Marcus Ericsson war im Sauber mit 310 km/h vor den Boxen gerade vorbeigerast, als der in schwarz gekleidete Mann von der Tribünenseite zu seiner lebensgefährlichen Aktion startete.
Im Hintergrund flog bereits Nico Hülkenberg im Force India-Mercedes heran. Doch der Unbekannte schaffte es auf die andere Seite und rettete sich mit einem Hechtsprung durch eines der Löcher in den Drahtzäunen. Dann verschwand der Mann.
Wie in Hockenheim und Silverstone
Wer die dramatische Szene sah, wurde sofort an ähnliche Ereignisse erinnert: In Hockenheim 2000 war es ein entlassener Mercedes-Angestellter aus Frankreich, der damit protestieren wollte. In Silverstone 2003 war es ein irischer Pfarrer, der mit der Bibel auf einer Geraden herumlief, wo die Autos mit über 320 km/h unterwegs waren.
Erstes Training: Mercedes-Show
Die Niederlage in Malaysia durch den neuen Ferrari-Star Sebastian Vettel hat Mercedes mehr geschmerzt, als man es im Silberpfeil-Lager zugibt. Doch in China ist am Sonntag die grosse Revanche abgesagt.
Die ersten 90 Trainingsminuten bei immerhin 14 Grad und 30 auf dem Asphalt brachten schnell die Bestätigung, dass vor allem Lewis Hamilton (30, jetzt wieder mit neuer Frisur) heiss auf seinen vierten China-Sieg, dem 35. GP-Triumph, ist.
Malaysia-Pleite schmerzt
Mit einem neuen Frontflügel hat Mercedes schon die erste Antwort auf die Niederlage im Glutofen von Kuala Lumpur vor zwei Wochen gefunden. Dass dabei der exentrische Brite seinem deutschen Teamkollegen Nico Rosberg (29) gleich mit einem Vorsprung von einer halben Sekunde schockte, gehört wohl zum Plan von Hamilton.
Er kämpft hinter den Kulssen weiter um einen neuen Vertrag ab 2016. Es geht offenbar weiter um Details in einem 80-Seiten-Vertrag, der ihm jährlich rund 35 Millionen Franken einbringen soll.
«Als mein eigener Manager muss ich mich jetzt durch diese vielen Seiten kämpfen. Und alles in der Sprache der Anwälte. Da brauche ich Zeit», sagt Hamilton.
Hinter dem Mercedes-Duo lauert, allerdings mit 1,5 Sekunden Rückstand, die Fahrer-Paarung von Ferrari, mit Sebastian Vettel (27) und Kimi Räikkönen (35). Vettel: «Wir wissen, dass wir näher an Mercedes dran sind, aber wir müssen auf dem Boden der Realität bleiben. Siege sind dieses Jahr eher selten!»
Sauber: Neuer Frontflügel
Bei Sauber liess man sich am Morgen in Shanghai den tollen fünften Platz von Felipe Nasr (22) notieren. Die Hinwiler brachten nur einen neuen Frontflügel nach China mit – und er schlug beim Brasilianer gleich ein. Erstaunlich, dass bei Sauber trotz vielen Widrigkeiten immer wieder Modifikation hervorgezaubert werden können.
Teamkollege Marcus Ericsson (24) landete auf Rang 14 – mit 0,8 Sekunden Rückstand. Doch der sensationelle Ferrari-Antriebsstrang hält auch den Schweden im langgezogenen Mittelfeld.
Wieder Gnadenbrot für Manor?
Die beiden Schlusslichter werden das ganze Jahr als rote Laterne leuchten: Der Brite Will Stevens (am Morgen 6,3 Sekunden zurück) und der Spanier Merhi (am Morgen 7,4 zurück) sind wegen der mehr als umstrittenen 107-Prozent-Regel wie in Malaysia auf den Goodwill der FIA-Rennkommissäre angewiesen.
Und einer davon ist hier – etwas seltsam – Ex-GP-Pilot Mark Blundell. Der Brite ist nämlich der Manager von Merhi… Am besten schafft man diesen 107-Prozent-Blödsinn gleich ab – und lässt einfach alle 20 Autos starten. Solange man noch soviele Kisten hat! Am Nachmittag waren die Manor etwa gleich langsam!
Zweites Training: Drama und Crashes
Am Nachmittag, als die meisten Teams auch mit der weichen Gummimischung unterwegs waren, liess Weltmeister Hamilton erneut keine Zweifel offem, wer 2015 der Chef im Ring ist.
Räikkönen (Ferrari) konnte als einziger Fahrer etwas mithalten, verlor 0,4 Sekunden. Ricciardo (Red Bull) lag als Dritter schon 1,1 Sekunden zurück. Vor Vettel und Rosberg.
Eine halbe Stunde nach dem irren Sprint des Mannes über die Piste, wurde Massa eine Bodenwelle am Ende der gigantischen Geraden zum Verhängnis. Doch der Brasilianer konnte den Williams-Mercedes gut abfangen, küsste die Mauer nur leicht.
Wie am Ende des Trainings auch der Russe Kvyat im Red Bull-Renault nach einem totalen Bremsversagen. Ja, den rund 20 000 Zuschauern wurde auf der 5,4 km langen Strecke etwas ausserhalb von Shanghai einiges geboten.
Sauber: Gute Startplätze?
Beim Schweizer Team darf man sich nach dem guten Freitag für die Qualifikation am Samstag um 3 Uhr Lokalzeit (9 Uhr MEZ) einige Hoffnungen machen. Der neue Frontflügel (leider wurde nur einer fertig) brachte am Morgen Nasr auf den 5. Platz, am Nachmittag reichte es mit dem fast gleichen Rückstand noch zu Position 8 – wieder rund 0,8 Sekunden vor Ericsson aud dem 13. Platz.
Allerdings hinter den beiden Weltmeister Alonso und Button, die im McLaren-Honda langsam aber sicher Terrain gutmachen. Ob es schon in China zu den ersten Punkten reicht. Auf diese hofft auch Lotus-Mercedes, das sich ebenfalls mit beiden Fahrern (Grosjean und Maldonado) zwischen Nasr und Ericsson klassierte.