Am frühen Morgen läuft Giedo van der Garde im Sauber-Overall durchs Fahrerlager – und sitzt dann im Auto von Ericsson. Als er im Sauber Platz nimmt, verlässt ein Teil des Mechanikerteams aus Protest die Garage. Erstritten hat sich der 29-Jährige die Sitzprobe vor dem Obersten Gerichtshof, der Sauber sogar mit Beschlagnahmung droht, wenn man die Arbeit des Holländers behindern sollte.
Bei Trainingsbeginn um 12.30 Uhr darf der letztjährige Sauber-Ersatzfahrer aber nicht rausfahren. Weil die nötige FIA-Superlizenz fehlt, die Sauber natürlich nicht rechtzeitig beantragt hatte. Man will ja mit den zwei anderen Vertragspartnern starten: dem Schweden Marcus Ericsson und dem Brasilianer Felipe Nasr, die je rund 20 Millionen Franken bringen.
Im ersten Training fährt keiner von Sauber. Zwei Stunden später rasen dann beide auf die Strecke, während Giedo van der Garde und CEO Monisha Kaltenborn mit den Anwälten weiter vor Gericht kämpfen.
Eine absurde Situation. Was ist da zwischen den Trainings geschehen? Bevor die zweite Zeitenjagd zu Ende ist, vertagt der Richter den Prozess wegen des Fehlverhaltens des Teams auf Samstag, 9.30 Uhr Lokalzeit. Also in die vergangene Nacht.
Wilde Gerüchte und Spekulationen jagen sich: Will Van der Garde gar nicht fahren, sondern das Team an die Wand fahren, um es mit seinem Clan dann teilweise zu übernehmen? Es ist sogar von einer Einigung die Rede. Dann hört man sogar, dass Peter Sauber (71) auf dem Weg nach Australien sei.
Bei der offiziellen Medienkonferenz wird CEO Monisha Kaltenborn dann gelöchert: Was sagen Sie zur aktuellen Lage? «Darüber kann ich nichts sagen!»
In São Paulo haben Sie noch gesagt, dass Sie alles im Griff haben. Jetzt fragt man sich, ob Sie die Stärke und Fähigkeit haben, ein Team zu führen: «Die Situation hatte einen sehr negativen Einfluss auf uns. Lange war unklar, was passiert. Man geht gegen uns als Team vor, und dagegen wehren wir uns.»
Was ist die Rolle von Peter Sauber? «Das hat alles keinen Einfluss darauf, wie das Team arbeitet. Herr Sauber bleibt der Besitzer – und wird in dieser Position weiter dabei sein.»
Haben Sie an Rücktritt gedacht? «Nein, das habe ich nicht!»
Die gelernte Juristin erlebt die dunkelsten Stunden ihrer Karriere. Man hat fast Mitleid mit ihr. Die beiden Fahrer sind einigermassen gut unterwegs. Doch bei Ericsson meldet sich plötzlich hinten links eine Rauchfahne: Aufhängung, Radlager. Monisha Kaltenborn: «Wir untersuchen den Zwischenfall.»
Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda kritisiert Kaltenborn scharf: «Diese Frau Kaltenborn hat hier offenbar nicht zum ersten Mal einen Vertrags-Fall gegen Van der Garde verloren. Das sagt doch alles über die seltsamen Methoden, die dort herrschen. Verträge müssen eingehalten werden. Alles andere ist in jedem Business dieser Welt fahrlässig, um es mal höflich auszudrücken. Das Fehlverhalten eines Teams darf nicht die ganze Formel 1 in ein schiefes Licht rücken. Wir wollten doch alle die Saison ohne Misstöne beginnen. Da habe ich mich leider getäuscht!»
Freitag, der 13. – kein Tag wie jeder andere. Alonso-Ersatzmann Magnussen zerstört den McLaren-Honda. Und die beiden Manor-Marussia-Ferrari bleiben an den Boxen. Man kann ja den Motor ohne Software (gestern im BLICK) gar nicht starten! Zudem hätte die englische Steuerbehörde einen Start sowieso verhindern wollen. Das Team hat 63 Millionen Pfund – oder 90 Millionen Franken – Schulden. Der Wahnsinn kennt keine Grenzen. Und Sauber ist leider mittendrin.