Willkommen auf der Fazienda Ycatu, 130 Kilometer nördlich von Sao Paulo. Man sieht überall nur Wald, Wiesen, Seen, Kühe, Rinder und Berghänge. Und was gehört jetzt dir, Bernie? Die Frage amüsiert Ecclestone: «Einige Hektaren, genau weiss man das nicht. Aber am besten schaust du in alle vier Himmelsrichtungen – und überall dort, wo der Horizont auftaucht, ist auch noch unsere Farm!»
2012 hat der Brite, als er in Thun seine Brasilianerin Fabiana (41) heiratete, dieses Juwel in der Heimat seiner Frau gefunden, «weil der OK-Chef des GP von Brasilien daneben eine Farm hat.» Nicht einmal zehn Millionen Euro soll Ecclestone für das verwilderte Gebiet «mit einer heruntergekommenen Hühnerfarm» bezahlt haben.
Innert drei Jahren hat Bernie, mit seinem Hang zur Perfektion, das stilvolle Paradies erschaffen. Ecclestone: «Um Himmelswillen, sag nicht Paradies. Die Paradise-Paper haben einen schlechten Ruf, wie früher die Panama-Papers!»
Ab und zu zwickts Bernie im Rücken
Der Mann ist hellwach. Nur seine Sehstärke ist nicht besser geworden, so dass er alle Papiere (darunter viele Zeitungsartikel) keine fünf Zentimter vor den Augen begutachtet.
Und sonst? «Ab und zu zwickt es im Rücken. Deshalb lasse ich oft eine Physiotherapeutin kommen.» Trotzdem beugt sich Ecclestone später auf dem Tennisplatz nach den gelben Bällen, die Fabiana während ihren Trainingsstunden verschlägt. Vor drei Jahren ist sie auch den London-Marathon gelaufen.
Sein Wunsch, dass sie ihn «eines Tages tot aus dem Fahrerlager tragen müssen» geht für Bernie nicht in Erfüllung. Am 21. Januar 2017 wurde er als Geschäftsführer von Formel-1-Hauptaktionär CVC entlassen.
Einige Monate später verkauften CVC und Ecclestone ihre Anteile (über 30 Prozent) am gleichen Tag – und kassierten so weit über eine Milliarde Dollar. Bernie blieben einige hundert Millionen.
Aber Geld war nie die Antriebsfeder für Ecclestone. 2009 liess er sich in 58 Sekunden von der zweiten Frau Slavica scheiden – und legte dafür rund 600 Millionen auf den Tisch.
Im August 2014 kürzte Bernie den Bestechungsprozess in München kurz vor dem Freispruch ab. Er offerierte dem Gericht 100 Millionen Dollar, «weil ich müde war, mir die ewigen Übersetzungen aus der deutschen Sprache anzuhören.» Als ihn der Richter dann bat, noch etwas für ein Kinderhilfswerk zu spenden, gabs noch einen Check über eine Million.
Klar, dass Bernie Ecclestone von der Queen trotz grossen Verdiensten nie zum Sir (wie Frank Williams, Stirling Moss oder Jackie Stewart) geadelt wurde.
Damit kann Bernie leben. Er umarmt seine Fabiana, küsst sie und lächelt: «Ich hatte es in meinen 50 Formel-1-Jahren noch nie so ruhig! Auch wenn ich mir gerne noch etwas Dramen in meinem Leben wünsche!»
Leibwächter zur Sicherheit dabei
Ja, viele nannten den 1,60 m grossen Zampano früher sogar den Brandstifer, der zur richtigen Zeit im GP-Zirkus ein Feuer entfachte, die Löschgeräte aber längst installiert hatte! «Die Demokratie hat in der Formel 1 keinen Platz. Das werden auch die neuen Besitzer bald merken! Bis jetzt haben sie noch nichts erreicht!»
Die offizielle Kritik ist damit vorbei. Seine Sekretärin bringt neue Papiere für eine Unterschrift und englische Zeitungsberichte über die Formel 1 und seine Familie. Man spürt es deutlich, dass ihn das verrückte Privatleben seiner Töchter Petra (29) und Tamara (33) nicht amüsiert.
Am Abend sitzen wir im schmuck eingerichteten Haupthaus direkt neben der riesigen Küche mit drei Angestellten an einem schlichten Holztisch. Das wunderbare Essen dreht sich auf einer Scheibe. Rechts von mir sitzt eine Frau, die im August 2016 weltweit in die Schlagzeilen kam: Aparecida (68), die entführte Schwiegermutter von Ecclestone. Die Sache nahm ein unblutiges Ende. Bernies Arm ist lang.
Auch wenn auf der mit über 40 Monitoren überwachten Farm keine Luxusautos zu sehen sind – als wir am nächsten Abend Abend ins zehn Kilometer entfernte Dorf Amparo in eine Pizzeria fahren, folgt unserem Auto eine schwarze Limousine. Mit bewaffneten Leibwächtern. Einfach zur Sicherheit.
Der Mann mit den 1000 Geheimnissen im Kopf freut sich, «wenn Vettel oder Verstappen mal anrufen! Früher haben fast alle Fahrer mein Motorhome gestürmt, wenn sie ein Problem hatten!»
Wieder klingelt das Handy. Sein Dauerkumpel Flavio Briatore ist am Apparat. Kurz darauf ein Anruf aus Argentinien von seinem früheren Starpiloten Carlos Reutemann (75). Der Mann mit den Schweizer Wurzeln aus Guntalingen ZH, ist an Krebs erkrankt.
Prost war für Ecclestone der Beste
Über 30 Menschen arbeiten auf der Farm, betreuen die rund 600 Kühe und Rinder, die 18 Pferde, die sechs Ponys, die acht Hunde und die Dutzende von Hühnern und Schwänen. Wer ins Haus eintritt, sieht links einige Teiche mit über 30 der teuren, farbigen japanischen Koi-Karpfen…
Ecclestone mit seinem ewigen Humor: «Wenn du schon gratis hier wohnen darfst, dann kannst du auch zweimal am Tag bei den Hühnern die Eier holen und sie füttern!»
Mit der Formel 1 hat Bernie zwar nicht ganz abgeschlossen, doch in der brasilianischen Oase des Friedens soll kein Groll aufkommen. Eine kurze Bilanz? «Für mich war Alain Prost der beste Pilot aller Zeiten. Mit etwas Glück hätte er sechs WM-Titel.»
Lachen muss er über Ferrari, das wieder einmal mit Rückzug droht. «Das alte Spiel. Wenn sie nicht gewinnen, herrscht meist Panik. Max Mosley und ich könnten eine lange Liste machen, wo wir Ferrari geholfen haben. Aber sie streiten es immer ab.»
Damit ist auch die Polemik erledigt. Wir fahren mit dem Golfwägelchen zur 500 Meter entfernten Kaffee-Fabrik. Ein unauffälliges Gebäude. Dort regiert Fabiana mit einigen Mitarbeitern. Noch wird der Celebrity Coffee aus der eigenen Plantage nur in Brasilien verkauft. «Bernie hat die modernsten Maschinen aus Italien kommern lassen. Für ihn ist nur das beste gut genug!»
Daneben entdecken wir sogar einen Fussballplatz für die Angestellten, denen Ecclestone 22 kleine Häuser mit Garten bauen liess. Zufriedene Mitarbeiter erhöhen die Arbeitsmoral.
In diesen Tagen bereiten die Ecclestones den endgültigen Umzug von London in die Schweiz vor. Nach Gstaad, wo er seit 32 Jahren sein Chalet und auch einige Freunde hat. Auch das Hotel «Olden» hat Bernie erworben. «Vielleicht war es ein Fehler, dass ich nie den roten Pass beantragt habe!»
Vor Jahren hat er in der Nähe auch das Skigebiet «Glacier 3000» erworben. Man hat es ihm «sehr günstig» angeboten. Und selbst Skifahren? Bernie lacht: «In meinem Alter macht man keine Dummheiten mehr!»