Niki Lauda: Also Roger, fangen wir an. Gratulation zu deinem Jubiläum. Es gibt wohl keinen in der Formel 1, der 700 Grand Prix lang hier herumgerannt ist.
Roger Benoit: Doch, da gibt es noch einen Italiener.
Wie würdest du deine Reporter-Karriere bezeichnen? War sie lustig, langweilig, harte Arbeit?
Es war von allem etwas.
War das dein Traum?
Nein. Ich wollte nur Journalist werden und ich bin durch reinen Zufall da reingekommen. Der Regazzoni und der Siffert haben 1969/70 in der Formel 2 gewonnen. Da hat der damalige Sportchef vom BLICK gesagt, diese Formel 2 oder Formel 1 wird mal ein grosses Ding, da müssen wir einen hinschicken. Dafür standen zwei Leute zur Auswahl. Ein 35-jähriger Mann und eben ich als Zwanzigjähriger. Der Chef sagte, da schicken wir den Jüngeren.
So kamst du also zur Formel 1?
Ja. Und ich muss sagen, bis heute interessieren mich die Rennautos nicht so sehr wie die Menschen, die sie fahren.
Bereust du heute eine Geschichte, die du geschrieben hast?
Ich kann mich jetzt nicht so direkt an eine erinnern, aber es gab schon Leute, mit denen konnte ich nicht so viel anfangen. Da kann man gleich mit dem ABC anfangen: Arnoux, Barrichello und Coulthard. Aber ich glaube, ich bin im Grunde immer fair geblieben.
Du hast ja mit Sauber stets ein Schweizer Team gehabt. Gehören die Sauber-Leute eher zu deinen Freunden oder eher zu diesen Coulthards?
Dazu muss ich vorausschicken: Ich war hier schon 22 Jahre dabei, bevor Herr Sauber 1993 in die Formel 1 kam.
Wie lief das so mit dir und Sauber?
Es ging am Anfang gut, es gab überhaupt kein Problem. Jetzt ist das anders. Ich fühle mich seit Jahren falsch informiert vom Team. Auch weil sie mir nicht immer die Wahrheit gesagt haben.
Wenn du angelogen wirst, dann hast du auch das Recht zu sagen: Jetzt reichts!
Ich habe mit Peter Sauber immer noch so ein Verhältnis, dass wir jetzt bald mal zusammen essen gehen. Die Schwierigkeit war: Er hat mir immer Dinge erzählt, aber bei jedem zweiten Satz angefügt: ‹Das darfst du aber nicht schreiben›. So kann ich als Journalist natürlich nicht überleben.
Du hattest in deinen 700 Rennen ja auch einmal ein richtiges Tief. Wie war das mit deinem Notizbuch mit der Zahl 400 oder irgendwas …?
Das war Rennen 441.
Kannst du mir das mal erklären?
Ja, du bist ja ein Freund von mir. Ich war auch der einzige Journalist im Spital nach deinem Feuerunfall, als du um dein Leben kämpftest. Die letzte Ölung habe ich drei Meter neben deiner Tür mitbekommen. Damals hatte deine Frau Marlene den Pfarrer mit einem Fusstritt aus dem Zimmer geworfen, weil er dir mit einem Kreuz auf der Stirn den letzten Segen gegeben hatte. Der arme Pfarrer stolperte direkt vor meine Füsse.
So wars. Und was war nochmal bei Rennen 441?
Da wollte ich einfach Schluss machen im Leben. Einfach sagen: «Freunde, das wars!»
Gut, dass es anders gekommen ist. Wie denkst du heute darüber?
Heute muss ich sagen, dass es besser war, dass es nicht geklappt hat. Aber es gibt natürlich Momente im Leben, in denen du sagst: Es ist doch alles Scheisse, jetzt will ich nicht mehr.
Bist du dadurch jetzt stärker geworden?
Ja. Es macht wieder Spass. Es gibt ab und zu mal noch dunklere Tage, wo es einem nicht so gut geht ...
… aber es kann nie mehr so dunkel werden?
Nein, das hast du mir doch verboten!
Ja, ich habe gesagt: Jetzt ist genug.
Du hast 1976 nach deinem Feuerunfall ja nicht gerade vorteilhaft ausgesehen. Hast du da nie daran gedacht, dich selber umzubringen?
Null. Nicht eine Sekunde. Als ich das erste Mal in den Spiegel geschaut habe, bin ich erschrocken. Ich dachte mir sofort, wenn mich die Leute so sehen, erschrecken sie noch mehr. Aber es ist eben so, wie es ist. Was mich aufregte, war, dass mir die Leute dauernd auf das Ohr geschaut haben. Denen sagte ich: Schauen Sie mir in die Augen, wenn Sie mit mir reden.
Thema abgehakt. Wir leben.
Die Formel 1 wandelt sich ja unglaublich. Wie lange machst du noch so weiter? Gibt es einen Punkt wo du sagst: Jetzt höre ich auf?
Der Punkt kann und wird kommen. Das digitale Zeitalter ist da. Wir haben ja mit der Schreibmaschine angefangen.
Alles hat sich geändert.
Wir haben früher noch die Berichte telefonisch durchgeben müssen. Regazzoni – r wie Richard, e wie Emil, g wie Gustav und so weiter. Den Bericht durchzugeben dauerte damals eine halbe Stunde. Heute drückst du auf den Senden-Knopf und er ist in ein paar Sekunden auf der Redaktion. Dann diese digitale Entwicklung mit Facebook und Twitter. Ich schreibe heute fast mehr für Online als für den Print.
Finde ich gut, so wird dir nie langweilig.
Nach über 47 Jahren und vier Monaten beim BLICK geht die Rechnung im Beruf immer noch auf. Im Gegensatz zum Privatleben. Da ist die Waagschale ziemlich unten. Aber wenn du deinen Job richtig machen willst, bleibt eben keine Zeit für das andere Leben.
Ich teile mir die Zeit halt besser ein als du.
Du hast gut reden. Mit deinem Privatleben kann ich meines ja nicht vergleichen. Du haust fünf Minuten nach dem Rennen mit deinem Privatflieger ab. Aber bleib jetzt noch kurz hier. Ich habe auch noch ein paar Fragen an dich. Lass uns über deine Untaten reden.
Schiess los.
Roger Benoit: 1973. Zandvoort-Unfall. Roger Williams ist da gestorben. Ihr seid einfach an seinem brennenden Auto vorbeigefahren und du hast später gesagt: Wir werden hier nicht fürs Parkieren bezahlt. Würdest du das vielleicht als einen deiner unnötigsten Sätze deiner Karriere bezeichnen?
Niki Lauda: Würde ich heute so bezeichnen. Aber damals wussten wir nicht, dass da drinnen einer brennt. Der David Purley ist um das brennende Auto herumgelaufen. Sein Wagen, den er geparkt hatte, war unterm Rauch nicht zu sehen. So dachten wir, der versucht sein eigenes Auto zu löschen. Keiner von uns ist stehen geblieben, weil keiner wusste, was wirklich passiert war.
Wann hast du es erfahren?
Nach dem Rennen hat man mir das gesagt. Und ich habe das so erklärt wie jetzt dir. Ich war erschüttert über den Tod von Roger Williams, den ich gut kannte, und da kam immer wieder ein holländischer Journalist, der mich nervte. Ich habe ihm wörtlich gesagt: Sie können mich am Arsch lecken. Ich werde hier nicht bezahlt, um Feuerwehr zu spielen. Dann schickte ich ihn aus lauter Wut über seine blöden Fragen weg. Es war ein Fehler.
1977. Wieder ein Satz, der um die Welt ging. Januar, Testfahrten in Südafrika. Nur fünf, sechs Monate nach deinem Unfall. Du wolltest gerade in den Ferrari einsteigen und ich sagte: ‹Niki, es ist kein Helikopter zur Rettung da.› Deine Antwort: ‹Heute brennen wir nicht.› Die BLICK-Schlagzeile war geboren.
Mir war es damals wurscht, ob ein Helikopter da war oder nicht. Ich wollte einfach fahren. Und ich hatte das Gefühl: Mir wird schon nichts passieren heute.
1979. Das einzige Mal, dass ich dich Depp genannt habe oder noch schlimmer. Es war in Montreal. Ich habe vor dem Training gesagt: Niki, ich brauche eine Geschichte wegen der sechs Stunden Zeitunterschied. Und du hast geantwortet: ‹Heute trete ich zurück.› Ich dachte natürlich, du verarschst mich und fluchte.
Auch das kann ich erklären. Ich stand am Zaun und hatte mir gerade den Kopf zerbrochen, wirklich aufzuhören. Und dann kommst du in diesem Moment mit dieser blöden Frage, ob ich eine Geschichte für dich hätte. Meine Antwort war eigentlich halb ironisch gemeint. Aber es war die Wahrheit, weil mir das gerade durch den Kopf ging.
Die Geschichte ging noch weiter. Du bist ja noch drei Runden im Training gefahren. In der Mittagspause hast du dann aber gefehlt. Zwei Journalisten kamen zu mir und fragten: Hast du den Niki gesehen? Dann fragte mich dein Brabham-Teamchef Ecclestone auch noch: Hast du den Niki gesehen? Plötzlich dachte ich: Hat der das wirklich ernst gemeint? Den Journalisten, die dich gesucht haben, habe ich daraufhin gesagt: Der Niki ist doch zurückgetreten. Wisst ihr das nicht? Ein österreichischer Reporter schnappte sich ein Mietauto und raste zum Flughafen, wo er dich noch erwischte. Du bist da ja tatsächlich zurückgetreten und er hat die Story dann exklusiv verkauft.
Da muss ich heute noch lachen. Du wärst damals mit der News weltberühmt geworden, hätte es schon das Internet gegeben. Roger, ich danke dir für das besondere Gespräch, bitte mach noch lange weiter.
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Niki Lauda; Rennfahrer und Airline-Gründer
Andreas Nikolaus Lauda gab am 15. August 1971 beim Heim-GP in Österreich für March-Ford sein Formel-1-Debüt. 1975 und 1977 (Ferrari) und 1984 (McLaren) wurde Niki Weltmeister. 1976 verunglückte er auf dem Nürburgring schwer. 42 Tage später fuhr er im Ferrari den GP von Italien. 1979 trat Lauda während des Trainings zum GP Kanada zurück, um sich der Fliegerei zu widmen. Er baute eine eigene Fluglinie auf. 1982 kehrte der Wiener für drei Jahre in die Formel 1 zurück. Heute ist der 67-Jährige im Aufsichtsrat des Formel-1-Teams von Mercedes.
Roger Benoit: Reporter an 700 Grand Prix
Am 18. Juli 1970 schrieb er aus Brands Hatch erstmals über einen GP. An diesem Wochenende in Singapur feiert Roger Benoit Jubiläum als Reporter. Es ist das 700. Rennen, von dem der 67-Jährige für BLICK und SonntagsBlick berichtet. Als Niki Lauda nach seinem Feuer-Unfall auf dem Nürburgring mit dem Tod rang, war Benoit der einzige Journalist, der Zugang ins Spital hatte. Er sah den Priester, der Lauda im Krankenzimmer die letzte Ölung gab.
Im Jahr 1970 kamen berühmte Sportler auf die Welt. André Agassi und Gabriela Sabatini. Marc Rosset, Ciriaco Sforza oder Roberto Di Matteo. Und Schönheiten wie Claudia Schiffer und Naomi Campbell.
Und 1970 besuchte der junge Roger Benoit für den BLICK seinen ersten Formel-1-GP in Brands Hatch. Jetzt, 46 Jahre später, steht Boliden-Roger in Singapur immer noch an der Rennstrecke. Es ist sein 700. Grand Prix. Ein einzigartiges Jubiläum.
«Loyalität ist eine Art ungeschriebener Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Studien zeigen: Je länger Mitarbeiter zu einem Unternehmen gehören, desto loyaler agieren sie. Doch die Nibelungentreue ist weitgehend ausgestorben», stand jüngst in einer Zeitung.
Halt! Es gibt sie noch, diese Nibelungentreue. Roger Benoit ist einer der letzten Mohikaner von altem Schrot und Korn. Mit bemerkenswerter Flexibilität, mit unverminderter und leidenschaftlicher Schaffenskraft hat BLICK-Benoit alle noch so turbulenten Entwicklungen in der Medienbranche mitgemacht. Jung ist, wer sich der Gegenwart erfreut!
Und jetzt kommt es zum Rollentausch. Benoit stellt bei seinem Jubiläumsinterview für einmal kaum Fragen. Sondern er liefert Antworten. Der fragende Reporter ist Niki Lauda. Einer seiner vielen langjährigen Weggefährten.
Die Sportredaktion gratuliert Roger Benoit zu seinem tollen Jubiläum. Und dankt ihm ganz herzlich für 47 Jahre Treue. Und für 700 Grand Prix an vorderster Front!
Felix Bingesser, Chefredaktor Sport
Im Jahr 1970 kamen berühmte Sportler auf die Welt. André Agassi und Gabriela Sabatini. Marc Rosset, Ciriaco Sforza oder Roberto Di Matteo. Und Schönheiten wie Claudia Schiffer und Naomi Campbell.
Und 1970 besuchte der junge Roger Benoit für den BLICK seinen ersten Formel-1-GP in Brands Hatch. Jetzt, 46 Jahre später, steht Boliden-Roger in Singapur immer noch an der Rennstrecke. Es ist sein 700. Grand Prix. Ein einzigartiges Jubiläum.
«Loyalität ist eine Art ungeschriebener Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Studien zeigen: Je länger Mitarbeiter zu einem Unternehmen gehören, desto loyaler agieren sie. Doch die Nibelungentreue ist weitgehend ausgestorben», stand jüngst in einer Zeitung.
Halt! Es gibt sie noch, diese Nibelungentreue. Roger Benoit ist einer der letzten Mohikaner von altem Schrot und Korn. Mit bemerkenswerter Flexibilität, mit unverminderter und leidenschaftlicher Schaffenskraft hat BLICK-Benoit alle noch so turbulenten Entwicklungen in der Medienbranche mitgemacht. Jung ist, wer sich der Gegenwart erfreut!
Und jetzt kommt es zum Rollentausch. Benoit stellt bei seinem Jubiläumsinterview für einmal kaum Fragen. Sondern er liefert Antworten. Der fragende Reporter ist Niki Lauda. Einer seiner vielen langjährigen Weggefährten.
Die Sportredaktion gratuliert Roger Benoit zu seinem tollen Jubiläum. Und dankt ihm ganz herzlich für 47 Jahre Treue. Und für 700 Grand Prix an vorderster Front!
Felix Bingesser, Chefredaktor Sport