Entmachteter Formel-1-Boss Bernie Ecclestone
«Auch den Neuen geht es nur ums Geld»

Der 23. Januar 2017 änderte sein Leben: Bernie Ecclestone (86) wurde als Formel-1-Chef entmachtet. Mit seiner neuen Rolle als beratender Ehrenpräsident kann er nach 40 Jahren Diktatur nichts anfangen!
Publiziert: 04.06.2017 um 15:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:15 Uhr
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Bernie Ecclestone hängt noch immer sehr nah an der Formel 1.
Foto: Imago
Roger Benoit

Sein Rücktritts-Plan war seit Jahren immer der gleiche: «Man muss mich zuerst tot aus dem Fahrerlager tragen!» Jetzt ist Ecclestone immer noch da – und muss mit der neuen US-Regierung der Liberty Group leben. Das fällt ihm natürlich schwer. Trotzdem oder eben deshalb tauchte der Brite dieses Jahr schon bei vier von sechs Rennen auf.

In Monte Carlo waren Sie am Sonntag plötzlich weg. Warum?
Bernie Ecclestone:
Früher bin ich immer bis zum Start geblieben und habe kontrolliert, ob das internationale Signal für die TV-Übertragung funktioniert. Dann war für mich der Job vorbei.

Und diesmal?
Da bin ich noch am Samstag nach Gstaad gereist und habe mir das Rennen mit einigen Gästen am TV angeschaut.

Sie hatten als Weltmeister-Tipp jeweils Hamilton und Mercedes abgegeben. Hat sich das nach Monte Carlo geändert?
Ferrari hat jetzt das bessere Auto, macht einen sehr starken Eindruck. Bei Mercedes muss man aufpassen.

Auch Vettel ist in Hochform…
Als Räikkönen den Start gegen Vettel gewann, habe ich den Gästen sofort gesagt: In dieser Reihenfolge kommen die zwei Ferrari nicht ins Ziel. Das war doch klar!

Im Mai hat der Terror in Manchester mit über 20 Toten wieder in Europa zugeschlagen. Hat die Formel 1 zu Ihrer Zeit nie eine offizielle Warnung oder so erhalten?
Doch. Einmal in Hockenheim wollte man das Mediencenter in die Luft sprengen. Auch in Silverstone hat die Polizei zweimal den Pressesaal geräumt und wie im Fahrerlager nach Bomben gesucht. Wir hatten wohl Glück.

Chase Carey, der Mann der ihre führende Rolle als kommerzieller Verwalter übernommen hat, kritisierte ihre erfolgreiche Arbeit seit fast 50 Jahren…
Damit muss ich leben. Vielleicht hätte ich mehr Dinge ändern müssen. Der Weg der Amerikaner besteht jetzt darin, dass man grundsätzlich alles ändern sollte.

Ihre Ziele?
Die waren immer klar: Ich wollte das Formula One Management (FOM, die Red.) als Geschäftsführer so führen, dass sie für den Anteilseigner Profit abwirft. Am Ende waren die Anteile so hochwertig, dass dies der Grund für den Kauf durch die Liberty Group war. Sonst hätten die Amis die Formel 1 sicher nicht erworben.

Wie beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Mister Carey?
Na ja, er braucht mich nicht. Er sagt, dass er weiss, was er tut. Dazu hat er sich mit Menschen umgeben, die behaupten auch zu wissen, was sie tun. Also...

Was erwarten Sie dann von den neuen Inhabern der kommerziellen Rechte?
Ich weiss es nicht. Momentan machen sie Sachen, die ich nie tun oder getan hätte!

Das wären?
Sie verwenden viel Geld und Zeit zum Thema soziale Medien. Ich war und bin es immer noch nicht – ein Freund von dieser Art Kommunikation. Ich sehe keinen guten Beitrag zum Thema Formel 1. Ausser dass es eine Menge der bis dahin zuständigen TV-Anstalten verunsichert und verärgert.

Gibt das Probleme?
Ja. Wir haben nämlich einen Vertrag mit diesen TV-Sendern, der sehr exklusiv ist. Aber momentan sieht es so aus, dass man Dinge aus der Formel 1 ohne dafür zu bezahlen frei Haus geliefert bekommt.

Ihr Job wird jetzt unter drei Leuten aufgeteilt…
Das ist doch fast schon ein Kompliment. Es ist jetzt eben eine völlig andere Denk- und Arbeitskultur.

Der einzige aus diesem Trio, der etwas von der Formel 1 versteht, ist Ross Brawn.
Das ist so eine Sache. Er hatte nie einen Einblick in unser Geschäft. Er hat als Ingenieur mit Flavio Briatore bei Benetton gearbeitet. Dann ging er zu Ferrari… und ich möchte hier nicht darüber sprechen, wie er später sein Team installierte und geleitet hat. Er verfügt nicht über das grosse Bild der Politik und der kommerziellen Abläufe.

Wie kann er dann helfen?
Oh, Ross ist kein Idiot. Er wird vielleicht in seine Arbeit hineinwachsen.

Jetzt diskutiert man wieder einmal über die Motoren-Zukunft. Selbst Red Bull klagt, die V6-Hybridaggregate seien viel zu teuer.
Das hätte ich Ihnen vor sechs Jahren sagen können, als man in die grüne Richtung plante. Ich habe damals alle vergeblich davor gewarnt – und habe Recht behalten.

Wird die neue Formel 1 am Ende ein Erfolg?
Oh ja. Und ich bin der erste, der den Verantwortlichen dann gratuliert. Doch noch ist es nicht soweit. Zur Zeit kommt mir die Formel 1 so vor wie das Geschäftsmodell von Starbucks vor.  Da ist immer jemand da, der Milch in den Kaffee giesst. Es ist immer jemand ansprechbar in einer Sache, die bereits da ist und die Abläufe immer funktioniert haben. Zur Not verbessert man auch mal Dinge, die man für verbesserungsfähig hält. Aber alles für den unwahrscheinlichen Fall…

Trinken Sie Kaffee?
Nein.

Wie beurteilen Sie also die aktuelle Lage – oder was empfehlen Sie?
Warum sollte ich diesen Herren etwas empfehlen. Sie haben wie gesagt andere Ansichten.

Also doch beunruhigt?
Nein, ich habe eben eine sehr persönliche Einstellung zur Formel 1. Ich möchte, dass sie besser wird und wächst. Denn am Ende geht es auch den neuen Besitzern nur um das Geld.

Die Rennen 2017 sind jetzt spannender. Nach den drei doch eher langweiligen Saison mit der Mercedes-Dominanz.
Richtig, aber das hat nichts mit der neuen Führung zu tun. Ich setzte mich vor zwei Jahren für ein neues Reglement ein. Mit Pirelli, breiteren Reifen und breiteren Autos. Das hat jetzt die Situation zum Glück verändert. Doch am Ende gewinnen doch immer die gleichen drei Teams.

Man hat das Gefühl, dass Sie mit dem Thema Formel 1 noch nicht abgeschlossen haben…
Kein Wunder. Ich war und bin mit diesem Thema seit Jahrzehnten extrem eng, auch emotional, verbunden. Viele Geschichten, viele Freunde. Gute und weniger gute. Vor diesem Hintergrund läuft meine Reaktion ab.

Ist die Formel 1 ihre grosse Liebe des Lebens?
Wenn Sie wollen, dann ist das richtig. Ich fuhr mit 16 Rennen und bin immer noch ein Racer.

Und ihr tägliches Leben?
Ich gehe weiter sehr früh in mein Büro und verlasse das oft sehr spät. Da behalte ich meinen Rhythmus.

Keine gemütlichen Tage mit Ehefrau Fabiana.
Doch doch. Wir reisen oft und sind nicht mehr von meiner frühere Rennagenda abhängig. Das hat sich geändert. Aber ich bin jetzt ein scharfer Beobachter geworden.

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