BLICK: Sie machen einen sehr ruhigen Eindruck. Wie würden Sie denn Ihren Fahrstil bezeichnen?
Charles Leclerc: Eine schwierige Frage mit diesen neuen Autos und Reifen. Um der Beste zu sein, musst du deinen Fahrstil allen Situationen anpassen. In der Qualifikation kannst du aggressiv sein, im Rennen ist der weichere Stil angesagt. Das wird 2018 die Kunst sein.
Sie kommen von einem Team mit 25 Leuten, jetzt sind es über 400. Da müssen Sie sich ausser Chef Frédéric Vasseur noch viele Namen merken…
(lacht) Genau. Fréd kenne ich aus meinen ART-Zeiten. Wir wissen von damals, wie man arbeitet, redet und siegt. Das ist immer gut. Mit jedem Werkbesuch lerne ich mehr Leute hinter den Kulissen kennen.
Eine Person ist für Ihre Zukunft besonders wichtig, Ihr Teamkollege Marcus Ericsson. Diesen müssen Sie schlagen. Hat sich Ihr Verhältnis zu 2017 mit ihm geändert, als Sie bei Sauber einige Freitag-Trainings bestritten?
Nein. Ich hatte noch nie Probleme mit meinen Teamkollegen. Es ist immer wichtig, dass du die Dinge in und ausserhalb des Autos gut trennen kannst. Ich verstehe mich mit ihm sehr gut, aber wenn ich den Helm aufsetze, dann habe ich keine Freunde mehr.
Ericsson ist in der Formel 1 so etwas wie ein Überlebenskünstler. Mit Felipe Nasr und Pascal Werhrlein hatte er zuletzt bei Sauber zwei Teamkollegen, von denen erwartet wurde, dass sie den Schweden wegblasen. Beide sind nicht mehr im Geschäft – machen Sie sich jetzt Gedanken?
Nein, überhaupt nicht. Ich muss einfach meinen Job machen – und habe das richtige Umfeld. Ferrari beobachtet mich sehr genau, nachdem sie mich seit Jahren begleiten. Und mit Nicolas Todt (Sohn des FIA-Präsidenten, d. Red.) habe ich schon lange den richtigen Manager, der sich auch um meine Zukunft kümmert. Ich muss nur den Job im Cockpit machen. Weil sich vieles im Kopf abspielt, hilft mir seit Jahren auch ein Mentaltrainer.
Bei den Tests in Barcelona fiel Kimi Räikkönen für einen Tag aus. Wenn dies an einem GP-Wochenende passiert, wären Sie bereit, ihn zu ersetzen und gegen Vettel zu fighten? Ohne eine Testrunde im Auto?
Ich habe keine Idee, ob ich im Notfall den Ferrari-Sitz bekomme. Wenn sie mich fragen würden, erfüllte sich ein weiterer Traum für mich. Doch jetzt bin ich ein Alfa-Sauber-Fahrer.
Kennen Sie Vettel gut? Wie ist Ihr Verhältnis zu anderen Piloten?
Natürlich habe ich Seb und Kimi bei Ferrari oft getroffen. Mit anderen Piloten gibt es höchstens mal einen Smalltalk.
Was sind denn Ihre Ziele 2018 mit dem Team Sauber, das von so weit hinten kommt?
Eine schwierige Frage, da in Barcelona ja alle Teams verschiedene Benzinmengen und andere Reifen fuhren. Aber es sieht gut aus. Die Basis ist da – und wenn wir auf diesem Weg weitermachen, sollten bald Resultate kommen. Doch es gibt keine Wunder in der Formel 1. Unser Ziel bleibt, näher ans Mittelfeld zu kommen. Daran arbeitet das ganze Team wie verrückt.
Wie stehts mit WM-Punkten? Ihr Teamkollege Ericsson wartet seit 48 Rennen darauf …
Das hängt alles von unseren Fortschritten ab. Ich kann nur hoffen, dass sie eintreffen. Eine andere Prognose mache ich nicht.
Der Halo muss Sie doch jetzt immer an ihren 2015 verstorbenen Freund Jules Bianchi erinnern. Dieser wurde doch nur wegen des Todes von Jules eingeführt.
Nein, der Halo belastet mich nicht speziell. Ich denke dann nicht an Jules. Da gibt es andere Situationen. Das einzige, was ich beim Anblick des Halo denke – ästhetisch passt er nicht zu unseren Autos. Und zudem hätte er am Unfall von Jules nichts ändern können!
Sie sind ja mit der Familie von Jules Bianchi aufgewachsen. Wie kam es dazu?
Mein Vater und der von Jules waren Jugendfreunde, so hatten wir mit den Bianchis ein sehr, sehr enges Verhältnis. Dann ging ich mit nicht einmal fünf Jahren auf deren Kartstrecke in Brignoles. Und danach war ich mit dem Virus Motorsport infiziert.
Einfach so?
Ja, der Vater von Jules befestigte meinen Kart mit einem Seil hinter seinen Privatwagen und zog mich um die Strecke. Dann löste er das Seil und sagte: Jetzt musst du allein fahren… Auf der Rückreise sagte ich meinem Vater: «Ich will später einmal Rennfahrer werden!»
Hatten Sie nie ein Interesse für andere Sportarten?
Nein, nie. Ich fahre im Winter etwas Ski.
Und verfolgen Sie am TV wenigstens andere Sportarten?
Kaum. Ich bin jetzt allerdings zu einigen Heimspielen der AS Monaco gegangen. Weil mir der Klub eine Saisonkarte schenkte.
Wo wohnen Sie eigentlich in Monte Carlo?
Wenn Sie in der ersten Kurve St. Devote nach links gehen, kommen Sie in die Rue Grimaldi. Dort wohne ich, rund 50 Meter von der Strecke. Doch ich habe aus meinem Appartement leider keinen Blick darauf.
Und wie genau kennen Sie die berühmteste Strecke der Welt?
Nun, jeder Einwohner von Monaco kommt fast täglich mit der Piste in Berührung. Früher fuhr mein Schulbus auf der Strecke. Aber Rennen bin ich in Monte Carlo nur zwei gefahren – 2017 in der Formel 2 (zwei Crashes, d. Red.).
Sie sind nach Louis Chiron, André Testut und Olivier Beretta erst der vierte echte Monegasse in der Formel 1. Sind Sie jetzt im Fürstentum ein Star?
Nein, die Dinge haben sich zwar etwas geändert, einige Menschen gratulieren zum Aufstieg. Aber Monaco beherbergt so viele Formel-1-Fahrer und andere prominente Leute. Da ist der Wirbel zum Glück nicht so gross.
Warum haben Sie in der Formel 1 die Startnummer 16 gewählt?
Ich wollte eigentlich meine Lieblingszahl 7. Doch die hat ja Kimi. Dann war auch die 10 schon durch Gasly besetzt. Da dachte ich 1 und 6 gibt auch sieben. Zudem habe ich am 16. Oktober Geburtstag. Dann erfuhr ich noch, dass Louis Chiron vor fast 70 Jahren mit der 16 unterwegs war (1950 wurde Chiron mit 51 Jahren auf Maserati beim Heimrennen Dritter, d. Red.).
Sie müssen jetzt öfters in die Schweiz fliegen. Was gefällt Ihnen – und was nicht?
Ich liebe eure Schokolade, kann mich aber nicht an die Kälte gewöhnen. Da ich gerne im eigenen Bett schlafe, fliege ich immer am Morgen von Nizza nach Zürich – und nehme den Flug am Abend zurück.
Haben Sie eine Freundin?
Ja, seit drei Jahren. Und es immer noch die gleiche (lacht).
Und zum Schluss die einfachste Frage – wer wird Weltmeister?
Einfach!? Red Bull hat sicher grosse Fortschritte gegenüber Mercedes gemacht. Aber ich bin von Ferrari überzeugt. Ich hoffe natürlich, dass der Titel endlich wieder nach Maranello kommt.
Charles Leclerc (1,79 m gross, 69 Kilo) wurde am 16. Oktober 1997 in Monte Carlo geboren. Bereits 2005 begann er seine Motorsport-Karriere im Kart. Dort war er bis 2013 aktiv. In jenem Jahr wurde Leclerc nach verschiedenen Titeln WM-Zweiter hinter einem gewissen Max Verstappen! 2014 beendete er in der Alpine Formel Renault als Gesamtzweiter. 2015 gabs den 4. Platz in der Formel-3-EM. 2016 holte er sich den Gesamtsieg in der GP3-Serie – und 2017 krönte er seine bisherige Karriere mit sieben Siegen und dem Titel in der Formel 2. Seit zwei Jahren ist Leclerc in Maranello im Förderungsprogramm von Ferrari.
Charles Leclerc (1,79 m gross, 69 Kilo) wurde am 16. Oktober 1997 in Monte Carlo geboren. Bereits 2005 begann er seine Motorsport-Karriere im Kart. Dort war er bis 2013 aktiv. In jenem Jahr wurde Leclerc nach verschiedenen Titeln WM-Zweiter hinter einem gewissen Max Verstappen! 2014 beendete er in der Alpine Formel Renault als Gesamtzweiter. 2015 gabs den 4. Platz in der Formel-3-EM. 2016 holte er sich den Gesamtsieg in der GP3-Serie – und 2017 krönte er seine bisherige Karriere mit sieben Siegen und dem Titel in der Formel 2. Seit zwei Jahren ist Leclerc in Maranello im Förderungsprogramm von Ferrari.