Der deutsche Formel-1-Klassiker verschwindet im Hochsommer 2018. Nach dem Nürburgring (letzter Sieger war 2013 Vettel) wirft jetzt auch Hockenheim das Handtuch. Das zweite Heimrennen nach Monza der Schweizer Fans.
In Italien sprang hinter den Kulissen auch Ferrari ins finanzielle Rettungsboot. In Deutschland kommt jede Hilfe zu spät. Die Autogiganten Mercedes, BMW, Audi, Opel, VW und Porsche, die den Nürburgring und Hockenheim in anderen Serien nützen, haben für eine Finanzspritze keine Unterstützung mehr. Weder intern noch nach aussen. Sie haben andere Sorgen. Abgas-Skandale, Millionen-Strafen, usw.
Hockenheim muss Liberty Media rund 12 bis 15 Millionen Euro pro Auftritt auf den Tisch legen. Bei mehr als 60 000 Fans werden die Amis zudem noch am Gewinn beteiligt, diesmal werden 70 000 Fans erwartet. So sieht Georg Seiler, seit 1991 Geschäftsführer der Hockenheim GmbH und seit 40 Jahren hier im Direktorium, keine Zukunft mehr. «Wir können nicht jedes Jahr Verlust machen! Und die goldenen Zeiten mit Schumi im Ferrari sind leider längst vorbei.»
Genau wie die billigen Eintritsspreise, die sich in den letzten 50 Jahren verzehnfacht haben. Da investieren die Familien ihr Geld lieber in einen Urlaub am Meer.
Nur noch Hamilton (Silverstone) und Verstappen (Spa) füllen dort jedes Jahr die leeren Kassen mit ihren Fans wieder auf.
Hockenheim folgt auf alten Nürburgring
Der GP von Deutschland kam 1970 in Hockenheim übrigens nur zur WM-Premiere, weil die Fahrer auf der 22 km langen Nordschleife in der Eifel zehn Kilometer Leitplanken verlangten. Die Frist für die Erfüllung der Forderung war zu kurz. Auf nach Hockenheim.
Die Piste in der Nähe von Heidelberg war 1968 weltberühmt geworden: Der zweifache Weltmeister Jim Clark verunglückte bei einem Formel-2-Rennen tödlich.
Nach dem Auftakt-Sieg von Jochen Rindt im Lotus (fünf Wochen später starb er in Monza) musste Hockenheim bis 1977 auf das zweite Rennen warten.
Denn das Feuer-Drama am 1. August 1976 von Niki Lauda auf dem Nürburgring war das GP-Ende der Grünen Hölle. 1984 kehrte man dort mit einer neuen Strecke in den Zirkus zurück.
Doch Hockenheim hatte das Kommando übernommen. Hier feierten neben Rindt auch Gerhard Berger 1997 auf Benetton (kurz nachdem sein Vater im Privatjet abgestürzt war) und Alain Prost 1993 auf Williams-Renault ihre letzten Siege. Für den Franzosen war es der 51. GP-Erfolg.
2010 fuhren noch sieben Deutsche mit!
Genau diese Marke hat vor zehn Tagen Sebastian Vettel in Silverstone erreicht. Der Ferrari-Star und WM-Leader ist neben dem seit 145 Rennen podestlosen Renault-Piloten Nico Hülkenberg (ebenfalls 31) der einzige Deutsche im Feld. Beide kamen als Sieger der Formel BMW Junior 2004 und 2005 in die Formel 1.
Jetzt stockt die deutsche Nachwuchsausbildung. Es bleiben nur noch Erinnerungen an 2010, als gleich sieben Fahrer hier starteten: Schumi, Vettel, Rosberg, Hülkenberg, Heidfeld, Glock und Sutil.
Nach dem Scheitern von Pascal Wehrlein (trotz Mercedes-Unterstützung bei Manor und Sauber) ist kein echtes Talent mehr in Sicht. Auch wenn Michaels Sohn Mick und David Schumacher (Sohn von Ralf) versuchen, nach oben zu kommen.
Die kleine Stadt Hockenheim ist ab Freitag zum 36. Mal GP-Ort. Picken wir einige Rennen heraus. 1994 gingen die Bilder vom grössten Boxenfeuer der Geschichte um die Welt: Max Verstappens Vater Jos kam mit versengten Augenbrauen davon.
Legendäre Sieger – auch neben Schumi
1995 gewann Schumi hier im Benetton. Als erster Deutscher bei einem GP von Deutschland. 2000 schaffte es im 123. Anlauf endlich Rubens Barrichello im Ferrari. Doch er brauchte bei seiner Aufholjagd vom letzten Platz die Hilfe eines frustrierten Mercedes-Mitarbeiter aus Frankreich. Dieser protestierte mit einem Regenumhang mitten auf der Strecke gegen die Arbeitsbedingungen.
Sofort kam das Safety Car raus – und die beiden mit fast 30 Sekunden führenden Silberpfeile von Häkkinen und Coulthard wurden so eingebremst und dann im Regen vom Brasilianer überholt!
2006 liess Schumi den Hockenheim-Hexenkessel zum letzten Mal richtig explodieren: Sieg. Wenige Wochen später verkündete er in Monza unter Tränen den Rücktritt. Um 2012 mit Comeback-Mercedes für drei Jahre erfolglos zurückzukommen. Nur ein dritter Platz 2012 Valencia…
2010 entsetzte wieder einmal eine Ferrari-Stallorder die Sportwelt: Leader Massa musste Alonso vorbeilassen. Die Busse von 100 000 Euro störte die Italiener nicht.
Und 2012 siegte wieder Fernando Alonso in Hockenheim. Doch am meisten jubelten die Sauber-Fans: 4. Kobayashi, 6. Pérez. Oder 20 WM-Punkte! So erfolgreich waren die Hinwiler seither nie mehr.