Noch ein Tag, dann geht die Formel-1-Reise hier in Australien in die 70. Saison. Die neuen Besitzer tun alles, um den Sport wieder attraktiver zu machen. Der Extra-Punkt für die schnellste Runde soll – neben einigen technischen Veränderungen – dabei helfen.
Die Stimmen im Fahrerlager zur Nostalgie-Regel vor 60 Jahren sind unterschiedlich. «Am Ende sind es doch nur Mercedes, Ferrari und Red Bull, die mit diesem Punkt absahnen. Für uns bleibt vielleicht mal ein Trostpflaster …», tönt es von Racing Point-Mercedes.
Knall-Potenzial schon vor dem Start! Denn auch Ferrari und Mercedes machen sich Sorgen. Wegen der Statistik: Fünfmal hätte der Weltmeister seit dem Extra-Punkt-Ende 1959 einen andern Namen gehabt. Ein Wahnsinn, der erst jetzt den Fans bewusst wird. Die fünf Opfer: Lauda, Gilles, Villeneuve, Mansell, Prost und Massa.
- 1976 gewann James Hunt (McLaren) das epische «Rush»-Duell gegen Niki Lauda (Ferrari) mit 69:68, weil der Wiener im letzten Rennen im Fuji-Regen aufgab. Hätte es damals einen Extra-Zähler für die schnellste Runde gegeben, hätte Lauda den Titel mit 72:71 geholt. Weil er beim Runden-Duell mit 4:2 vorne lag!
- 1979 hätte der vielleicht beliebteste Fahrer aller Zeiten, Gilles Villeneuve (Ferrari), das rote Duell gegen Jody Scheckter dank den schnellsten Runden (6:0) mit 53:51 Punkten für sich entschieden. So wurde der Südafrikaner mit 51:47 Champion!
- 1986 gewann Alain Prost (McLaren) den Titel gegen Nigel Mansell (Williams) mit 72:70. Der Brite hätte im Runden-Duell mit 4:2 auf 74:74 aufgeschlossen – und wäre mit 5:4-Siegen Weltmeister gewesen.
- 1988 liess Ayrton Senna im McLaren-Superkampf Alain Prost mit 90:87 abblitzen. Doch der Franzose lag bei den schnellsten Rennrunden 7:3 vorne – also 94:93 für Prost. Wenn…
- 2008 erwischte es Felipe Massa (Ferrari). Er unterlag Lewis Hamilton (McLaren) in einem dramatischen Finish mit 97:98. Hätten damals die schnellsten Runden gezählt (3:1 für den Brasilianer) hätte der Brite nicht den ersten seiner fünf Titel erobert – 99:100…
Muss bis zum Saisonfinale am 1. Dezember in Abu Dhabi wieder der Zählrahmen zur Hilfe genommen werden? Die 6403 Kilometer lange Reise hat noch andere Neuheiten parat.
- Der Chip im Handschuh. Er soll den Ärzten bei einem Unfall sofort die nötigen Angaben über den Puls, Sauerstoff und Herzfrequenz angeben. Wie der 2018 eingeführte Cockpitschutz Halo (von dem kaum noch einer spricht) und der neue Crash-Test für die Helme sollen verhindern, dass die Formel 1 den 34. Toten seit 1950 beklagen muss. Jules Bianchi (Suzuka-Unfall 2014) hätten jedoch alle Sicherheitsmassnahmen nicht retten können.
- Die Reifen. Nicht alle Fahrer, vor allem Lewis Hamilton, sind mit der Qualität der fünf neuen Pirelli-Reifen von C1 (extrahart) bis C5 (superweich) zufrieden. Der Zeitunterschied von einer Gummi-Mischung zur nächsten beträgt 0,6 Sekunden. Die Farben: C1/C2 Weiss, C3 Gelb, C4/C5 Rot.
- Das Gewicht. Die Autos dürfen jetzt 743 Kilo (bisher 730) wiegen. Um die weniger leichten Piloten etwas zu schützen, muss jeder Fahrer mit Sitz und Helm 80 Kilogramm auf die Waage bringen. Tut er dies nicht, müssen irgendwo am Auto die sündteuren und schweren Wolfram-Platten als Ballast angebracht werden. Bis ein Fahrer auf der Waage beweisen kann, dass sein Normalgewicht zugenommen hat.
- Die Frontflügel-Philosophie. Sie wird bei den ersten Rennen die grosse Rolle spielen. Ferrari und Alfa lassen die Luft aussen an den Vorderrädern nach hinten verschwinden. Mercedes und Red Bull lassen sie innen oder über die Räder abfliessen. Alles, um mehr Abtrieb zu erreichen. Der Frontflügel ist jetzt 200 Zentimer breit (bisher 185). Es sind nur noch maximal 5 Elemente und keine zweite Ebene erlaubt. Zudem nur noch zwei vertikale Stabilisatoren. Heckflügelhöhe neu 87 Zentimeter (bisher 80), Heckflügelbreite 105 statt 95 Zentimeter. Bei der Bremsbelüftung sind vorne Winglets und Finnen verboten. Es dürfen jetzt 110 Kilo (bisher 105) aufgetankt werden. Und dies alles, um das Überholen einfacher zu machen. Bei Racing Point bringt man es auf den Punkt: «Wir bauen ein Auto, das einfach nur schnell sein muss und nicht, um dem Hintermann das Leben in der dreckigen Luft zu vereinfachen!»