Kommentar von Roger Benoit über das Eigentor der FIA
Gute Nacht, Formel 1!

Aber Hallo, jetzt kommt der Halo doch. FIA-Boss Jean Todt beerdigte die Windschutzscheibe (Shields) und hat den «Heiligenschein» gegen alle Widerstände der Fahrer, Teams – und vor allem der Fans durchgesetzt. In Alleinregie!
Publiziert: 20.07.2017 um 16:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:20 Uhr
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Vettel testete 2016 auch den «Halo».
Foto: Lukas Gorys
Roger Benoit

Das ist sein gutes Recht. Der Franzose kämpft ja seit Jahren auf der Strasse mit seiner Aktion «Road Safety» weltweit gegen die zuvielen Verkehrstoten.

«Motorsport ist gefährlich»

Doch hier geht es um die Königsklasse des Rennsportes. Und wir sollten nicht vergessen, was auf jeder Eintrittskarte zu einem Formel-1-Rennen stehen muss: «Der Motorsport ist gefährlich!»

Kein Mensch will Unfälle mit fatalen Folgen sehen. Aber die Fans, die sich längst auf der ganzen Welt mit bis zu 80 Prozent gegen Halo ausgesprochen haben, wollen im Grand-Prix-Zirkus Action sehen, Überholmanöver, von denen man noch lange schwärmt.

Halo hätte Senna nicht gerettet

Die Hysterie um die totale Sicherheit, die es dennoch nie geben wird, ist falsch. Am 1. Mai 1994 verunglückte Ayrton Senna in Imola mit dem Williams tödlich. Kein Halo dieser Welt hätte ihn davor schützen können.

Dann dauerte es bis zum 5. Oktober 2014, als Jules Bianchi im Regen von Suzuka bei gelben Flaggen diesen schrecklichen Unfall hatte, als er mit über 150 km/h in einen Bergungsbagger donnerte. Kein Halo dieser Welt hätte ihn schützen können. Ja, man darf es ruhig schreiben. Bianchi war da nicht unschuldig.

Bianchi-Tod löste Panik aus

Die Familie klagte die FIA an, wollte offenbar sogar Geld als Wiedergutmachung. Das löste die Panik bei Todt aus. Da kam er in Zugzwang und auf Ideen, die die Formel 1 jetzt ausbaden muss. Selbst die besten Fahrer fordern Rennen, die nicht mehr von Auslaufzonen und dreifachen Reifenmauern «sicher» gemacht werden, dass der Nervenkitzel, das fahrerische Können zu kurz kommen.

Jeder Tote, egal wo, ist ein Toter zuviel. Nur muss man dies in einem gefährlichen Sport etwas relativieren. Als ich vor über 47 Jahren in der Formel 1 anfing, gab es fast kein Jahr ohne einen oder mehrere Tote bei den Grand Prix-Rennen. Jackie Stewart: «Das Wort Sicherheit kannte damals kaum einer. Wir fuhren, obwohl wir wussten, dass wir am Abend vielleicht nicht mehr ins Hotel kommen! Jetzt ist die Sicherheit perfekt. Ja, Skifahren kann gefährlicher sein!»

Halo und eine offene Frage

Mit dem rund zehn Kilogramm schweren Titan-Gestell Halo (mit der Verankerung) soll also die Sicherheit bei herumfliegenden Teilen rund um das Cockpit erhöht werden. Resultate über Tests, ob bei einem Unfall ein Pilot dann immer noch so schnell aus seiner Fahrerkabine kommt, hat man von der FIA noch keine gesehen.

Wenn jetzt Halo nächste Saison kommt, dann muss die FIA konsequent bleiben. Dann müssen alle offenen Rennwagen in allen Kategorien mit einem «Heiligenschein» versehen werden. Das macht den Motorsport leider kaputt.

Es lässt die Rennwagen in Zukunft lächerlich aussehen. Der Geist des Motorsportes geht verloren. Die Fans sind enttäuscht – und doch will man ja jetzt gerade neue Anhänger gewinnen.

Bald Stossstangen?

Und die letzte Frage: Was macht die FIA, wenn ein Auto hinter dem andern aufsteigt oder mit über 200 km/h ins Heck knallt? Kommen dann die Stossstangen oder werden sogar die Räder geschützt? Als letzte Konsequenz sind dann wohl noch geschlossene Boliden geplant.

Gute Nacht, Formel 1.

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