Nach seinem ersten Doppelsieg seit 2017 in Ungarn (Vettel vor Räikkönen) hat Ferrari jetzt nach dem GP Singapur auch seinen Hauskrach. Da ist nach nichts mehr von der immer gepredigten roten Harmonie zu spüren. Da hat sich das Misstrauen eingenistet.
Und schuld daran ist nur Charles Leclerc (21). Dessen Ehrgeiz ist nach den zwei Siegen in Spa und Monza so ungesund geworden, dass er während den 61 Nacht-Runden mehrmals sein Team am Funk beschimpfte.
Bis plötzlich der Befehl von den Boxen kam: «Bring das Auto nach Hause. Mach keine Dummheiten, Charles!» Da wachte der Monegasse wohl kurz auf und sagte: «Okay, wir werden einen Doppelsieg holen. Aber ich finde es unfair!»
Leclerc musste das Feld zusammen halten
Die richtige Wut beim letztjährigen Sauber-Piloten kam nach 19 Führungsrunden auf. Leclerc musste im Zeitlupentempo (er war pro Runde zehn Sekunden langsamer als bei der Pole-Zeit) das Feld aus Strategiegründen zusammenhalten.
Dann holte Ferrari den hinter Leclerc und Hamilton an dritter Stelle liegenden Vettel zum Reifenstopp an die Boxen. Teamchef Binotto nach dem GP: «Wir glaubten, dass Leclerc nach seinem späteren Halt wieder in Führung geht. Doch wir wurden von der eigenen Strategie im Kampf gegen Mercedes überrascht und überlegten sogar, Vettel wieder hinter Leclerc zu bringen.»
Man tat es zum Glück nicht. So musste man sich dauernd die Schimpftiraden von Leclerc an hören: «Was zum Teufel war das? Das ist unfair. Ich will eine Erklärung!» Der Junge, der mit 2,6 Sekunden Rückstand Zweiter wurde, blieb auf dem Podest stinkig.
Vettel verzichtet auf Grazie-Geschrei
Und Vettel? Kein Grazie-Geschrei wie früher nach der Zieldurchfahrt bei seinem 53. GP-Sieg. Der Deutsche blieb in der Sauna-Hölle erstaunlich ruhig, bedankte sich artig beim Team und den Fans: «Ihr habt mich in den schwierigen Monaten mit euren positiven Nachrichten aufgebaut. Und mit dieser Stärke bin ich hier ins Cockpit geklettert.»
Man merkte es Vettel an, wie gross die Last auf seinen Schultern lag, wie gross der Druck seinen Alltag bestimmte. Jetzt endlich der Befreiungsschlag, die Auferstehung nach 392 Tagen. Für Ferrari ists übrigens der 238. Sieg.
Und dann gab er Teamkollege Leclerc noch eine Weisheit mit: «Du bist auf dem Holzweg, wenn du denkst, dass du grösser als das Team bist!»
Mercedes-Wolff froh über Ohrfeige
Und was war mit Mercedes los? Kein Risiko, kein Podest: 4. Hamilton, 5. Bottas. Die Silberpfeile holen beide WM-Titel eben mit kleinen Schritten. Ohne in Gefahr zu geraten. Mercedes-Sportchef Toto Wolff sagt: «Diese Ohrfeige haben wir mal gebraucht.»