Ein Rennfahrer sucht seinen Weg. Den Weg nach ganz oben. «Ich hätte mich auch für Mercedes bereit gefühlt!» Doch Pascal Wehrlein (22) bekam von seinem Förderer Toto Wolff als Rosberg-Nachfolger eine Absage. Dann liess ihn auch Force India-Mercedes links liegen – jetzt fährt er 2017 Sauber-Ferrari.
Der Deutsche muss das akzeptieren, auch wenn es ihm schwerfällt. Der Druck im Team der Hinwiler ist gross, sehr gross. Wehrlein muss das Team-Duell gegen Marcus Ericsson (26) klar gewinnen. Sonst ist der Weg nach oben plötzlich noch steiniger.
Wir treffen uns im Emirates-Flug von Zürich nach Dubai. Es war ein Gespräch, das auch nach 48 Formel-1-Jahren noch unter die Haut ging. Selten hat sich ein Fahrer über seine Gefühlswelt so geöffnet wie Pascal Wehrlein. Die Sitzbank neben der Bar im hintersten Teil des Flugzeugs als Fragerunde. Wehrlein im schwarz-weissen Jogging-Anzug kommt schnell zur Sache: «Bin ich wirklich so arrogant, wie viele Leute behaupten?»
Wir haben dann auch nach über 90 Minuten noch keine relevante Antwort gefunden. «Dein stolzer Gang durchs Fahrerlager passt eben nicht allen!»
Wehrlein will noch mehr wissen: «Warum schreibt ein Kollege von dir nie gut über mich? Warum sind Journalisten, die mir nahestehen, bei anderen Reportern so unbeliebt?» Fragen, die keine Antwort haben, denn diese muss Wehrlein selbst herausfinden.
Hilfe von Ex-Senna-Physio
«Ich bin doch zu allen Leuten freundlich, gebe gerne Auskunft. Aber das genügt offenbar nicht. Sportlich kann man mir nichts vorwerfen. Ich habe 2016 bei Manor Haryanto im Trainingsduell 7:5 geschlagen und später Ocon sogar mit 7:2.» Doch der Franzose bekam den Sitz bei Force India. «Aus persönlichen Gründen», wie es dort heisst.
Wehrlein, das weiss er selber, hätte vielleicht auch mal etwas devoter auftreten sollen. Die Experten kennen sein riesiges Potenzial. Doch Schnelligkeit ist in diesem Sport eben nicht alles.
Dafür sind die Medien, die Rivalen und Fans schnell mit ihren Vorurteilen. Wer einmal in diesem Teufelskreis ist, muss mental verdammt stark sein. Und da liegen momentan die Defizite des Sauber-Piloten, der mit dem Ex-Senna-Physio Josef Leberer aber jetzt den richtigen Mann neben sich hat.
Die Frage nach seiner möglichen Arroganz war klar ein Hilferuf in 10'000 Meter Höhe. Wehrlein wird es längst wissen: Echte Freunde sind rar. Im Leben, aber vor allem in einem Sport ohne Gnade, Mitleid oder Streicheleinheiten.
Der Weg nach oben war nicht von Sympathien begleitet. 2014 baute Pascal Wehrlein, damals 19, im Rahmen einer Plauschfahrt der deutschen Fussball-Nati im Südtirol einen Unfall. Er war (mit Benedikt Höwedes auf dem Nebensitz) hinter dem Mercedes von Rosberg wohl zu schnell, verletzte neben einem Streckenposten auch einen älteren Mann neben der Abschrankung schwer. Der Thüringer lag zuerst im Koma, verzichtete dann auf eine Strafklage, weil er sich mit Mercedes auf Schadenersatz einigte.
2015 wird Wehrlein im dritten DTM-Jahr (38 Rennen, 3 Siege) auf Mercedes Meister. In Spielberg befiehlt Audi-Chef Dr. Wolfgang Ullrich seinem Fahrer Timo Scheider, den Wehrlein abzuschiessen! «Timo, schieb ihn raus!» Ein Skandal, der über die TV-Sender zu hören – und dann tatsächlich auch zu sehen war!
Auch hier bekommt der unschuldige Wehrlein sein Fett weg. Er ist in dieser Serie als Mercedes-Liebling nie richtig angekommen. Beim Abschied in die Formel 1 trauert in der DTM kaum jemand dem Champion nach. «Endlich ist das Arschloch weg», liest man von einem Fahrer in den sozialen Netzwerken.
Das hat Pascal Wehrlein schwer getroffen. Jetzt will er endlich in der Formel 1 ankommen. Als der Fahrer mit dem grossen Talent, der grossen Zukunft.
Kann er bei Sauber die negativen Gedanken endlich aus dem Cockpit werfen?
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Vorname: Pascal
Name: Wehrlein
Geboren: 18. Oktober 1994 in Sigmaringen (De)
Sternzeichen: Waage
Teams: Manor (2016), Sauber (seit 2017)
1. GP: 20. März 2016 in Australien
GP/Punkte: 21/1
Erfolge: 2011 Gesamtsieger bei den ADAC-Formel-Masters, 2015 DTM-Gesamtsieger