Wann haben Sie das letzte Mal bei McDonald's gegessen?
Vor zwei Wochen mit meinen Freunden. Einmal in der Woche gehen wir eben billiger essen. Bei den Rennen ist das natürlich tabu. Warum fragen sie?
Weil sie sich vor einigen Jahren dort als Kassierer beworben haben sollen…
Ich habe mich nicht beworben, aber ich war sehr nahe dran, dort zu arbeiten. Denn zu einem gewissen Zeitpunkt hatte ich kein Auto mehr, um Rennen fahren zu können!
Damals wohnten sie mit der ganzen Familie im Wohnmobil, weil ihre Eltern das Haus verkauft hatten, um ihre Karriere zu retten…
Genau, es waren nicht Monate, es waren Jahre, in denen wir mit dem Wohnmobil durch Europa zu den Rennen fuhren. Meiner Familie verdanke ich alles. Es hat sich ausbezahlt. Ich glaube, ich hätte an meiner Stelle vielleicht nicht so gehandelt, um ehrlich zu sein.
Haben Sie ihren Eltern den grossen Aufwand schon zurückbezahlt?
Nicht jetzt. Ich beginne ja erst, etwas Geld zu verdienen.
Wann wurde Ihnen bewusst, dass der Rennsport nicht nur Leidenschaft ist, sondern vielleicht auch ein Beruf, der sie ernähren kann?
Zuerst habe ich sicher nicht an das grosse Geschäft gedacht. Ich wollte einfach immer ein Formel-1-Pilot werden. Das war mit acht Jahren. Und beim ersten Interview war mein Formel-1-Plan natürlich das grosse Thema.
Und jetzt sind sie im Force India-Mercedes mit 39 Punkten der Shooting Star der neuen Saison…
Danke.
Sind sie überrascht?
Nein, mein Ziel war es, in jedem Grand Prix Punkte zu sammeln. Das ist mir ausser in Monte Carlo mit dem 12. Platz immer gelungen. Wir haben ein Superteam mit den richtigen Leuten am richtigen Ort. Und mit BWT einen grossen Sponsor.
Dann muss Pink ja jetzt ihre Lieblingsfarbe sein…
Nein, das ist und bleibt Rot!
Da hat Pérez kaum seinen schnellen Teamkollegen Hülkenberg an Renault verloren, da hat der Mexikaner mit ihnen jetzt eine noch grössere Konkurrenz…
Etwas habe ich seit der Kart-Zeit gelernt, unterschätze nie einen Teamkollegen. Und in der Formel 1 sind ja die besten Fahrer der Welt unterwegs. Ich weiss nicht, wie Pérez mich eingeschätzt hat. Ich wusste nur, dass ich in das Team mit einem der schnellsten Piloten komme!
Und jetzt hatten sie zweimal, in Montreal und Baku, grosse Probleme mit Pérez. Oder eben umgekehrt. Das Team war vor allem nach dem Crash in Baku angefressen – und hat sie beide zu einer Video-Aussprache ins Werk nach Silverstone eingeladen…
Wir haben dort alles ausdiskutiert. Ich nahme sogar einen Privatflieger nach Silverstone. Und am Ende einigten wir uns, dass der Unfall in Aserbaidschan zu je 50 Prozent auf uns Fahrer geht!
Und in Montreal?
Dort haben wir uns nicht berührt. Es ging nur darum, ob mich Pérez vorbeilässt, damit ich Ricciardo vielleicht hätte überholen können. Sergio wollte vor mir bleiben, damit ist die Sache erledigt. Es ist eine Entscheidung des Teams. Ich hätte meinen geerbten Platz nach drei Runden sicher zurückgegeben – oder ich wäre eben vor Ricciardo gewesen. Wir werden es nie wissen…
Was sagen sie zur Aktion von Vettel gegen Hamilton in Baku?
Sorry, das sollen die beiden unter sich ausmachen.
Pérez hat in Baku nach 36 Formel-1-Rennen erstmals das Ziel nicht gesehen, sie kamen durch. Wie sieht ihre Zuverlässigkeits-Bilanz aus?
Besser. Ich habe über 40 Zielankünfte in Serie in offenen Rennwagen, genau 43 seit meinen Formel-3-Zeiten.
Damit haben sie den unheimlichen Formel-1-Rekord von Nick Heidfeld eingestellt…
(lacht). Jetzt müssen wir eben die 44 noch erreichen.
Lance Stroll wurde in Baku sensationell Dritter – gibt es da einen Neid auf Kollegen?
Nein, jetzt kennen Sie mein Ziel in dieser Saison!
Teamkollegen – für sie noch nie ein Problem?
Nein, du musst deinen Partner immer respektieren. Er hat ja das gleiche Ziel wie du, also kann es da schon mal zu Spannungen führen. Aber das ist normal.
Haben ihnen Formel-1-Kollegen schon mal zu ihren tollen Leistungen gratuliert?
Ja, aber nicht viele.
Wer?
Vettel, Alonso, Stroll und Magnussen.
Schule – wo waren sie gut?
Nirgendwo, Sport was okay und vielleicht noch Englisch. Aber die schönste Zeit war jeweils das ferie Wochenende. Da konnte ich zu meinen Kartrennen fahren.
Und in der Freizeit, die ja immer weniger wird, da lesen sie auch mal ein Buch?
Ja, ich interessiere mich für die Motivation im Sport. Über die grossen Karriere der Stars. Da lese ich alles. Vor allem beeindruckt hat mich die Biografie von Raffaal Nadal.
Und Roger Federer?
Das ist verrückt, wie lange der sich an der Spitze halten kann. Ein Vorbild.
Gehört Tennis auch zu ihren Lieblingssportarten am TV?
Nicht unbedingt. Und sie werden jetzt sicher erstaunt sein: Ich bin einer der grössten Fans von Usain Bolt. Ich verpasse seit Jahren kaum einen 100-m-Lauf von ihm. So schnell müsste man auch Autofahren können…
Wo wohnen sie eigentlich?
In der Normadie.
In der Nähe der legendären Invasion vom Juni 1944, als über 3000 Landungsboote im Einsatz waren…
Ja, unser Haus ist etwa 15 Minuten davon entfernt. Aber ich kenne natürlich alle diese Orte.
Freundin?
Nein, da sollte man vielleicht bald einmal ändern…
Es gibt Bilder von Ihnen, da werden die Frauen richtig neidisch. Wie kann man nur so dünn sein?
Mein Gott. Ich finde diese Bilder schrecklich.
Wie schwer sind Sie denn – und wie gross?
Ein Meter 86 und 67 Kilo. Ich habe nur fünf Kilo Fett. Die Rennwagen-Konstrukteure sind mit meinen Massen sehr zufrieden.
Also gut trainiert?
Ja, viermal in der Woche gehe ich ins Fitness-Center. Für mindestens drei Stunden.
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Persönlich
Esteban Ocon wurde am 17. September 1996 in Évreux in Frankreich geboren. Von 2006 bis 2011 fuhr er Kartrennen (einmal französischer Meister). 2012 kam er in den Formelsport. Und Renault nahm ihn im Förderungsprogramm auf. 2014 gewann er die europäische Formel-3-Meisterschaft. Als Lohn durfte er einen GP-Boliden von Lotus sowie Ferrari testen. Und beim freien GP-Training in Abu Dhabi sass er für 90 Minuten schon im Lotus. 2015 wurde er GP3-Meister, wechselte ins Förderungsprogramm zu Mercedes, testete bei Force India. 2016 ersetzte er ab Spa bei Manor den zahlungsunfähigen Haryanto als GP-Stammfahrer neben Wehrlein.