Schwarzes T-Shirt, eine kleine Goldkette mit einem Kreuz, zerrissene Jeans. Lewis Hamilton (31) sitzt lässig im Mercedes-Teamhaus, bedankt sich für die Schokolade und die Havanna-Zigarren. Seit er mir gesagt hat «I hate black chocolate» bekommt er die helle Schoggi mit Nüssen. «Du willst mich wohl um eine halbe Sekunde langsamer machen», sagt er und lacht. «Dafür macht mich der Rauch schneller – und Kuba ist ein Ort, wo ich endlich hin will», sagt er und lacht wieder.
Wenige Tage zuvor hat ihn der Rauch, der aus dem Mercedes-Heck kam, in Malaysia 25 WM-Punkte gekostet. «Der Frust ist sicher noch vorhanden – und Motorschäden machen dich auch nicht stärker. Aber wenn du zu viel nachdenkst, baust du nur negative Energie auf.» Es gibt sicher einen passenderen Zeitpunkt, um mit dem dreifachen Weltmeister ein Interview zu führen.
SonntagsBLICK: Sie haben in der Medienkonferenz von Ihren drei wichtigen Erholungstagen in Tokio gesprochen. Und die japanische Hauptstadt zu einem Ihrer drei Lieblingsorte erklärt. Welches sind die anderen?
Lewis Hamilton: New York und Budapest.
Was fasziniert Sie dort?
Ich liebe New York und an Budapest gefällt mir die tolle Architektur. Sie interessiert mich seit vielen Jahren. Und da ist in Budapest auch einiges an Weltgeschichte zu entdecken (Hamilton hatte kürzlich auch eine ungarische Freundin, d. Red.). Zurück zu New York … Ich bin mit vielen Filmen aus New York aufgewachsen. Die Stadt ist einfach schön – und eines Tages will ich dort leben. An Tokio begeistern mich die Kultur und die Menschen. Sie haben ganz andere Werte, und du fühlst dich sofort wohl mit ihnen. Also: New York siegt vor Tokio und Budapest.
Sieg für Amerika. Und wer gewinnt im November dort die Wahl: Hillary Clinton oder Donald Trump?
Wenn ich nur diese zwei Optionen habe, dann heisst die Antwort sicher Clinton!
Ist der Ausgang für Sie entscheidend?
Nein.
Wird die Wahl nicht Ihre Optik auf dieses Land verändern?
Ich glaube, es würde nichts daran ändern. Die Optik hat sich bereits geändert. Seit Trump im Rennen ist. Es sagt bestimmt viel über die Leute aus, die ihn wählen werden, aber damit habe ich nichts zu tun. Und ich kann auch nicht prophezeien, ob er gut oder schlecht für das Land wäre – aber es scheint, dass er für Amerika nicht gut wäre.
Malaysia ist im Moment sicher nicht Ihr Lieblingsthema. Doch wir gratulieren zu Ihrem 100. Auftritt dort in der ersten Startreihe. Nur Schumacher schaffte mit 116 mehr.
Was, schon 100 Mal? Da habe ich mit 49 Siegen ja viel zu wenig erreicht!
Doch bei 183 Starts heisst das, dass Sie bei 55 Prozent aller Rennen aus der ersten Reihe losgefahren sind.
Tönt so, als ob ich bereits zur alten Garde gehören würde. Es reflektiert auch, mit wie vielen grossartigen Menschen ich zusammenarbeiten durfte. Mit hochintelligenten und sehr einsatzfreudigen Leuten. Dafür danke ich McLaren und Mercedes. Wir Fahrer sind ja nur ein Glied in der Kette einer riesigen Organisation.
In Malaysia sind Sie bei der Party Ihres früheren Teamkollegen Jenson Button im Rahmen seines 300. Grand Prix aufgetaucht.
Ich wollte nicht mit ihm feiern, ich wollte ihm nur meinen Respekt erweisen.
300 Formel-1-Rennen – ein realistisches Ziel für Sie?
(denkt lange nach) Das wären ja noch über fünf Jahre. Ich würde nicht darauf wetten, ich weiss es nicht.
Aber Sie könnten ja in den nächsten sechs Jahren noch einige Rekorde von Michael Schumacher verbessern.
Ich weiss es nicht, ob mir das wirklich gelingt. Allein die Zahl seiner Siege schreckt mich mit 91 ab. Jetzt muss zuerst mal mein 50. Erfolg her.
Suzuka, wo Sie die beiden letzten Jahre immer gewonnen haben, ist eine tolle Spielwiese.
Der Hattrick wäre schön. Mit meinen Leistungen von Malaysia und natürlich einem zuverlässigen Auto besteht Hoffnung. Daran glaube ich, daran muss ich glauben – und der Glaube ist eine mächtige Sache. Ich muss jetzt die Stärke in meinem Innern finden.
Sie haben nach dem Ausfall in Malaysia gesagt, dass Sie im ersten Teil der Saison mit ähnlichen Problemen das Gefühl bekamen, dass Ihnen der Titel vielleicht durch die Finger rutscht. Ist jetzt dieses Gefühl wieder da?
Man fühlt sich eben oft machtlos – wie jetzt. Und dann profitiert eben der andere.
Aber bei Mercedes spüren Sie doch viel Wärme, welche Sie seit Ihrer nicht sehr einfachen Kindheit oft vermissten.
Ich bin jetzt seit meinem 13. Lebensjahr bei Mercedes. Diese Marke ist also mehr oder weniger meine Familie geworden. Beide Seiten haben viel in den anderen Teil investiert. Diese Erfahrungen kann dir niemand mehr nehmen. Doch das gilt für viele Athleten in anderen Sportarten. Ich liebe einfach diese Zusammengehörigkeit. In guten und schlechten Zeiten.
Viele Piloten reden stets von Ihrem grossen Traum, einmal für Ferrari zu fahren.
Ich besitze einige Ferrari – also habe ich meinen Traum in der Garage! Für die Italiener im Cockpit zu sitzen gehörte nie zu meinen Zielen. Mein Traum war immer nur die Formel 1. Das heisst jedoch nicht, dass ich Ferrari als Marke nicht bewundere.
Ihr einstiger McLaren-Partner Fernando Alonso hat fünf Jahre versucht, mit Ferrari Champion zu werden. Seit 2013 in Barcelona hat der Spanier nie mehr gewonnen. Redet man darüber?
Wir plaudern schon miteinander, aber das sind dann meist positive und lustige Dinge im Leben.
Würden Sie Alonso gerne wieder in einem Topteam sehen?
Vielleicht wird ja McLaren-Honda bald wieder ganz vorne sein. Ich will gegen die besten Fahrer kämpfen. Das macht mehr Spass!
Sie sehen also McLaren-Honda in den nächsten Jahren wieder als Topteam. Ist dann der Rücktritt von Jenson Button nicht ein Fehler? Er hat ja dieses neue Team aufgebaut.
Vielleicht. Das erfährst du immer nur später.
Neben Button geht auch Massa. Dann sind nur noch Räikkönen und Alonso älter als Sie.
Ja, bald bin ich der alte Mann. Eigentlich unvorstellbar.
Ändert das etwas?
Nein, wenn du deinen Beruf liebst, spielt das Alter keine Rolle. Hallo, ich bin noch jung, doch die Zeit hält niemand auf.
Wehrlein, Ocon, Kvyat oder Verstappen schauen jetzt zu Ihnen hoch – wie war das bei Ihnen im Premierenjahr 2007?
Als ich in der Formel 1 war, habe ich zu keinem Fahrer mehr hochgeschaut. Vorher waren Senna und Schumacher meine Idole. Hochschauen kann man nur zu seinen Eltern. Ich erwarte auch nicht, dass Verstappen zu mir hinaufblickt, er will mich ja schlagen. Siege sind für alle das grosse Ziel.
Das tönt zu einfach.
Nur Fahrer, die nicht glauben, dass sie der Beste sind, schauen zu anderen hoch. Aber die meisten Formel-1-Piloten sind von sich so überzeugt, dass sie es am Schluss noch glauben – keiner ist besser!
Vertrauen Sie auf der Strecke eigentlich jedem Gegner?
Ich vertraue nur mir und meinen Instinkten. Im direkten Kampf komme ich einem Rivalen nicht näher, nur weil ich mir sage, dem kannst du vertrauen.
Also vermeiden Sie heikle Situationen?
Nicht unbedingt, aber du lernst deine Gegner kennen. Es geht eigentlich immer nur um die eine Frage: Haut dir der Vordermann die Türe zu, wenn du vorbei willst?
Ein Lernprozess, bei dem das Hirn die meiste Arbeit macht.
Wissen Sie eigentlich, wie schnell unser Hirn auf jede Situation reagiert? Am Ende entscheidet der Instinkt.
Trotz Ihres Motorschadens in Malaysia haben Sie von allen 32 Weltmeistern die beste Statistik, was die Ausfälle in den Rennen angeht. Ihr Rekordwert liegt bei 6 Prozent. Vettel bringt es auf 8,7 Prozent, Alonso auf 10 und Button auf 11 Prozent.
Interessant, aber das bringt mich auf eine frühere Antwort zurück, als ich mein Umfeld bei McLaren und Mercedes lobte. Ohne diese Menschen wären solche Superwerte nicht möglich.
Sie kommen im Schnitt auf einen Ausfall im Jahr. Vor 20 Jahren hat kaum jemand die Hälfte der Rennen beendet.
Unser Sport verändert sich. Die Welt dreht sich schnell. Jetzt ist längst die digitale Zeit da, Twitter, Facebook, WhatsApp, Snapchat – ich liebe diesen Kontakt zu meinen Freunden auf der ganzen Welt.
Drehen wir das Rad nochmals zurück. 1988 holte McLaren mit Prost und Senna elf Siege in Serie. Mercedes schaffte zweimal zehn, bevor Verstappen in Barcelona und jetzt Ricciardo in Malaysia die Egalisierung des Rekordes verhinderte. Kann Mercedes die nächsten zehn Rennen gewinnen?
Es ist unser Ziel. Interessant wird ja vor allem 2017, wenn alles mit den breiteren Autos und höheren Tempi neu beginnt. Jeden Tag lerne ich etwas dazu, was neu ins Team einfliesst.
Das heikelste Thema: Kommt der Halo oder nicht? Der Heiligenschein scheidet die Geister oder eben die Fahrer.
Das Ding über dem Cockpit sieht schrecklich aus.
Richtig, die Fans hassen es. Und Sie sagten bei der Vorstellung, dass Sie mit diesem Ding niemals Rennen fahren werden.
Ich sage nie nie, ich versuche es wenigstens. Wenn ich nie gesagt habe, dann entschuldige ich mich. Denn du schaust wie ein Idiot aus, wenn du nach einem Nie die Meinung änderst.
Okay. Jetzt sind Sie plötzlich ein Fan von Halo?
Die FIA hat uns aufgeklärt, dass sich mit diesem Halo das Risiko um 17 Prozent verringert, von einem Gegenstand getroffen zu werden. Da macht man sich schon Gedanken.
Jetzt ist der Halo offenbar erst 2018 obligatorisch.
Da können wir nur hoffen, dass 2017 nichts passiert. Der Kopfschutz wird irgendwann kommen. Ausser alle Fahrer sind dagegen – und übernehmen für alles die Verantwortung.
Am Ende haben wir geschlossene Cockpits – und die Fans sehen gar nichts mehr.
Wer die totale Sicherheit will, der muss die Rennautos schliessen! Es wäre nicht gut, die Weiterentwicklung aufzuhalten. Autos fahren ja schon ohne Menschen am Lenkrad durch die Stadt.
Vor zwei Jahren hätte kein Halo dieser Welt Jules Bianchi hier in Suzuka retten können.
Ja, das war ein wilder, ein verrückter Crash. Aber beim Formel-2-Unfall von Henry Surtees 2009 in Brands Hatch hätte ein wegfliegendes Rad den armen Jungen kaum getötet, wäre er mit einem Halo gefahren.
Kommen wir zum Schluss. Als Weltmeister müssen Sie auch ein Vorbild für die Jugend sein. Was halten Sie übrigens von Ihrem Landsmann und Box-Champion Tyson Fury, der jetzt von Selbstmordgedanken und Kokainsucht spricht.
Erstens, nennen Sie mich nie mehr im gleichen Atemzug mit diesem Typen. Zweitens, sage ich dazu nichts, weil ich kaum etwas darüber weiss.
Suzuka – Das war zu erwarten. Hamilton beendete gestern seinen Medientalk mit einem Knall – und verliess den Raum. «Ich bin nicht hier, um eure Fragen zu beantworten. Viele haben mich immer unterstützt, aber nicht alle. Ich hatte am Donnerstag bei der FIA-Konferenz nicht die Absicht, mich unangebracht zu verhalten. Was dann weltweit geschrieben wurde, war respektlos!» Vor allem die englischen und deutschen Medien prügelten auf den dauernd mit dem Handy spielenden Briten ein. Hamilton: «Es sitzen auch einige hier, die das gar nicht betrifft – aber sie müssen jetzt darunter leiden. Sorry!» l R. B.
Suzuka – Das war zu erwarten. Hamilton beendete gestern seinen Medientalk mit einem Knall – und verliess den Raum. «Ich bin nicht hier, um eure Fragen zu beantworten. Viele haben mich immer unterstützt, aber nicht alle. Ich hatte am Donnerstag bei der FIA-Konferenz nicht die Absicht, mich unangebracht zu verhalten. Was dann weltweit geschrieben wurde, war respektlos!» Vor allem die englischen und deutschen Medien prügelten auf den dauernd mit dem Handy spielenden Briten ein. Hamilton: «Es sitzen auch einige hier, die das gar nicht betrifft – aber sie müssen jetzt darunter leiden. Sorry!» l R. B.
Suzuka – 30. Pole-Position für WM-Leader Rosberg. Er war um 0,013 Sekunden schneller als Hamilton. Dem Briten fehlten 83 Zentimeter. Aber er ist darüber nicht unglücklich: Bereits 2014 und 2015 hatte Rosberg in Suzuka den besten Startplatz – und wurde jeweils Zweiter. Hamilton startete die letzten zwei Jahre (wie jetzt) neben dem Deutschen – und siegte! l R. B.
Suzuka – 30. Pole-Position für WM-Leader Rosberg. Er war um 0,013 Sekunden schneller als Hamilton. Dem Briten fehlten 83 Zentimeter. Aber er ist darüber nicht unglücklich: Bereits 2014 und 2015 hatte Rosberg in Suzuka den besten Startplatz – und wurde jeweils Zweiter. Hamilton startete die letzten zwei Jahre (wie jetzt) neben dem Deutschen – und siegte! l R. B.
Er ist gläubig. Er liebt Partys. Er ist schnell. Lewis Hamilton (31) ist einer der schillerndsten Formel-1-Piloten der Neuzeit – und der dominanteste der letzten Jahre. Der Brite mit Wurzeln auf der Insel Grenada startete 2007 erstmals für McLaren in der Formel 1, wurde gleich Vizeweltmeister und 2008 mit 23 jüngster Champion der Geschichte (inzwischen von Vettel abgelöst). Seit 2013 fährt der Ex-Partner von Popstar Nicole Scherzinger für Mercedes und holte die Titel 2014 und 2015 überlegen.
Er ist gläubig. Er liebt Partys. Er ist schnell. Lewis Hamilton (31) ist einer der schillerndsten Formel-1-Piloten der Neuzeit – und der dominanteste der letzten Jahre. Der Brite mit Wurzeln auf der Insel Grenada startete 2007 erstmals für McLaren in der Formel 1, wurde gleich Vizeweltmeister und 2008 mit 23 jüngster Champion der Geschichte (inzwischen von Vettel abgelöst). Seit 2013 fährt der Ex-Partner von Popstar Nicole Scherzinger für Mercedes und holte die Titel 2014 und 2015 überlegen.