Millionen, Crashes und Skandale
Der etwas andere Saisonrückblick

Die Formel 1, in der Kritik wie selten, tanzte 2015 in 19 verschiedenen Manegen auf vier Kontinenten. Oft war es eine Show, aber oft auch eine harmlose Vorstellung. Die erneute Dominanz von Mercedes (12 Doppelsiege) lähmte die Konkurrenz. Aber ruhig war es von Melbourne bis Abu Dhabi nie – vor allem hinter den Kulissen.
Publiziert: 01.12.2015 um 16:08 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:33 Uhr
Von Roger Benoit
Der gefeierte Weltmeister: Lewis Hamilton.

WM-Stand des Jahres
Fünf Teamduelle – Das gab es noch nie in 66 Jahren Formel 1. Fünf Teams belegten die ersten zehn Plätze – und jedes Mal lagen die beiden Fahrer beisammen. Hamilton schlug Rosberg 381:322, Vettel liess Räikkönen mit 278:150 abblitzen, Bottas besiegte Massa 136:121, Kvyat gegen Ricciardo 95:92 und Pérez gegen Hülkenberg 78:58.

Crash des Jahres
Räikkönen/Alonso – In der ersten Spielberg-Runde verlor Räikkönen den Ferrari aus der Kontrolle – und krachte mit Alonso zusammen. Der Spanier lag mit dem McLaren plötzlich auf den Leitplanken und dem Ferrari, kletterte raus und umarmte den Finnen. Kimi war auch in Sotschi und Mexico City (jeweils mit Landsmann Bottas) in Unfälle verwickelt.

Alonso (l.) und Räikkönen unmittelbar nach ihrem Crash in Spielberg.

Podest des Jahres
Ungarn – Es war die Sensation der Saison. Das Mercedes-Duo Hamilton (6.)/Rosberg (8.) – 14-mal zusammen auf dem Podest – fuhr chancenlos mit. Es siegte Vettel (Ferrari) vor dem Red-Bull-Duo Kvyat und Ricciardo. Zuletzt sah man beim Finale 2013 in Brasilien keinen Silberpfeil-Piloten mit einem Pokal.

Fehlprognose des Jahres
Sauber – «Wir werden bald wieder aufs Podest fahren, der 6. WM-Platz ist unser Ziel», sagte die Hinwiler Chefin Monisha Kaltenborn. Nach dem Traumstart in Melbourne (14 Punkte) war der Jubel gross, am Ende wich dieser der totalen Ernüchterung. Nur achter WM-Rang. Aber mit 36 Punkten wenigstens die Gurken von McLaren-Honda und Manor-Ferrari geschlagen …

Die Sauber-Piloten konnten die Erwartungen nicht erfüllen.

Skandal des Jahres
Van der Garde – Was für ein Theater zum Start in Melbourne. Sauber hatte mit zu vielen Fahrern für 2015 einen Vertrag abgeschlossen. Giedo van der Garde (Ho) bemühte die Gerichte. Die Aussies wollten die Autos im Land behalten, Frau Kaltenborn drohte der Knast. Da kams zur Einigung in letzter Minute, die Sauber viele Millionen kostete!

Drama des Jahres
Jules Bianchi – Am 17. Juli hörte das Herz von Jules Bianchi in Nizza auf zu schlagen. Der Franzose war am 5. Oktober 2014 in Suzuka mit dem Marussia in einen Bagger gerast und mit irreparablen Hirnverletzungen nie mehr aus dem Koma erwacht. «Es wäre für die Familie einfacher, wenn er sterben dürfte», sagte Vater Bianchi drei Tage vor dem Tod.

Dominatoren des Jahres
Hamilton (l., 10 Siege) und Rosberg (6 Siege) gewannen für Mercedes 16 von 19 Rennen.

Die Silberpfeile hatten meist die Nase vorn.

Aufsteiger des Jahres
Max Verstappen – Erst vor zwei Monaten wurde er 18 Jahre alt. Böse Kommentare vieler Fahrer begleiteten den in Belgien geborenen Holländer in den GP-Zirkus. Am Ende gabs nur noch Applaus: In den letzten acht Rennen hat der Toro-Rosso-Pilot siebenmal gepunktet. Noch Fragen? Wächst da sogar ein neuer Schumi heran?

Gewinner des Jahres
Sebastian Vettel – Er kam, sah und holte mit drei Siegen Ferrari nach fünf Jahren mit dem zu oft frustrierten Alonso aus dem Tief, hauchte den Roten neues Leben ein. Schon vor zehn Jahren hatte Schumi Ferrari auf seinen «talentierten Landsmann» aufmerksam gemacht. Da sich Vettel mit Räikkönen super versteht, herrscht auch endlich Ruhe.

Vettel tanzte in dieser Saison dreimal von zuoberst auf dem Podest.

Verlierer des Jahres
Der GP-Zirkus – Jeder Sport, der einfache Regeln hat, ist bei den Fans beliebt. Da hat die F1 ein Manko. Die neue Hybrid-Technik ist zu kompliziert, die Motoren für die Kunden zu teuer, die kleinen Teams schweben am finanziellen Abgrund, die Veranstalter verlangen meist zu hohe Preise. Und in den letzten 56 Rennen gewannen nur 5 Fahrer.

Flop des Jahres
McLaren-Honda – Die einst beste GP-Ehe (mit Senna, Prost) lieferte im Jahr 1 ihres Comebacks nur Pleiten, Pech und Pannen. Dem Honda-Motor fehlten 80 PS auf Mercedes. Und er ging oft kaputt. Alonso/Button haben 23 Motoren verbraucht (10 waren erlaubt). Dafür gabs 270 Startplätze nach hinten und WM-Rang 9. So schlecht wie zuletzt 1980.

Das war nichts: Die Saison von Fernando Alonso im McLaren Honda.

Sprüche-Duell des Jahres
Max Verstappen/Carlos Sainz – In Singapur bekam Verstappen von Toro Rosso den Befehl, Sainz vorbeizulassen. Max (18): «Wenn ich ihn durchgelassen hätte, hätte mir mein Vater in die Eier getreten!» Carlos (21): «Mein Vater tritt mir nie in die Eier, er will ja mal Enkelkinder!» Jos Verstappen war GP-Pilot, Carlos Sainz senior zweimal Rallye-Weltmeister.

Social-Media-König des Jahres
Lewis Hamilton – Ein klarer Millionen-Sieger. Auf Twitter, Facebook und
Instagram lässt er die Fans an seinem verrückten Leben teilhaben, zeigt auch seine Tattoos offen. Oder er ballert mit einem Gewehr herum, feiert eine wilde Party mit Rihanna. Wir sind dabei. Nur von seinem Nacht-Crash in Monaco zeigte Lewis keine Bilder …

Lewis Hamilton posiert gerne.

Gummi des Jahres
Pirelli – Die Italiener, die ihre GP-Reifen auch in der Türkei und Rumänien produzieren, werden noch bis 2018 ohne Konkurrenz siegen. In Spa gabs zwei böse Reifenexplosionen (Rosberg, Vettel). Heute testet man in Abu Dhabi eine neue Mischung für 2017. Ohne Medien. Hat Pirelli Angst vor weiteren Explosionen?

Hier platzte Vettels Reifen in Spa.

Mini-WM des Jahres
Nico Rosberg – Der Deutsche war nach dem erneuten Verlust des WM-Titels an Hamilton in Austin so frustriert, dass er die letzten drei Rennen zur «Mini-WM, die ich unbedingt gewinnen will», erklärte. Und der Neo-Papi (am 30. August kam Tochter Alaia auf die Welt) siegte gegen Lewis klar – mit 75:54. Ob Nico 2016 endlich Titelchancen hat?

Millionen des Jahres
Abu Dhabi – Auch 2015 wird der GP-Zirkus wieder rund zwei Milliarden Franken einnehmen. Die Hälfte davon wird den Teams ausgeschüttet. Woher die Millionen wirklich kommen, zeigt Abu Dhabi. Der Veranstalter zahlt 40 Millionen Dollar für die Show. Und der Paddock-Club war mit 7000 Scheichs und Gästen voll. Preis pro Ticket: 7000 Dollar. Macht 49 Millionen!

Grid Boy des Jahres
Monaco/Brasilien – Was für ein Ärgernis für viele Formel-1-Piloten. Vor allem Vettel regte sich am TV fürchterlich auf: «Weg mit dem Unsinn!» Ausgerechnet in Monaco führte der Schweizer Uhrensponsor Tag Heuer die Grid Boys ein. Und im Samba-Land Brasilien wollte eine Kaffeefirma, dass je zehn Boys und Girls die Nummern-Tafeln präsentierten.

Absage des Jahres
GP Deutschland – Was für eine Pleite für das Autoland Deutschland, das durch den VW-Skandal aber einen schweren Imageschaden erlitt. Das Thema Formel 1 ist in der Eifel endgültig vorbei (letzter Sieger 2013 Vettel). 2015 bat man Hockenheim um Hilfe, aber es war wegen des Vorverkaufs zu spät. Für nächstes Jahr ist dort aber alles klar!

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