Peter Sauber, der Pionier des Schweizer Motorsports, ist im Seefeld aufgewachsen. An der Dufourstrasse. Jetzt sitzt er wieder über den Dächern Zürichs an der Dufourstrasse auf der SonntagsBlick-Redaktion. Und erzählt eine Woche vor dem Saisonstart der Formel 1 in Australien erstmals und exklusiv über die belastenden letzten Jahre. Über seinen Alltag als Rentner. Über seine Gefühlswelt. Und über seine anhaltende Faszination für die Formel 1. Diese einmalige Mischung aus Spitzensport, Hightech und Zirkus.
SonntagsBlick Peter Sauber, wo sitzen Sie am nächsten Sonntag morgens um 7 Uhr?
Peter Sauber: Irgendwo in Südafrika. Da mache ich Ferien mit meiner Frau.
Aber Sie werden sich das erste Formel-1-Rennen der neuen Saison anschauen?
Wenn es ein Fernsehgerät gibt, schaue ich. Aber wichtiger als die Bilder sind die exakten Zwischen- und Rundenzeiten. Die habe ich auf dem Handy zur gleichen Zeit, wie sie die Teamchefs an der Boxenmauer haben. Aufgrund dieser Zeiten kann ich mit meiner Erfahrung das Rennen analysieren, ohne dass ich es schaue. Ich weiss, bei wem die Reifen nachlassen. Sie sehen: Das Interesse ist ungebrochen.
Der Sauber-Rennstall startet in sein 25-Jahre-Jubiläum und Peter Sauber ist nicht dabei?
Ich war auch in der letzten Saison nie an der Rennstrecke. Weil in der letzten Saison die Situation ja so angespannt war. Da war es besser, zu Hause zu bleiben. Aber dass ich jetzt ausgerechnet in Südafrika bin, ist ein lustiger Zufall.
Warum?
Weil vor 25 Jahren in Südafrika alles angefangen hat. Da haben wir in Kyalami unser erstes Rennen bestritten. Da hat unser Formel-1-Abenteuer begonnen. Und jetzt ist Sauber 25 Jahre dabei.
Das macht auch Sie stolz?
Sauber ist das viertälteste Team. Grosse Namen sind gekommen und verschwunden. Mehr als 20 Teams haben kapituliert. Lotus, Tyrrell, aber auch Konzerne wie Toyota und BMW. Ich bin stolz darauf, dass wir ein Vierteljahrhundert geschafft haben. In einem Land, in dem es schwierig ist, Motorsport auf diesem Niveau zu betreiben.
Darum fahren Sie aus nostalgischen Gründen jetzt nach Südafrika, zurück zum Ursprung?
Nein. Das ist eher ein Zufall. Ich bin auf der ganzen Welt herumgereist. Aber ich habe nur Flughäfen, Rennstrecken und Hotels gesehen. Ich wurde immer abgeholt, war immer Passagier. Jetzt will ich etwas von den Ländern sehen. Ich sitze selber am Steuer des Mietwagens und fahre durchs Land. Und wenn wir von Nostalgie sprechen: Die Geschichte von Sauber hat ja nicht erst vor 25 Jahren begonnen.
Sondern?
Vor 50 Jahren, als ich mit meinem VW Käfer das erste Rennen gefahren bin. Im Mai wird die Firma 47 Jahre alt. Man darf die grosse Sportwagenzeit nicht vergessen. Wir haben Mercedes nach 33 Jahren Abstinenz in den Motorsport zurückgebracht. Und sind zweimal Sportwagenweltmeister geworden. Und 1989 haben wir in Le Mans einen Doppelsieg gefeiert. Wir haben für Mercedes Autos gebaut! Das wird immer wieder vergessen.
Sie haben Mercedes in den Rennsport zurück gebracht. Dann sind Sie auch Schuld an der derzeitigen Langeweile in der Formel 1?
(lacht) Also da muss man vorsichtig sein. Ferrari hat auch viele Jahre dominiert. Dann war Red Bull mit Sebastian Vettel viermal Weltmeister. Mercedes hat jetzt dreimal den Titel geholt. Aber klar, auch ich hoffe, dass die neue Saison wieder spannender wird.
Welche Rolle kann da der Sauber-Rennstall spielen?
Es sind noch zehn Teams dabei. Sauber ist die Nummer zehn und in der Boxenstrasse auf dem hintersten Platz. Das ist die Ausgangslage.
Und was ist möglich?
Ich bin ja nicht mehr dabei, ich erlaube mir keine konkrete Prognose. An wem will man vorbei? Ich weiss nicht, was für Vorstellungen man in Hinwil hat. Aber ich hoffe, dass es gelingt, das eine oder andere Team zu überholen.
Das tönt nicht gerade optimistisch.
Es gibt in der Formel 1 keine Wunder. Wenn ich die letzten Jahre nach der BMW-Ära anschaue, dann hatte Sauber 2012 die letzte richtig gute Saison. Mit vier Podestplätzen und dem sechsten WM-Rang. Danach wurde es schwierig. Wegen den fehlenden finanziellen Mitteln. Bei der Entwicklung des neuen Autos für die Saison 2017 ist die Zeit zwischen Mai und September 2016 sehr wichtig. Und damals fehlten die Mittel. Ich hoffe, dass man diesen Rückstand möglichst schnell aufholen kann und sich das Team im Laufe der Saison steigert.
Sie haben sich nach dem Verkauf Ihres Lebenswerkes im Juli 2016 an die Longbow Finance AG komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Warum?
Weil ich Zeit brauchte, die Trennung von meiner Firma zu verarbeiten. Es ist ein Prozess, loszulassen. Das geht nicht von heute auf morgen und es ist auch nicht einfach. Man erwacht immer noch nachts. Und es läuft ein Film ab, den man nicht sehen will.
Das ist eine Art Entziehungskur?
Ja, so kann man das sagen. Aber es gibt ja Leute, die noch viel mehr Mühe damit haben als ich.
Was machen Sie mit der vielen Freizeit?
Da hilft mir meine Familie, meine vier Enkel. Und ich habe Hobbys. Reisen, Golf spielen, Reiten, Skifahren, Töff fahren.
Die letzten Jahre als Besitzer von Sauber mit all den finanziellen Turbulenzen haben ja auch Kraft gekostet, oder?
(nachdenklich) Ja. Wir haben uns von Ast zu Ast gehangelt. Es war eine Gratwanderung, bei der ein Absturz immer möglich war. Das waren für das ganze Team drei sehr schwere Jahre. Und für mich eine extrem belastende Situation mit vielen unangenehmen Begegnungen und Telefonaten.
Mit schlaflosen Nächten?
Ja, die gab es. Ich bin zwar einer, der gut einschlafen kann. Aber wenn ich dann in der Nacht aufgewacht bin, dann war es vorbei mit Schlafen.
Sie waren Schweizer des Jahres. Und gelten als grosser Gentleman. Da muss ein drohender Konkurs ein Horrorszenario gewesen sein?
Natürlich. Aber es geht ja nicht nur um mich und meinen Ruf, sondern um die vielen Mitarbeiter. Ich bin in der Kategorie «Wirtschaft» Kandidat als Schweizer des Jahres gewesen. Die Wahl war dann eine Publikumswahl. Da hat natürlich mein Bekanntheitsgrad aus dem Motorsport den Ausschlag gegeben. Aber nominiert war ich als Unternehmer.
War es rückblickend ein Fehler, dass Sie 2009 das Team von BMW für sehr viel Geld wieder zurückgekauft haben?
Rein unternehmerisch und wirtschaftlich betrachtet ganz sicher. Aber ich würde es wieder tun. Ich bereue nichts. Vor allem, weil jetzt eine Lösung gefunden wurde. Für die Firma und für die vielen Mitarbeiter. Ich habe damals die Arroganz von BMW zu spüren bekommen. Die hätten den Laden dichtgemacht.
Aber Sie haben schlecht gepokert und zu viel bezahlt?
Pokern Sie einmal, wenn es um Ihren Namen und um so viele Arbeitsplätze geht!
Aber es ist schon speziell, wenn man sein Lebenswerk gleich zweimal verkauft.
Der erste Verkauf war eine Handlung aus der Stärke heraus. Da war ich 62 Jahre alt. Eigentlich zu jung um aufzuhören. Aber das Erfolgserlebnis des Verkaufs war grösser als die Entzugserscheinungen. Und ich hatte ja noch gewisse Anteile und einen Beratervertrag. Der zweite Verkauf im letzten Sommer war ein Erfolg in der Not. Ein glücklicher Abschluss in einer sehr, sehr schwierigen Zeit.
Haben Sie heute noch Kontakte nach Hinwil?
Mit einigen Mitarbeitern. Aber ich habe kein Büro mehr und bin auch nie mehr dort. Mir gehört ja dort kein Schraubenzieher mehr.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer langjährigen Weggefährtin und Teamchefin Monisha Kaltenborn?
Wir haben ganz wenig Kontakt. Da fehlt die Gelegenheit und die Zeit.
Wie ist denn insgesamt Ihr Verhältnis zur Firma, die nach wie vor Ihren Namen trägt?
Sie sagen es: Ich bin der Gründer und der Namensgeber. Und das wird bleiben. Sauber-Motorsport hat eine Geschichte, eine Tradition. Das ist auch für die neuen Besitzer ganz wichtig. Sie wollten den Namen unbedingt übernehmen. Aber insgesamt haben wir einen klaren Schnitt gemacht. Das ist auch besser so. Man muss loslassen können. Wenn sie mich also so fragen: Ich habe mit der Firma konkret nichts mehr zu tun.
Haben Sie selber noch Rennautos?
Ich habe noch rund 30 mehrheitlich Formel-1-Autos in einer Halle eingestellt.
Ist da auch Ihr VW Käfer der ersten Stunde dabei?
Nein. Aber ein anderer Käfer.
Aber der Formel 1 bleiben Sie emotional immer verbunden?
Ja natürlich! Ich habe die Freude auch in den schwierigsten Phasen nie verloren. Die Formel 1 ist eine einmalige Kombination. Einzelsport, Mannschaftssport, Hightech und ein wenig Zirkus. Rennautos haben auch etwas Sinnliches und man kann sie auch anfassen. Wissen Sie, wo sich unser langjähriger Karosseriebauer inspirieren liess?
Nein.
Im Zoo hat er mir den Geparden gezeigt. Und meinte: Die schnellen Tiere sind schön. Etwas Hässliches kann nicht schnell sein.
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Ein Leben für den Motorsport: Peter Saubers Meilensteine
1967 Peter Sauber fährt Clubrennen auf einem leicht getunten VW Käfer.
1970 Sauber gründet die PP Sauber AG zum Bau von Rennsportwagen. Im gleichen Jahr wird er mit dem Sauber C1 Schweizer Meister.
1981 Einstieg in die Sportwagen-WM mit dem C6.
1988 Sauber wird zum Werksteam von Mercedes.
1989 Das Team feiert mit den C9 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans einen Doppelsieg, zudem Gewinn der Sportwagen-WM (Fahrer und Teams).
1993 Einstieg in die Formel 1 beim GP Südafrika in Kyalami. Fünfter Platz für JJ Lehto im C12.
2006 Am 1. Februar übernimmt BMW 80 Prozent der Anteile des Rennstalls. Sauber ist neu Berater des Werkteams.
2008 Der einzige F1-Triumph in der Teamgeschichte ist ein Doppelsieg, erzielt von Robert Kubica und Nick Heidfeld am 8. Juni in Montreal.
2009 Am 29. Juli gibt BMW zum Ende der Saison den Ausstieg aus der Formel 1 bekannt. Peter Sauber kauft daraufhin das Team zurück.
2016 Nach Jahren der finan-ziellen Probleme verkauft Peter Sauber im Juli sein Lebenswerk an die Longbow Finance AG und zieht sich zurück.