Jo Siffert (7. Juli 1936 – 24. Oktober 1971)
Der Aufstieg zum Millionär

Publiziert: 19.12.2005 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:31 Uhr
Von Roger Benoit
ZÜRICH – Wenige Monate vor seinem Tod am 24. Oktober 1971 im englischen Brands Hatch hatte es Joseph «Seppi» Siffert geschafft: Er war Millionär!

Spinnst du, jetzt glauben die Leute, der Siffert dreht durch – und die Steuerbehörde ist auch auf mich aufmerksam geworden», sagte der Fribourger damals zu mir und wetterte über die BLICK-Schlagzeile: «Jetzt ist Siffert Millionär!»…

Doch der Aufstieg des stets bescheiden und volksnah gebliebenen Mannes aus Belfaux war nicht mehr aufzuhalten.

Siffert hatte sich in Fribourg, in dessen Gassen er aufgewachsen war, ein siebenstöckiges Geschäftshaus gebaut, das er bald ganz vermietete.

«Das einzige von allen Dingen, die ich jemals gemacht habe, die nichts mit Rädern, Gummi oder Rennsport zu tun haben. Aber mir könnte ja etwas passieren und da muss ich an meine Familie denken.»

Simone (jetzt 60), Sifferts zweite Frau, schenkte Seppi zwei Kinder: Véronique (37) und Philippe (36).

Hatte der rastlose Jo Siffert also kurz vor seinem Tod schon etwas geahnt oder gespürt?

Sieben Jahre vor seinem tödlichen Unfall hatte Jo mit 28 Jahren das Rauchen aufgegeben. «Oft paffte ich drei Päckli am Tag und dazu noch Zigarren. Als ich aufhörte, bekam ich wieder mehr Schwung!»

Dass das kurze Leben des Joseph Siffert (geboren am 7. Juli 1936) erst jetzt als Film in die Kinos kommt, ist fast ein Witz. Aber was kann diesem abenteuerlichen Leben überhaupt gerecht werden?

Als für Dreharbeiten des Films «Le Mans» Autos benötigt wurden, war Siffert, der erste Rennwagenshow-König Europas, der ideale Mann. Auch für die Premiere in Biel, als er mit seinen Boliden einen heissen Indianapolis-Start in der Stadt organisierte…

Ein Höllenlärm und ein Bombenerfolg.

Als Jo daheim in Fribourg eines Nachts nicht schlafen konnte, fuhr er mit einem Renn-Porsche 917 einfach aus seiner Garage – und weckte um Mitternacht die halbe Stadt!

Doch kaum einer wagte zu reklamieren oder die Polizei zu rufen. Siffert lebte mit Vollgas, auch wenn seine Geburt nicht ganz problemlos war.

Sein rechter Fuss war krumm, mehrere Operationen. Und danach schleppte sich Jo mit einem rund zwei Zentimeter kürzeren rechten Bein durchs Leben.

Sein fast schwebender Gang fiel genauso auf, wie seine herrliche Sprache –ein verbaler Trapezakt zwischen Deutsch und Französisch…

Die Eltern, Besitzer eines kleinen Milchladens, müssen drei Kinder aufziehen. Das Essen ist knapp, Geld kaum vorhanden.

Jo verriet mir mal: «Nachts bin ich oft in fremde Gärten geschlichen und habe die Blumen geklaut.»

Er verkaufte sie am nächsten Tag mit seinen zwei Schwestern, wie das gesammelte Altpapier, Flaschen, Lumpen oder Patronenhülsen – und dazu grub er die Bleigeschosse hinter Schiessständen aus.

Nur nackt um Kirchenplätze (wie einst Frank Williams) ist Jo Siffert für Geld nie gerannt…

Zum Glück gab es damals noch keine Handys. Die Rechnungen hätten den kleinen, geschäftstüchtigen Bengel, den die Schule kaum interessierte, wohl in den Ruin getrieben.

Die Jagd nach Geld hatte für den Karosseriespengler-Lehrling vorerst nur ein Ziel: Es musste ein Motorrad her. 1957, mit 21 Jahren, fuhr er sein erstes Töffrennen, auf einer 125er-Gilera. Mit der wäre Tom Lüthi 48 Jahre später kaum Weltmeister geworden…

Siffert wechselt bald zu den Seitenwagen, ist Beifahrer von Edgar Strub. Einmal verliert Jo fast seine linke Hand, als er mit dieser in die Speichen gerät.

Ein Jahr später gewinnt das Gespann den GP von Finnland, wird WM-Dritter. Und in der 350er-Klasse lässt sich Jo sogar als Schweizer Meister feiern.

Doch Siffert ist längst vom Auto-Virus befallen. Kaum 12 Jahre alt, nach einem Besuch mit seinem Vater beim Grand Prix in Bremgarten bei Bern, macht es in Seppis Kopf nur noch brumm, brumm.

Mit dem letzten Geld leistete sich Jo Siffert einen Ausbildungskurs mit einem Alfa in Montlhéry bei Paris. Es war wenige Monate, bevor der BLICK am 14. Oktober 1959 das Licht der Welt erblickte...

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Die Pech-Saison 1970 und die Kritik: Motorenkiller!
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Er starb 1971 als Volksheld. Sein Name bleibt unvergessen. Wie seine zwei Formel-1-Siege. Mit dieser Serie gedenkt BLICK einer Schweizer Sport-Legende.
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