Lange hatte es um eine Startplatzstrafe für den Australier wegen der MGU-K (kinetische Energierückgewinnung) heftige Diskussionen gegeben. Alle im Team redeten eine andere Sprache. Jetzt gingen aber im Antriebsstrang wohl zu viele Teile kaputt. Auf Ricciardo würden mindestens zehn Strafplätze warten. Bei 15 geht es automatisch in die letzte Reihe!
Stroll grüsst die Mauer…
Die berühmte «Wall of Champions» am Ausgang der letzten Schikane wurde am Freitag von fast allen Piloten respektvoll behandelt. Am Morgen blieb ausgerechnet nur Lokalheld Lance Stroll (19) im Williams-Mercedes nicht vom Ort der Schande weg. Der Pilot, dessen Vater Lawrence das halbe Team gehört, hatte hier vor einem Jahr als Neunter seine beiden ersten WM-Punkte geholt.
Der Geld-Kampf Stroll – Latifi
Immerhin war Stroll im ersten Training (für Pérez) etwas schneller als Landsmann und Formel-2-Pilot Nicholas Latifi (22) im Force India-Mercedes. Dessen Vater besitzt in Kanada die Lebensmittelkette Sofina und wird bei der Forbes-Liste der Milliardäre klar vor Lawrence Stroll geführt. Interessant, dass sich Latifis Vater kürzlich mit über 200 Millionen Franken bei McLaren eingekauft hat. Aber keine Ambitionen auf ein Cockpit anmeldete!
Grosjean überfährt Murmeltier
Schafft jemand bis zum Rennen die Pole-Zeit von Hamilton (Mercedes) aus dem letzten Jahr mit 1:11,459? Der Brite selbst musste sich am Morgen mit 1:13,390 nur vom Holländer Max Verstappen (1:13,302) geschlagen geben. Der sagt allen Kritikern: «Solange du schnell bist, hast du nie eine Krise!»
Am Nachmittag liess Verstappen wieder nichts anbrennen. Die Titeljäger Hamilton und Vettel waren (noch) chancenlos. Stark: der noch punktelose Grosjean im Haas-Ferrari und die beiden Force India-Mercedes (schon letztes Jahr auf den Plätzen 5 und 6 im Rennen). Ganz zum Leidwesen eines Murmeltiers! Das arme Geschöpf wird von Grosjeans Frontspoiler erfasst. Am Ende ist nicht mehr viel davon übrig (siehe Bild unten).
Kimi: Polizei gibt Entwarnung
Die medialen Fights vor dem 7. WM-Lauf verlaufen im Niemandsland. Der «Sex-Skandal» um Kimi Räikkönen (38) wird von Ferrari unter den Tisch gewischt. Da ist nichts, also ist für uns das Thema erledigt. Da passiert auch nichts», heisst es offiziell aus Maranello.
In Finnland wird das Thema um den Nationalhelden und Weltmeister von 2007 auf Ferrari fast mit Samthandschuhen angefasst. Ja, es wird sogar die lokale Polizei zitiert: «Herr Räikkönen wird in Montreal sicher keine Probleme bekommen!»
2015 soll der Finne in einer Bar eine Frau mit einem Kollegen unsittlich berührt haben (Blick berichtete). Ein Jahr später schrieb die Kanadierin die «Story» in ihren Blog und klagte Räikkönen ein. «Kein Kommentar», sagte Kimi locker bei der offiziellen Fahrer-Pressekonferenz. Selbst die Anwälte der Frau sind von den Aussagen ihrer Mandatin nicht überzeugt.
Ricciardo-Wechsel: «Vielleicht…»
Der zweite «Fall» betrifft WM-Leader Lewis Hamilton (33), der seinen Vertrag ab 2019 immer noch nicht unterschrieben hat. «Ich lasse mir Zeit. Damit müsst ihr Leute von der Presse eben leben», sagt der Brite seit drei Rennen.
Nun, die Verzögerung bei Mercedes (und auch bei Ferrari mit der Vertragsverlängerung von Räikkönen) lässt immer wieder Monaco-Sieger Daniel Ricciardo (28) ins Spiel kommen. Der Australier geniesst die Situation und lacht auf die Frage, ob er von Mercedes oder Ferrari für 2019 kontaktiert wurde: «Zweimal vielleicht…»
Viel Lärm um die Motoren
Für Red Bull wird es langsam eng. Spätestens bis zum Heim-GP von Spielberg (1. Juli) müssen die Bullen Renault Bescheid geben, ob sie die Partnerschaft verlängern oder eben zu Honda abhauen. Teamchef Horner: “Und dann wird auch der Fall mit Ricciardo bald gelöst sein. Wir gehen davon aus, dass er bleibt!” Es wird sogar spekuliert, dass Red Bull darauf hofft, dass 2021 mit dem neuen Motoren-Reglement auch Porsche ein Comeback gibt…
Renault will bald eine Antwort
Hier in Kanada kommt es zur grossen Motorenschlacht. Alle Hersteller (ausser Mercedes) haben grosse Updates beim Antriebsstrang in ihre Autos eingebaut. Das Rennen wird die Entscheidung bei Red Bull bestimmt beeinflussen. Ja, sie muss es. Denn Renault wird wie gesagt immer ungeduldiger und wollen sich von ihrem Partner (acht WM-Titel zusammen zwischen 2010 bis 2013) nicht länger öffentlich kritisieren lassen.
Hartley: mit neuem Honda dabei
Der schon oft kritisierte Brendon Hartley (28), immerhin zweifacher Langstrecken-Weltmeister auf Porsche, schmuggelte sich im Toro Rosso-Honda mal ins Mittelfeld. Red Bull-Motorsportchef: «So schlecht kann der Neuseeländer also nicht sein!»
Bei Mercedes sagte man die Premiere des «neuen» Motor ab, weil im Bereich der Kurbelwelle ein kleines Problem auftauchte. «Sicher ist sicher», sagt Bottas dazu. Es soll um 0,02 Millimeter Abweichung gehen. Hamilton nannte die Verspätung sogar einen grossen Nachteil”. Der Brite hat die letzten drei Montreal-Rennen alle gewonnen.
Alonso: «Falsches» Jubiläum
Vom Start des ersten Trainings bei herrlichem Sonnenschein und 20 Grad (32 auf dem Asphalt war der unverwüstliche Fernando Alonso (bald 37) im McLaren-Renault bei der Musik. Am morgen war er Siebter, im zweiten Training landete er auf Position zehn.
Der Spanier, seit 95 Rennen ohne GP-Sieg, feierte am Donnerstag mit einigen Fahrer-Kollegen seinen 300. Grand Prix. Nur Barrichello (323), Schumi (307) und Button (306) haben mehr.
Doch die Statistiker kommen nur auf das 298. Rennen. Alonso: «Okay, zweimal bin ich nicht gestartet, war aber an der Strecke im Training…» Was für Puristen eben keinen WM-Lauf ist.
Hülkenbergs neue Frisur
Als erster Fahrer blieb der WM-Achte Nico Hülkenberg (30) im Werks-Renault mitten auf der Piste liegen – und löste damit eine rote Flagge (Abbruch) aus. «Das Auto steckt auf der neutralen Position fest!» Die Box konnte ihm per Funk nicht helfen, einen Gang einlegen. Getriebewechsel in der Mittagspause. Der noch blondere Deutsche tauchte mit einer neuen Frisur auf: «Man muss im Leben auch mal was Verrücktes machen…» Für 120 Euro, wie Hülkenberg auch noch verriet!
Am Nachmittag knallte dann Hülks Teamkollege Sainz in die Mauer. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Können die Werks-Autos endlich aus dem Schatten ihrer Motoren-Teams von Red Bull und McLaren (Unfal von Vandoorne) treten?
Sauber hofft auf Punkte
Bei Alfa Sauber ist nach der Pleite von Monte Carlo in Kanada eine klare Leistungssteigerung zu erkennen. Schon das erste Training sah beide Autos im breiten Mittelfeld: 13. Ericsson (ein Dreher), 14. Leclerc. In Montreal braucht es um einiges weniger Abtrieb als in Monaco. Kurz: Der C37 kommt auf den langen Geraden besser in Fahrt. Nur der Abstand auf die Spitze bleibt konstant – rund zwei Sekunden.
Der Monegasse Charles Leclerc (20), der sich in den zweiten 90 Minuten auf Position elf fightete (und nur 1,6 Sekunden verlor), träumt schon von der Qualifikation am Samstag (live auf SRF ab 21 Uhr): «Da könnten wir für eine Überraschung sorgen!» Und ein guter Startplatz kann hier zum vierten Mal 2018 Schweizer WM-Punkte bringen.
Ärger bei Ferrari?
Noch nicht in alter Sieger-Form ist der zehnfache Montreal-Gewinner Ferrari (zuletzt 2004 mit Schumi). Die Italo-Medien sind nicht begeistert, dass die Roten den Chefdesigner-Koordinatoren Simone Resta (47) mitten in der Saison ans B-Team nach Hinwil abgegeben haben. Doch Ferrari will eben – wie schon mit Haas – ein drittes Standbein aufbauen und auch einen der besten Formel-1-Windkanäle im Zürcher Oberland nutzen. Bezahlt wird der neue Technische Direktor immer noch aus Maranello…
Unverwüstlich bleibt bei Ferrari eigentlich nur Kimi Räikkönen. Er heftet sich seit Saisonbeginn bei fast allen Duellen an die Fersen des Vierfach-Champions Sebastian Vettel (30) – oder ist sogar schneller! Und im zweiten Training verlor der Finne gerade mal 0,130 Sekunden auf Tagessieger Max Verstappen.
Formel E in Montreal: Aus
Vor einem Jahr veranstaltete Montreal übrigens auch ein Rennen der Formel E – rund um die Gebäude von Radio Canada. Der Anlass wurde für die Stadt neben dem Rennen zum Flop. So liess die neue Bürgermeisterin die Elektro-Show für die Zukunft knallhart aus dem Programm streichen. Jetzt haben die Formel-E-Veranstalter Montreal auf Schadenersatz in Millionenhöhe eingeklagt.