Wer ist Lewis Hamilton? Die Frage ist einfach, die Antwort äusserst kompliziert. Kaum ein Sportler vereint so viele Facetten in sich wie der britische Superstar. Sicher ist: Der 35-Jährige ist der erfolgreichste Formel-1-Fahrer, den die Welt je gesehen hat.
Hamilton hat dem 7. WM-Titel in der Königsklasse mit dem Sieg beim GP der Türkei die Krone aufgesetzt. Mit einer grandiosen Vorstellung und grossen Emotionen nach der Zieldurchfahrt.
7 Titel! Damit zieht er mit dem legendären Michael Schumacher gleich und wird zum Rekordhalter. Eine Leistung, die noch vor ein paar Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Die meisten GP-Siege hat er sowieso schon (93), ebenso die meisten Pole-Positionen (97).
Hamilton: Wie Federer, Jordan oder auch Ali
Hamilton schreibt Sport-Geschichte. Seine Erfolgen gehören zu den grössten Karriere-Leistungen im Weltsport. Er steht diesbezüglich in einer Reihe mit Namen wie Roger Federer, Rafael Nadal, Tiger Woods und Michael Jordan.
Doch Lewis Hamilton ist mehr als die Trophäen, die er stemmt. Er versprüht Glamour, was ihn mit einem Cristiano Ronaldo oder Usain Bolt gleichsetzt. Er setzt sich für eine bessere Gesellschaft ein, was ihn in ähnliche Sphären hebt wie Muhammad Ali, Colin Kaepernick oder Tommy Smith.
Aus diesen Gründen würdigt BLICK diesen Superstar, der in keine Schublade passt. Lesen Sie mehr über sieben Facetten von Lewis Hamilton.
Der Familienmensch
Die Familie, sie bedeutet Lewis Hamilton alles. «Mein Vater ist für mich der grossartigste Mann», sagt er. Das war nicht immer so. Viele Jahre lang waren er und Papa Anthony unzertrennlich – als Vater und Sohn sowie als Manager und Fahrer. Doch 2010 kam es zum Bruch.
Lewis war unglücklich, es war ihm zuviel Manager, zu wenig Papa. Er trennte sich von seinem Vater, beide sprachen über ein Jahr nicht miteinander. Erst mit der Zeit erlaubte er wieder eine Annäherung. «Ich habe Freunde, die keinen Vater mehr haben, oder mit ihm nicht mehr reden. Das wollte ich nie», sagt der Mann aus Stevenage (Gb) heute. «Unsere Beziehung ist jetzt fantastisch.»
Der auf Grenada geborene Anthony hat die Welt-Karriere seines Sohnes erst ermöglicht. Neben seinem Beruf als Eisenbahner hatte er zwei weitere Jobs angenommen, um den teuren Sport zu finanzieren.
Als Lewis zwei Jahre alt war, trennten sich seine Eltern. Das Verhältnis zu seiner leiblichen Mutter Carmen («meine beste Freundin») ist praktisch gleich gut wie zu Stiefmutter Linda.
Besonders nah steht ihm Halbbruder Nicolas. Sieben Jahre jünger als Lewis, sass er als Kind wegen infantiler Zerebralparese im Rollstuhl. Als er deswegen gemobbt wurde, stand ihm sein Bruder bei. «Die Leute lachen über den Rollstuhl? Dann lass es uns cool machen», habe Lewis gesagt. Nicolas: «Er hat mir beigebracht, wie man Wheelies und so etwas im Rollstuhl macht.»
Das sagt Papa Anthony Hamilton
«Seit er mit acht Jahren begonnen hat, hatten wir immer eine liebevolle Vater-Sohn-Beziehung zueinander. Die Trennung hat mir das Herz gebrochen. Aber er musste auf sich selber schauen.»
Der Rennfahrer
Seine grösste Stärke als Formel-1-Pilot? Hamilton wird immer besser! Sein Fahrstil ändert sich von Jahr zu Jahr. Lewis arbeitet akribisch an sich, passt sich ans neue Auto an, an die Reifen, an alles. «Es gibt immer Dinge, die man verbessern kann. Und wenn es nur die Kommunikation mit dem Team ist.»
Hamilton sieht sich als der Fahrer, der sich am besten auf unterschiedliche Situationen einstellen kann. Er fragt beispielsweise ständig bei seinem Team nach, wie sich der Wind dreht – um entsprechend zu reagieren. Kaum ein anderer Pilot macht das.
Der Brite bremst spät, aggressiv und macht so oft den Unterschied. Und vor allem: Hamilton macht kaum Fehler – auch unter grösstem Druck. Diese Konstanz lässt ihn so dominant erscheinen.
Früher zuweilen als rücksichtslos bezeichnet, ist er heute am Lenkrad ein Gentleman, fährt mit grossem Respekt vor seinem Sport und den Gegnern.
Schon als Zehnjähriger gewann er erste Go-Kart-Rennen. Die Frechheit, die Klein Lewis damals auf der Strecke hatte, zeigte er auch daneben. «Hi, ich bin Lewis Hamilton, ich möchte einmal mit Ihrem Auto Formel-1-Weltmeister werden», sagte er bei der Autogrammjagd zum damaligen McLaren-Chef Ron Dennis. 2008 löste er dieses Versprechen ein.
Neben der Rennstrecke war sein Fahrstil nicht immer unbestritten. 2010 hat die Strassenopfer-Stiftung «Roadcross» den damals in Vésenaz GE wohnhaften Hamilton angezeigt und forderte wegen seines Fahrstils den Führerschein-Entzug.
Das sagt Ex-Teamkollege Jenson Button
«Lewis weiss genau, was er tut. Er schaut immer nach den Reifen, dem Benzin, dem Auto. Er ist beispiellos talentiert und er spielt niemals dreckig. Ehrlich gesagt ist er wohl der sauberste Typ, gegen den ich je gefahren bin.»
Die Ikone
Lewis Hamilton vereint viele Talente. Er spielt Klavier, singt leidenschaftlich, schauspielert und entwickelt sich zum Mode-Designer – eine Ikone der Pop-Kultur.
Als Modeschöpfer hat er (noch) am meisten Erfolg abseits der Rennstrecke. Für das Label Tommy Hilfiger entwickelt er seine eigenen, schrillen Kollektionen, beschreibt seinen Stil als «urban chic».
Die Liebe zur Mode entwickelte er als Teenager, inspiriert von der Hip-Hop-Szene. Endgültig um ihn geschehen war es bei seiner ersten Fashion Show. «Es ist energiegeladen, voll von Leuten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dort hineinzupassen», sagt Lewis.
Die Musik sei eines der «wichtigsten Dinge in meinem Leben». Auf Christina Aguileras Single «Pipe» gab er unter dem Decknamen XNDA sein Debüt. «Er ist so multitalentiert und hat eine grossartige Stimme», schwärmt sie. Hamilton hat angekündigt, dass noch mehr Songs von ihm folgen sollen.
Die Liebe zur Musik wurde ihm vererbt. Sein Vater spielte Schlagzeug in einer Band. Lewis wurde immer ermutigt, ein Instrument zu spielen. «Zuhause lief immer Musik, das ist auch Teil der Kultur meiner Familie.»
Hamilton zeigt auch Interesse an der Schauspielerei. Er hat Unterricht genommen und sich sogar für eine Rolle im Hollywood-Film «Top Gun» beworben. Doch ihm fehlt die Zeit für ein ernsthaftes Projekt. Erst irgendwann nach der Rennfahrer-Karriere wird er wohl in grösserem Stil über die Leinwand flimmern.
Das sagt Modeschöpfer Tommy Hilfiger
«Ich habe seinen kühnen Fahrstil immer bewundert und wollte etwas mit ihm machen. Ich hätte mir ein solches Resultat nicht einmal vorstellen können. Lewis bringt viel frischen Wind rein»
Der Muskel-Mann
Die Mischung aus Perfektion und Extravaganz begleitet Lewis Hamilton in allen Bereichen seines Lebens – auch in seinem eigenen Körperkult.
Sein Body ist reich geschmückt mit unzähligen Tattoos. Vor allem verkündet er mit seiner Körperkunst seinen christlichen Glauben. «Gott ist das wichtigste in meinem Leben», sagt der Katholik. Eines seiner Lieblingsmotive ist der Löwe auf der linken Brust: «Wild, aggressiv und leidenschaftlich. Er ist der Anführer seines Rudels und der König des Dschungels.» So wie Lewis selber.
Soviel zur Extravaganz. Und die Perfektion? Hamilton behandelt seinen Körper wie einen Tempel. Seit Jahren ernährt er sich vorwiegend vegan. «Ich bereue nur, es nicht schon früher getan zu haben», erklärt Hamilton.
Er sei fitter, mit 35 besser in Form als noch mit 25. Er schlafe besser, sei gesünder. Hamilton ist so überzeugt von seiner «pflanzenbasierten Diät», dass er sogar seinem Hund Roscoe das Futter umstellte.
Sein Fitness-Level ist offensichtlich. Hamilton hat kein Gramm Fett zu viel. Er mag es, Gewichte zu stemmen, kann es aber nicht übertreiben. «Ich darf nicht zu schwer sein. Und mehr Muskeln bedeuten mehr Kilos.»
Wichtig ist ihm, bei allen Verpflichtungen immer die Balance zu halten im Training. «Ich bin ganz gut darin, in meinen Körper reinzuhorchen und zu wissen, was ich ihm zumuten kann.»
Das sagt Top-Model Naomi Campbell
«Heiss, heiss, heiss»
Der Frauenheld
Ruhm und Erfolg haben ihren Preis. «Mein Liebesleben ist inexistent», sagt Hamilton. Das war beileibe nicht immer so. Die Liste der tatsächlichen und angeblichen Verflossenen hält schon fast mit jener seiner Siege mit.
Mit Stars wie Rihanna, Rita Ora, Winnie Harlow oder Sofia Richie werden ihm Affären nachgesagt. Es gibt unzählige Models und Möchtegerns, die sich mit Liebesabenteuern schmücken.
Nach Jodia Ma, seiner Freundin beim Formel-1-Einstieg, hinterliess Nicole Scherzinger den nachhaltigsten Eindruck. Auch von Hochzeit war mit ihr die Rede. Die On-Off-Beziehung mit der Sängerin der «Pussycat Dolls» hielt die Fans acht Jahre in Atem und war spannender zu verfolgen als so manche Titel-Entscheidung in der Formel 1 der letzten Jahren. Seit 2015 ist endgültig Schluss.
Von manchen Verflossenen wird ab und zu auch schmutzige Wäsche gewaschen. Model Veronica Valle plauderte einst ein paar bizarre Details aus, sprach auch von einem Problem mit der Wutbewältigung bei Hamilton, der so gar kein Gentleman gewesen sei. Die meisten der Frauen scheinen keinen Grund zur Klage zu haben – und schweigen.
Eine längere Beziehung ist nicht in Aussicht. «Ich bin ein Workaholic. Ich habe keine Zeit für eine Freundin», sagt er. Doch der Traum von Kindern träumt er weiter.
Das sagt das türkische Model Cemre Mirel
«Er war unglaublich im Bett. Von zehn möglichen Punkten gebe ich ihm elf. Aber er ist ziemlich schnell, wie auf der Strecke.»
Der Weltretter
Längst hat Lewis Hamilton entdeckt, was er seiner weltweiten Popularität erreichen kann. Er scheut nicht, aufzustehen und seine Meinung kundzutun. Im Zuge der «Black-Lives-Matter»-Bewegung wird Hamilton zu einer der lautesten Stimmen.
Das «Time Magazine» setzt seinen Namen auf die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten 2020 auf. «Darauf bin ich stolz», sagt Hamilton. Die Liste umfasst Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Sport.
«Sein Aktivismus hat die Welt bewegt. Lewis hat internationale Aufmerksamkeit auf die Black Lives Matter-Bewegung gelenkt», schreibt Nascar-Pilot Bubba Wallace im «Time Magazine» über Hamilton. «Lewis‘ mentale Vorbereitung, seine Aura und seine Fähigkeit, jede Gelegenheit zu nutzen, seine Plattform zu nutzen, um gegen Rassismus zu kämpfen, sind mehr als nur ein Vorbild für Rennfahrer und andere Sportler. Er ist eine Inspiration für alle.»
Hamilton setzt sich für Minderheiten ein. Es müsse sich ändern, wie diese behandelt würden. «Wir werden nicht mit Rassismus und Hass in unseren Herzen geboren, das wird gelehrt, von denen, zu denen wir aufschauen», sagt er. Er will die Welt ändern – und auch die «von Weissen dominierte» Formel 1.
Seit Jahren schon ist er ein Sportler, der über den Tellerrand schaut. Auch für die Umwelt setzt er sich vehement ein, sammelt Plastikmüll, prangert Zustände an und will erreichen, dass die Formel 1 grüner wird.
Selber versucht er, am Ende des Jahres klimaneutral zu sein. Darum setzt er vermehrt auf Elektromobilität und wurde seinen Privatjet los. Und auch seine Modelinie sei nachhaltig. Zu 70 Prozent, das Ziel sind 100.
Das sagt Mercedes-Boss Toto Wolff
«Was mich am meisten beeindruckt ist, wie sehr sich Lewis als Mensch entwickelt von Jahr zu Jahr. Er wird besser im Auto und ausserhalb des Autos, als Person. Das ist wirklich inspirierend.»
Der Geschäftsmann
Klar, dass Lewis Hamilton dick im Geschäft ist. Rund 50 Millionen Schweizer Franken soll er im letzten Jahr verdient haben. Ein Fünftel davon aus Werbeverträgen, den Rest durch seinen Lohn und Prämien. Sein neuer Vertrag bei Mercedes für 2021 soll allein 50 Millionen wert sein – wenn er denn endlich unterschrieben wird.
Hamilton gibt sein Geld gerne für schnelle Autos aus und lebt in Monaco. In New York besitzt er ein 37-Millionen-Penthouse und in London eine 21-Millionen-Villa. Sein Vermögen wird auf 260 Millionen Franken geschätzt.
Er arbeitet längst an seinen Standbeinen für die Zeit nach dem Sport. Dazu gehört sein Mode-Engagement mit Tommy Hilfiger. Jüngst investierte er in grossem Stil in die Restaurant-Kette «Neat Burger», die Burger auf veganer Basis anbietet. Und mit MV Agusta verkauft er Hamilton-Motorräder.
«Es ist mein Ziel, auch auf den anderen Gebieten Erfolg zu haben, in sie hineinzuwachsen, dabei auch ein erfolgreicher Geschäftsmann zu werden», sagt Hamilton und brüstet sich, er sei ziemlich gut darin, die richtigen Unternehmen für Beteiligungen auszusuchen.
Doch als Geschäftsmann hat er auch schon Negativschlagzeilen geschrieben. Es ging um den Kauf seines Privatjets, bei dem er dank Briefkastenfirmen über 4 Millionen Franken Mehrwertsteuern gespart haben soll.
Sowieso seien zumindest früher im Zusammenhang mit Hamilton auffallend viele Briefkastenfirmen aufgetaucht – sei es für den Arbeitsvertrag, Werbe- und Bildrechte oder den Kauf eines Motorhomes. Im Zug der «Paradise Papers»-Enthüllung kam dies alles ans Licht. Ohne Folgen.
Das sagt Formel-1-Pilot Romain Grosjean
«Für mich ist es nicht akzeptabel, dass Lewis Hamilton mehr als 40 Millionen verdient, während andere Fahrer für den gleichen Job 150’000 pro Jahr verdienen.»