Seine Augen haben schon schärfer gesehen. Sein Gehör sagt ihm sofort, was wichtig ist. Sein Gang ist nicht mehr so leicht. Seine weissen Haare flattern wild im Wind. Sein Gesicht erzählt tausend alte Geschichten. Diese waren natürlich nicht immer stubenrein – wie sie es auch heute im aufgeblasenen Milliarden-Sport nicht sind.
Nur etwas hat das hohe Alter bei Bernie Ecclestone (94) nicht angegriffen – das Hirn. «Unheimlich, wie mein Mann noch immer am ganzen Weltgeschehen interessiert ist, sich mit zwei iPhones und einem iPad durch den Tag kämpft und stundenlang telefoniert», sagt seine Frau Fabiana (48).
2012 hat er die Brasilianerin in Thun geheiratet. Es ist die dritte Ehe des Briten, der die Formel 1 über 40 Jahre lang dirigierte, gross machte – und jetzt profitieren alle von seinem unendlichen Erbe. Bernie erwartet aus keiner Ecke einen Dank: «Ich habe alles nur für die Formel 1 und für mich gemacht. Nicht für England.» Eine Aussage, die ihn wohl den Titel Sir Charles Bernard Ecclestone gekostet hat.
Ace spricht Englisch und Portugiesisch und ein wenig Deutsch
Blick war jetzt zum vierten Mal auf der Farm in Amparo bei Sao Paulo. Für fünf Tage – und zum zweiten Mal war Ecclestones Sohn Ace (4) dabei. Diesmal als aufgeweckter Junge, der sich auch als Hobby-Fischer an den zwei eigenen Seen auszeichnete und neben Englisch und Portugiesisch auch ein wenig Deutsch spricht. Sein offizieller Wohnsitz Gstaad (BE) lässt grüssen.
Man spürt es jede Minute: Ace ist der Mittelpunkt und Stolz der kleinen Familie. «Er ist schon ein kleiner Rebell. Das gefällt mir, wie auch sein Interesse für alle Dinge», sagt Bernie. «Ace fragt immer, warum – er will Antworten. Vielleicht war ich als Junge auch einmal so!»
Vettel ruft an
Wir spielen Backgammon. Eine Tradition seit über 40 Jahren. Das Handy klingelt. Früher ertönte die Melodie von «Spiel mir das Lied vom Tod». Bernie hat den Ton vor ein paar Jahren gewechselt – zu Country und Pop. Am Apparat ist Gerhard Berger. Man plaudert und lacht. Später ist Sebastian Vettel dran. «Ihm musste ich die Comeback-Träume ausreden. Warum soll sich ein vierfacher Weltmeister das antun?» Die beiden diskutieren die heikle Fahrerfrage rund um Pérez bei Red Bull. Bernie erklärt ihm, dass Red Bull den Mexikaner schon vor zwei Rennen durch Tsunoda hätte ersetzen sollen. «Dann wüsste man jetzt, ob der Japaner wirklich reif für den Job neben Verstappen wäre.»
Am anderen Tag telefoniert Bernies Freund Flavio Briatore und erzählt ihm, dass er für 2025 unbedingt Colapinto will. Der Ablösepreis von 20 Millionen Dollar an Williams sei kein Problem. Der Italiener hat 1991 bereits Michael Schumacher nach dem Jordan-Debüt in Spa fürs nächste Rennen zu Benetton geholt, in seinem ersten GP wurde Schumacher in Monza gleich Fünfter.
Verträge sind da, um gebrochen zu werden. Und der Alpine-Chefdenker müsste für den Argentinier den bereits engagierten Doohan wieder entlassen. Bernie lacht: «In der Formel 1 ist immer alles möglich. Bis das Geld auf der Bank ist.»
SMS von Papa Bortoleto
Am Mittwoch erreicht eine SMS Fabiana, die brasilianische FIA-Vizepräsidentin, auf der Farm. «Der Vater von Bortoleto bedankte sich bei uns für die Hilfe beim Transfer von Sohn Gabriel zu Audi-Sauber. Wir haben da einige Türen geöffnet.» Mehr wird nicht verraten. Bernie: «Wichtig ist jetzt, dass Bortoleto sofort eine Wohnung in der Nähe der Fabrik sucht.» Bernie wundert sich, dass es Sauber immer noch gibt. «Ich habe Peter einmal gesagt, dass die Schweiz für die Formel 1 eine Insel ist, und ich sein Durchhaltevermögen bewundere. Jetzt kommt ja Audi, aber die Deutschen sind in der jetzigen Situation vielleicht nicht einmal unglücklich, dass einige Leute aus Katar Interesse am neuen Projekt zeigen und sich beteiligen wollen.» Denn der Weg von VW-Tochter Audi nach oben wird steinig. Vor allem, wenn man kein vernünftiges Auto bauen lässt – und der eigene Motor noch ein Fragezeichen ist.
Am Dienstag kommt in Bernie der alte Zocker hoch. Wir schauen auf CNN die US-Präsidentenwahl. «Soll ich einige Zehntausend Dollar auf Trump setzen?» Der Mann, der täglich einen Liter Milch trinkt, macht es nicht: «Die Quote ist mir mit 7:4 zu schlecht!»