber es hat mich viel mehr mitgenommen, als ich ­gedacht hätte! Man gibt ja ständig Interviews und redet vor vielen Leuten auf grossen Bühnen. Aber es war doch sehr berührend, in dem Sinn über meinen Freund Michael zu sprechen. Auch im Wissen, dass er in diesem Moment einen grossen Kampf vor sich hat und nicht gleich vor dir steht, um den Preis entgegenzunehmen. Man kann sich bei Michael vieles gar nicht vorstellen. Man weiss es ja nicht.

Und dann war Ihre grossartige Rede, die alle gefesselt hat, ­fertig. Ohne Stolperei oder so. Für mich war dieser Auftritt Ihr Grand-Prix-Sieg 2014 …
Gott sei Dank habe ich den Text ja oft genug geübt. Im Auto, im Flieger oder vor dem Schlafengehen. Man hat mir ja angeboten, dass ich den Text vom Teleprompter ablesen kann. Da sagte ich Nein. Dazu bin ich zu ehrgeizig.

Das dritte grosse Datum in ­diesem Jahr war für Sie vielleicht der 21. September, an dem Sie in Singapur den einzigen zweiten Platz herausfuhren.
Singapur war eines der wenigen Wochenenden, bei dem fast alles ­gestimmt hat. Im Qualifying hätte ich auch auf der Pole-Position ­stehen können. Ein kleiner Patzer – und schon war sie weg. Das hat mich ­geärgert. Im Rennen war dann nicht mehr möglich als der zweite Platz, den wir dann irgendwie geerbt haben. Denn Rosberg konnte wegen seinen Problemen mit dem Lenkrad ja gar nicht losfahren!

Werden wir doch kurz mal privat: Haben Sie eigentlich schon geheiratet?
Sie wissen ja, dass ich nicht gerne über Privates rede. Und jetzt habe ich mich mal mit Ferrari in Maranello verheiratet!

Die Schweiz als Traumland und Steuerparadies. An diesem ­Wochenende wird über die ­Abschaffung der Pauschalbesteuerung abgestimmt. ­Würden Sie bei einer Annahme der Initiative trotzdem hier bleiben?
Haben Sie das den Kimi Räikkönen auch gefragt? Was hat denn er ­gesagt?

Noch sind Sie mein Gesprächspartner, oder?
Nun, ich bin ja schon länger in der Schweiz. Seit 2006. Damals habe ich noch nicht gerade viel Geld verdient. Und die Hauptmotivation war, in der Nähe des Teams zu sein. In der Nähe von Hinwil, bei BMW-Sauber. Mit diesem Auto holte ich ja gleich im einzigen Rennen in Indianapolis als Kubica-Ersatz ­einen WM-Punkt.

Nochmals konkret: Bleiben Sie in der Schweiz?
Seit ich hier bin, habe ich es sehr zu schätzen gelernt, dass die Leute sehr angenehm mit einem umgehen. Natürlich wird man erkannt, aber die Leute lassen mich so sein, wie ich bin. Sie geben mir den Freiraum, den ich mir wünsche, wenn ich mein Privatleben lebe.

Egal wie die Abstimmung ausgeht: Wird Sebastian Vettel als Wahl-Schweizer den WM-­Titel bei Ferrari jagen?
Im Moment habe ich keine andern Pläne. Ich habe mich ja erst vor kurzem mit diesem Thema ­beschäftigt – und bin natürlich auf das Resultat der Abstimmung gespannt.

Stellen Sie doch zum Schluss für die SonntagsBlick-LeserInnen ein typisches Schweizer Menü zusammen.
Da müssen wir mit dem Dessert beginnen. Ich liebe eure Rüebli-Torten! Egal zu welcher Tageszeit. Als Hauptspeise muss es Zürcher Geschnetzeltes mit Röschti sein. Und als Vorspeise: Bündnerfleisch oder besser noch Nüsslisalat mit Speck und Ei.

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Vettel und die 9 Ferrari-Weltmeister

Blick.ch: Na dann zählen Sie uns doch bitte mal die neun Ferrari-Weltmeister seit 1950 auf…
Sebastian Vettel:
Eine schwierige Frage. Da beginne ich am besten von hinten. Also Schumacher war der letzte, davor Scheckter…

Sorry für die Unterbrechung, da fehlt ja schon der letzte Ferrari-Weltmeister von 2007!
Ach ja, den Räikkönen habe ich vergessen. Dann Lauda, lassen Sie mich überlegen. Da fang ich eben vom andern Ende an, Ascari,  Farina, war der auch Ferrari?

Nein…
Ascari, Fangio, Surtees, Phil Hill, der Amerikaner. Brabahm war nicht, der Clark auch nicht.

Fehlt Ihnen noch einer. Er wurde wie Keke Rosberg mit nur einem Sieg Weltmeister…
Moment. Den Anfangsbuchstaben, bitte.

Nein, das Jahr. 1958. Und kurz darauf ist er im Privatwagen tödlich verunglückt…
Ach ja, ein Brite. Hawthorn, Mike Hawthorn.

(R.B.)

Blick.ch: Na dann zählen Sie uns doch bitte mal die neun Ferrari-Weltmeister seit 1950 auf…
Sebastian Vettel:
Eine schwierige Frage. Da beginne ich am besten von hinten. Also Schumacher war der letzte, davor Scheckter…

Sorry für die Unterbrechung, da fehlt ja schon der letzte Ferrari-Weltmeister von 2007!
Ach ja, den Räikkönen habe ich vergessen. Dann Lauda, lassen Sie mich überlegen. Da fang ich eben vom andern Ende an, Ascari,  Farina, war der auch Ferrari?

Nein…
Ascari, Fangio, Surtees, Phil Hill, der Amerikaner. Brabahm war nicht, der Clark auch nicht.

Fehlt Ihnen noch einer. Er wurde wie Keke Rosberg mit nur einem Sieg Weltmeister…
Moment. Den Anfangsbuchstaben, bitte.

Nein, das Jahr. 1958. Und kurz darauf ist er im Privatwagen tödlich verunglückt…
Ach ja, ein Brite. Hawthorn, Mike Hawthorn.

(R.B.)

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