Der beste Nicht-Weltmeister ist tot
Das verrückte Leben des Sir Stirling Moss (†90)

Einer der Grössten in der Formel 1 hat die Welt am Ostersonntag mit 90 Jahren in den Armen seiner Frau Susie verlassen: «Er starb wie er lebte, er schaute wunderbar aus! Er war einfach zu müde, und schloss seine schönen Augen.»
Publiziert: 12.04.2020 um 12:13 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2020 um 21:25 Uhr
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Die Formel 1 trauert um Stirling Moss.
Foto: Corbis via Getty Images
Roger Benoit

Seit 40 Jahren war Sir Stirling Moss in dritter Ehe mit Susie verheiratet. Und zum Ende sagte sie dem Londoner «Daily Mail» noch: «Er drehte einfach eine Runde zu viel.» Besser kann man das bewegte Leben des Briten nicht beschreiben.

Er lebte einst wie James Hunt

Der Superstar mit 66 Rennen und 16 Siegen auf fünf verschiedenen Marken (Maserati, Mercedes, Vanwall, Cooper und Lotus) war so etwas wie der Vorreiter seines Landsmannes James Hunt (starb 1993): Die Frauen bestimmten neben den vier Rädern sein wildes Leben.

Und die Bussenzettel der englischen Polizei: «Ich habe sicher ein Vermögen an den Staat abgeliefert.» Ein sympathischer Lebemann, der sich auch mal eine Zigarette anzündete. Und mit 15 Jahren bereits den Führerschein machte.

«Fangio stand Moss vor der Sonne!»

Wenn Experten und Fans eine Rangliste der Top Ten in der Formel 1 erstellen, dann taucht eigentlich immer der Name eines Nicht-Weltmeister auf: Stirling Moss (1999 von der Queen als Sir geadelt).

«Stirling ist wohl der talentierteste Rennfahrer von uns allen. Egal in welches Auto er einstieg, er war einfach sofort schnell. Und er ist ein Gentleman, der in seinem Leben einfach nur einen Schatten vor der Sonne hatte – Juan Manuel Fangio!» Das sagte der dreifache Weltmeister Jackie Stewart (80) vor Jahren zu BLICK.

Es war nicht das Coronavirus

Jetzt ist der überall beliebte Brite in seinem Haus im Londoner Stadtteil Kensington eingeschlafen. Ohne Hektik und ohne Coronavirus, wie seine Frau Susie mitteilte.

Nach 212 Siegen in 529 Rennen ist die letzte Zielflagge für den Sohn eines Zahnarztes gefallen. Dieser impfte ihm den Virus für den Motorsport ein. Denn Alfred Moss wurde 1924 bei den mörderischen 500 Meilen von Indianapolis immerhin 16.

Viermal Zweiter, dreimal Dritter

Einen Rekord hat Moss in die Ewigkeit mitgenommen: Er war zwischen 1955 und 1961 zuerst viermal Vizeweltmeister und dann dreimal WM-Dritter in Serie! Seinen vorletzten GP-Sieg feierte er am 14. Mai 1961, als er in Monaco im Lotus die drei Ferrari von Ginther, Phil Hill und Wolfgang von Trips hinter sich liess. Drei Monate später siegte er im brustschwachen Lotus auch noch auf dem Nürburgring – wieder vor einem Ferrari (Von Trips).

Es war dreimal der Argentinier Fangio, der Moss jeweils den Titel wegschnappte – und 1958 war es Stirlings Landsmann Mike Hawthorn im Ferrari. Damals zeigte sich was für ein grosser Sportler Moss war. Die Rennleitung wollte Hawthorn in Portugal auf dem zweiten Platz hinter Moss (Vanwall) disqualifizieren.

Fairness verhinderte WM-Titel

Was heute unmöglich ist: Moss setzte sich für seinen grossen Rivalen ein, damit er seine Punkte behalten konnte. Später sagte er dann: «Hätte ich mich nicht für Mike eingesetzt, wäre ich jetzt Weltmeister. Aber ich würde es wieder tun. Weil es das Gebot der Fairness fordert!»

Damals verlor Moss die WM-Krone um einen Punkt (41:42) und mit vier Siegen. Hawthorn hatte nur in Frankreich gewonnen.

Hawthorns kurze Freude

Im Januar 1959 verunglückte Mike bei einem Strassenunfall mit seinem Jaguar in England. Auf regennasser Strasse musste er einem Lastwagen ausweichen und prallte gegen einen Baum.

Nur noch Keke Rosberg (71) wurde in der Formel 1 mit einem einzigen Rennen Weltmeister – 1982 auf Williams-Ford mit dem Erfolg beim GP Suisse in Dijon.

Sechs Monate im Koma

Seinen schlimmsten Unfall hatte Moss bei einem Crash am 23. April 1962 in Goodwood. Er lag sechs Monate mit einem Hirntraume im Koma und war teilweise gelähmt. Doch die Leidenschaft zog ihn immer wieder in die Fahrzeuge mit vier Rädern zurück. Ein Jahr später kehrte er nach Goodwood zurück, fuhr einige Runden und gab auf: «Das war es dann!» Die Leichtigkeit des Seins und Fahrens hatte ihn verlassen. Aber nur der ehrgeizige Pilot Sir Stirling Moss war 1963 erstmals zurückgetreten.

2010 der Treppensturz...

Denn sogar mit über 80 Jahren drehte Moss mit historischen Boliden seine Runden. Dann gab er offiziell seinen zweiten Rücktritt bekannt. Nach einem fatalen Treppensturz, bei dem er sich 2010 mehrere Fuss und Knöchel brach. Das Schicksal liess ihn danach nicht mehr los.

... und die Brust-Infektion 2016

Am 22. Dezember 2016 wurde Moss in Singapur mit einer Brustinfektion ins Spital eingeliefert. Erst nach 134 Tagen konnte der Brite entlassen werden. Geschwächt und die Lebensgeister hatten ihn verlassen. Ja, er war fast zum Pflegefall geworden.

Susie: «Es war eine Runde zu viel»

Jetzt ging es für den Mann mit der Glatze nur noch ums nackte Überleben. Sir Stirling Moss wird der Formel-1-Welt immer in Erinnerung bleiben. Als Pech- und Paradiesvogel. Und eben als Rennfahrer, der nie Weltmeister wurde.

Wie sagte an Ostern seine Frau Susie am Totenbett: «Es war eine Runde zu viel!» Die letzte Zielflagge ist gefallen.

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