Marcus und Felipe, wie fasst ihr die erste Saisonhälfte zusammen und wie bewertet ihr eure Leistung?
Marcus Ericsson: Im Vergleich zur Saison 2014 haben wir bisher solide Leistungen erzielt. Beim Grossen Preis von Australien hatten wir einen guten Saisonstart, bei dem wir mit beiden Autos in die Punkteränge fahren konnten. Allerdings waren die letzten Rennen etwas enttäuschend, da wir an Schwung verloren haben. Alles in allem haben wir aber bisher gute Arbeit geleistet, obwohl wir natürlich mehr Punkte einfahren wollten. Aus persönlicher Sicht habe ich sehr viel dazu gelernt. Es war für mich ein grosser Schritt, zu einem erfahrenen Formel-1-Team zu wechseln. Ich bin bisher mit meiner Performance durchaus zufrieden, aber es gibt auch einige verpasste Chancen, über die ich mich ärgere. Aber so ist das manchmal – man lernt aus solchen Erfahrungen. Es gibt immer Verbesserungspotenzial, und ich arbeite an mir, um in jeglichen Bereichen einen Schritt nach vorne zu machen.
Felipe Nasr: Schaut man zurück auf den Saisonbeginn, haben wir unsere Ziele in der ersten Saison grösstenteils erreicht. Wir haben das Beste aus unseren Möglichkeiten herausgeholt und sammelten wichtige Punkte. Das Resultat des Grossen Preises von Australien war eindrücklich. Das Rennen auf dem fünften Platz zu beenden, war ein spezieller Moment für mich und das Team. Zuletzt durchlebten wir eine eher schwierige Zeit. In Spa-Francorchamps und Singapur kommen Neuerungen an unsere Autos, wir müssen uns also noch ein wenig gedulden. Wir haben noch neun Rennen vor uns, und ich bin mir sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aus fahrerischer Sicht lerne ich jedes Wochenende etwas Neues dazu. Es ist meine erste Saison als Stammfahrer, die natürlich Höhen als auch Tiefen mit sich bringt. Als Team haben wir bisher aber einige schöne Dinge erreicht.
Was waren eure bisherigen Höhepunkte? Was waren eure besten Manöver auf der Strecke?
Felipe Nasr: Höhepunkt war bisher definitiv der fünfte Platz bei meinem ersten Formel-1-Rennen in Australien. Während des Rennens habe ich es geschafft, Daniel (Ricciardo) hinter mir zu halten. Obwohl er mich sehr unter Druck setzte, konnte ich all seine Angriffe abwehren. Ein weiterer Höhepunkt war das Rennen zum Grossen Preis von Monaco. Es war schwierig, mit unserem Auto mit der Konkurrenz mithalten zu können. Ich habe mein Bestes gegeben und bin am absoluten Limit gefahren. Am Ende wurde ich mit Platz neun belohnt.
Marcus Ericsson: Mein Höhepunkt war auch in Australien, da ich dort meine ersten Formel-1-Punkte sammeln konnte. Das war ein grossartiges Gefühl. Aus meiner Sicht war mein bestes Manöver der Zweikampf mit Felipe (Massa) in Montreal, bei dem ich ihn einige Runden hinter mir halten konnte. Ein weiteres war in Australien. Dort konnte ich Carlos (Sainz) noch kurz vor Ende des Rennens überholen. Das war ein schönes Manöver.
Was waren aus sportlicher Sicht eure Tiefpunkte? Was waren eure eindrücklichsten Fehler auf der Strecke?
Marcus Ericsson: Mein Wochenende beim Grossen Preis von Malaysia war gut, da ich in jedem Training unter den Top Ten war. Das Rennen war jedoch schnell zum Vergessen. Im Kampf um Platz sieben kam ich bei einem Überholmanöver von der Strecke ab. Das war wirklich schade, weil es bis dahin für mich gut gelaufen war. Eine verpasste Gelegenheit, doch auch das gehört dazu und ist Teil meines Lernprozesses.
Felipe Nasr: Meinen Tiefpunkt hatte ich in Montreal, als ich das gesamte Rennwochenende mit Brems-Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Zusätzlich machte ich im dritten freien Training noch einen Fehler, als ich beim Aufwärmen der Reifen versehentlich den DRS-Flap öffnete und gegen die Leitplanken fuhr. Aus diesem Fehler habe ich meine Lehren gezogen.
Was könnt ihr aus fahrerischer Sicht im Hinblick auf den Sauber C34-Ferrari verbessern?
Felipe Nasr: Wir wissen, dass unser Auto in einigen Bereichen limitiert ist. Um das zu kompensieren, versuchen wir verschiedene Dinge aus, wie beispielsweise bei der Fahrzeugabstimmung. Wir testen verschiedene Einstellungen – wie ein weiches oder härter abgestimmtes Fahrwerk. Das Auto hat nur einen kleinen Arbeitsbereich, in dem man die beste Performance herausholen kann. Ich bin immer offen, neue Dinge auszuprobieren, um ein noch besseres Verständnis für das Fahrverhalten des Autos zu bekommen. Daraus lerne ich sehr viel.
Marcus Ericsson: Aus fahrerischer Sicht habe ich mich in letzter Zeit verstärkt auf meine Performance im Qualifying konzentriert, da diese zu Beginn der Saison noch nicht so gut war. Bei der Vorbereitung aufs Qualifying habe ich ein paar Dinge geändert, die sich durchaus positiv auswirkten. Deshalb war ich in den letzten Qualifyings durchaus stärker, als zuvor. Dennoch kann ich meine Performance weiter optimieren. Bezüglich des Autos können noch einige Bereiche verbessert werden. Wir wissen, dass das Auto auf Strecken mit schnellen und mittelschnellen Kurven Schwierigkeiten hat. Für mich sind das entscheidende Bereiche, auf die wir uns fokussieren müssen. Es ist wichtig, dass Felipe und ich eng mit den Ingenieuren zusammenarbeiten, um sicherzustellen, in die richtige Richtung zu gehen. Bisher haben wir das getan. Wir müssen weiterhin alles tun, um weitere Fortschritte zu erzielen.
Welchen Input könnt ihr für die Entwicklung des nächstjährigen Sauber C35-Autos geben?
Marcus Ericsson: Wir schildern dem Rennteam an jedem Grand-Prix-Wochenende unsere Eindrücke aus dem Cockpit und diskutieren über Veränderungen oder Verbesserungen. Nachdem Felipe und ich schon jetzt als Fahrerpaarung für 2016 bestätigt sind, können wir uns nun umso mehr in die Entwicklungsarbeit für den C35 einbringen. Das ist grossartig. So können wir helfen, das Auto in die Richtung zu entwickeln, die zu unserem Fahrstil passt. Dabei geht es um unsere Rückmeldungen und darum, dass wir engen Kontakt zu den Leuten im Team halten.
Felipe Nasr: Wir können wertvolle Informationen über Bereiche am Auto geben, die man verbessern sollte. Dazu müssen wir präzise Informationen sammeln, um daraus richtige Schlüsse für den C35 ziehen zu können. In diesem Zusammenhang freut es mich, dass Mark Smith als Technischer Direktor zu uns gekommen ist. Er hat schon jetzt einen guten Überblick über unser Auto. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg und werden nächste Saison öfter, als in dieser Saison, um Punkte kämpfen können. Wir sollten nur sicherstellen, dass uns die Updates, die wir für die nächsten Rennen planen, Vorteile verschaffen. Das wäre der erste Schritt in die richtige Richtung für 2016.
Was erwartet ihr von der zweiten Hälfte der Saison?
Felipe Nasr: Während der zweiten Saisonhälfte werden einige Strecken kommen, wo ich erstmals mit einem Formel-1-Auto fahren werde. Zum Beispiel auf dem Circuit in Japan, wo ich noch nie gefahren bin. Der Grosse Preis von Mexiko, der in den Rennkalender zurückkehrt, findet auf einer Strecke statt, die für alle neu ist. Ich freue mich schon auf unser Auto mit den Updates. Doch so lange wir mit diesen Modifikationen nicht gefahren sind, können wir auch nicht genau sagen, wieviel sie uns bringen. Das Ziel damit ist, bei den Rennen in die Punkteränge zu kommen. In der Konstrukteurs-Wertung sind wir zuletzt zurückgefallen, es wird nicht leicht werden, diese Plätze wieder gutzumachen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass uns die Updates in eine bessere Position bringen werden.
Marcus Ericsson: Für die kommenden Saisonrennen bin ich optimistisch. Unsere Updates in Spa-Francorchamps und Singapur ermutigen mich zusätzlich. Mit diesen Modifikationen könnten wir auf das Niveau zurückkehren, das es uns ermöglicht, um WM-Punkte zu kämpfen. Doch ob das geschieht, müssen wir erst noch abwarten. Sicher ist, dass wir sehr hart daran arbeiten werden, um das Maximum aus unseren Updates herausholen zu können.
In Kürze beginnt die Formel-1-Sommerpause. Wie sehen eure Ferienpläne aus?
Marcus Ericsson: Ich fahre mit Freunden für fünf Tage nach Kroatien, um abschalten und ein wenig entspannen zu können. Danach möchte ich die Zeit in Schweden mit meinem Trainier verbringen und mich auf die zweite Saisonhälfte vorbereiten. Ich werde mit aufgeladenen Batterien zurückkehren und voller Tatendrang und Kampfgeist in die restlichen Saisonrennen gehen.
Felipe Nasr: Ich werde nach Brasilien fliegen. Es ist schon eine Weile her, dass ich für mehr als nur ein paar Tage in meiner Heimat war. Ich freue mich schon sehr auf meine Familie und meine Freunde. Mein Training werde ich trotz allem konzentriert weiterführen. Und dazwischen nehme ich mir Zeit zum Entspannen, um meine Batterien wieder voll aufzuladen – und um die vergangenen Rennen im Kopf nochmals durchzugehen. Es ist wichtig, zwischen den Rennen die Balance zu finden, um ausgeglichener zu werden. In dieser kurzen Sommerpause bleibt genug Zeit, um in bester Verfassung an die Strecke und ins Cockpit zurückzukehren – voller Energie und Zuversicht. (zvg)